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Gesellschaft

Freedom Day - oder ein Schlag ins Gesicht der Freiheit

Kommentarbild Muno Martin
Martin Muno
20. März 2022

An diesem Sonntag sollen in Deutschland einige Corona-Beschränkungen fallen, was manche schon vom Freedom Day reden lässt. Doch diese Bezeichnung ist dumm und zynisch, meint Martin Muno.

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Junge Menschen tanzen und feiern in einem Club in Manchester
In Großbritannien wurde im Juli 2021 der "Freedom Day" gefeiert - aber der Katzenjammer folgteBild: Joel Goodman/ZUMAPRESS/picture alliance

Passenderweise war es Boris Johnson, der als einer der ersten vom sogenannten Freedom Day schwadronierte. Der britische Premierminister mit fatalem Hang zu populistischen Äußerungen versprach im vergangenen Sommer weitgehende Lockerungen der Pandemie-Maßnahmen - nur, um kurz darauf in häusliche Quarantäne zu müssen und die Erleichterungen später wieder zu kassieren.

Seither gab es in mehreren Ländern solche Freiheitstage, die mal mehr oder weniger pathetisch, meist aber mit Strömen von Alkohol begangen wurden. An diesem Sonntag sollen nun auch in Deutschland bundesweite Maßnahmen fallen - trotz täglich neuer Rekordzahlen bei den Ansteckungen mit dem COVID-19-Virus. Weil die meisten Bundesländer angesichts dieser Situation eigene Beschränkungen erlassen wollten, kochen im Lager der Corona-Leugner und der rechtspopulistischen AfD, aber auch in Teilen der bürgerlichen Parteien die Gefühle hoch. Es müsse endlich ein Freedom Day auch für Deutschland her, wird nicht zuletzt in sozialen Netzwerken lautstark gefordert.

Führende Politiker der Regierungskoalition, so auch Bundeskanzler Olaf Scholz, halten den Begriff für "dem Ernst der Lage nicht angemessen". Das ist eine ziemlich zurückhaltende Äußerung. Um es deutlicher zu sagen: Der Begriff "Freedom Day" im Zusammenhang mit einer Aufhebung ist historisch gesehen zynisch und moralisch falsch.

Der Ursprung: Das Ende der Sklaverei

Der Ursprung des Tags liegt in den USA. Dort hatte Präsident Abraham Lincoln am 1. Februar 1865 die Sklaverei für beendet erklärt. Seitdem wird dieser Tag als "National Freedom Day" begangen. Auch in Südafrika gibt es einen solchen Feiertag: Er geht zurück auf den 27. April 1994, als die ersten freien Wahlen nach dem Ende der Apartheid abgehalten wurden.

Wer aber das Ende von Sklaverei und Apartheid in einen unmittelbaren Zusammenhang mit Maßnahmen zum Schutz von Leib und Leben angesichts einer seit zwei Jahren anhaltenden Pandemie bringt, verharmlost die rassistische Unterdrückung schwarzer Menschen. Auch das ist eine Form des Rassismus!

DW-Redakteur Martin Muno  im Porträt
DW-Redakteur Martin Muno

Doch selbst jenseits dieser  historischen Bedeutung ist der Begriff unsinnig - zumindest in demokratischen Staaten. Denn dort wurde über die Einschränkungen der Freiheiten demokratisch entschieden. Und eine riesige Mehrheit der Menschen trägt die Maßnahmen mit. Denn diese für uns alle schmerzlichen Einschränkungen sind kein Selbstzweck, sondern sie dienen dem Schutz von Gesundheit und Leben der Mitmenschen. Freiheit ist eben mehr als die Freiheit, keine Maske tragen zu müssen. Sie kann in bestimmten Situationen auch darin bestehen, einzusehen, dass es gut ist, eine zu tragen. Das nennt man dann Mündigkeit.

Die "Freiheit" illegaler Autorennen

Ich handle so, damit meine Mitmenschen (und auch ich selbst) von Ansteckung, Krankheit, Leid, Tod oder von Long COVID verschont werden. Die gegenteilige Haltung vertreten nicht nur Maskenverweigerer oder Impfgegnerinnen, sondern beispielsweise auch Menschen, die illegale Autorennen in Städten abhalten. Die wollen ihren Spaß haben, und es ist ihnen völlig egal, wenn sie dadurch andere gefährden. Oder um es noch weiter zu treiben: Manche besitzen sogar die Freiheit, anderen zu befehlen, ins Nachbarland einzumarschieren.

Wahre Freiheit kann nur dort bestehen, wo sie mit Vernunft verknüpft ist, ansonsten ist sie - um es mit dem Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel zu sagen - reine Willkür. Die Vorstellung, Freiheit bestehe darin, dass man einfach tun könne, was man wolle, bezeichnete Hegel vor gut 200 Jahren als "gänzlichen Mangel an Bildung". Heutzutage kann man das aber auch einfach als dumm bezeichnen.

Kommentarbild Muno Martin
Martin Muno Digitaler Immigrant mit Interesse an Machtfragen und Populismus@martin.muno