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Ist Olympia irgendwann egal?

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Jens Krepela
20. Februar 2022

Was ist schlimmer als Freude oder Ärger über eine Großveranstaltung? Gleichgültigkeit und Resignation - die spürt DW-Redakteur Jens Krepela bei seinem Blick auf die Winterspiele von Peking 2022.

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Olympia Peking 2022 | Coronamaßnahmen Helfer in Schutzmontur
Bild: Salvatore Di Nolfi/Keystone/picture alliance

Wie fällt die Bilanz dieser Winterspiele aus?

Eine Antwort auf eine solche Frage ist leicht, wenn man selbst in Wallung war. Wenn das Ereignis Wellen schlägt. Weltweit. Wenn es Gelegenheit gibt, mitzufiebern, zu bangen, enttäuscht zu sein oder zu jubeln. Die Faszination für Sport ist eben vor allem eines: Emotion. Die deckt dann trotz journalistischer Distanz mitunter alles andere zu: die politischen Hintergründe im Gastgeberland beispielsweise, oder der kritikwürdige Umgang mit der Natur. Deshalb funktioniert "Sportswashing" mit Großereignissen bisher ganz gut. Chinas Winterspiele könnten in dieser Hinsicht ein Wendepunkt sein, denn das mit der Wallung und den Wellen hat nicht geklappt. Stattdessen wirkt das Spektakel, obgleich bestens organisiert, wie ein zu oft gewaschener Schleier: blass und dünn. Hindurch sind die zweifelhaften Strukturen von Olympia gut zu sehen.

Alles ganz normal?

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DW-Redakteur Jens Krepela

Sicher, auch diese zwei Wochen haben neue Stars hervorgebracht, wie die erst 18 Jahre alte Doppelolympiasiegerin Eileen Gu. Ebenso blickte man in die Abgründe des Spitzensports, wie im Falle der jungen Eiskunstläuferin Kamila Walijewa aus Russland. Aus deutscher Sicht gab es Sensationssiege: Langlauf-Gold für Katharina Hennig und Victoria Carl zum Beispiel. Dazu eine fast unheimliche Gold-Serie im olympischen Eiskanal. Der kann als gutes Beispiel dienen, warum die Kritik nicht abebbt. Wer als Zuschauer dieses Monstrum in der Landschaft gesehen hat, weiß auch ohne Tiefenrecherche, wie es mit der Nachhaltigkeit vieler Sportstätten bestellt ist. Ein altes Thema.

Genauso alt ist das Entsetzen über die Politik des IOC. Allzu willfährig läuft die Zusammenarbeit mit Herrschern wie Wladimir Putin (Sotschi 2014) und Xi Jinping. Für reibungslose Winterspiele nehmen Präsident Thomas Bach und sein IOC es nicht so genau mit der Einhaltung der Menschenrechte und dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung. So auch diesmal. Bachs Einlassungen zur Tragödie um Walijewa und die mögliche Einführung eines Mindestalters bei Olympia sind scheinheilig, er hätte Letzteres längst bewerkstelligen können. Das IOC juckte es auch wenig, dass die Teams mehrerer Länder eigens Mobiltelefone als Wegwerfartikel anschafften, aus Angst vor chinesischer Ausspähung

Gastgeber China nutzt die Plattform

Und China? Die Gastgeber nutzten die Spiele wie vorgesehen für Propaganda. Die Ehre das olympische Feuer zu tragen, wurde unter anderem der Langläuferin Dinigeer Yilamujiang zuteil. Sie ist Uigurin, entstammt also jener muslimischen Minderheit, aus der Zehntausende von der Staatsführung in Peking in Umerziehungslagern interniert werden. Dieser Fakt wurde von Yan Jiarong, der Sprecherin des Olympia-Organisationskomitees, einfach als "Lüge" beiseite gewischt. Stattdessen verdrehte sie, ganz nach Chinas Lesart, noch andere politische Zusammenhänge, indem sie den demokratischen Inselstaat Taiwan als "einen untrennbaren Bestandteil Chinas" bezeichnete.

China I Vor den Olympischen Spielen in Peking 2022 I Airport
Freundliche Volunteers und dennoch dystopische Szenen: Corona überschattet OlympiaBild: Grigory Sysoev/Sputnik/picture alliance

Zu alldem kam dann auch noch die Pandemie. Das ließ kaum Zuschauer zu. Athletinnen und Athleten, der Medientross und die Funktionäre - sie alle lebten drei Wochen lang in einer Anti-Corona-Blase. Streng abgeschirmt und ständig getestet gelang es zwar die Zahl der Coronafälle verschwindend gering zu halten. Ein Erfolg, der jedoch die Stimmung vieler Beteiligter noch weiter drückte. "Jetzt haben alle genug und schauen, dass sie hier rauskommen", kommentierte Deutschlands Ski-Alpin-Direktor Wolfgang Maier die Seelenlage seines Teams am vorletzten Tag der Wettkämpfe.

Olympia: Haken dran und weg. Wenn schon Sportler selbst so empfinden, wie soll es Fans und Beobachtern anders gehen? Vom Zauber, den Olympia trotz aller Kritik oft doch entfaltet, war nichts zu sehen. Spiele wie die von Peking laufen Gefahr, eines zu werden: egal.

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Jens Krepela Redakteur, Reporter, Autor