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PolitikEuropa

Ende der Peinlichkeiten zwischen Berlin und Kiew

Porträt eines Mannes mit blauen Augen in Hemd und Jacket, im Hintergrund ist der Majdan-Platz in der ukrainischen Hauptstadt Kiew zu erkennen
Frank Hofmann
5. Mai 2022

Außenministerin Baerbock soll bald nach Kiew reisen. Vor Bekanntgabe der Reisepläne hatten Steinmeier und Selenskyj ihren Streit beigelegt. Wichtig ist eine krachende Niederlage Russlands, meint Frank Hofmann.

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Blick auf den Maidan in der ukrainischen Hauptstadt Kiew
Der Maidan und das 2001 errichtete Unabhängigkeitsdenkmal sind bisher unbeschadet durch den Krieg gekommenBild: Pavel Nemecek/dpa/CTK/picture alliance

Was für ein Glück - die Präsidialverwaltungen in Berlin und Kiew haben doch noch einen Weg herausgefunden aus diesem unnötigen diplomatischen Trauerspiel: Nachdem vor drei Wochen die ukrainische Seite einen Besuch des in der Ukraine aus guten Gründen unbeliebten deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier abgelehnt hatte, ergossen sich vor allem Steinmeiers sozialdemokratische Parteifreunde in angesichts der Lage unwürdigen Orgien des Beleidigtseins.

Es ist Krieg in Europa. Jeden Tag werden unschuldige Ukrainerinnen und Ukrainer getötet. Putins Soldateska foltert, vergewaltigt und verschleppt Menschen. Sie begeht Verbrechen, als habe sich der Kontinent, die Welt nach den beiden Katastrophen des 20. Jahrhunderts nie auf ein allgemein gültiges Regelwerk zum Schutz der Würde des Menschen geeinigt. Als ob sich Europa nach dem Abschlachten auf dem Balkan zwischen 1991 und 1995, nach Srebrenica und dem Kessel von Sarajewo nicht noch einmal des "nie wieder" vergewissert hätte.

"Wir haben das Recht, emotional zu sein"

Die ukrainische Vize-Regierungschefin Irina Wereschtschuk hat nach der UN-überwachten Evakuierung von gut 100 Menschen aus dem Stahlwerk in Mariupol völlig zurecht in die Fernsehkamera des deutschen Privatsenders "Welt" gesagt: "Wir haben das Recht, emotional zu sein. Wir haben das Recht, mehr zu fordern - mehr Waffen, mehr Sanktionen (...) Sie verlieren Geld, während wir Leben verlieren!" 

Dass die Ukraine auch aus Deutschland, der viertgrößten Waffenschmiede der Welt, mit schweren Waffen versorgt werden soll, hat der Deutsche Bundestag bereits in der vergangenen Woche mit großer Mehrheit beschlossen. Auch mit den Stimmen der größten Oppositionspartei, die noch vor kurzem die Kanzlerin stellte. Diese Mehrheitsentscheidung ist die demokratische Antwort Deutschlands auf Putins Krieg. Und daran sollten sich bis auf weiteres jetzt auch alle staatstragenden Parteien dieses Landes halten. Da ist kein Platz für unnötige Eitelkeiten.

Das bedeutet auch, dass der deutsche Bundeskanzler jetzt ein politisches Zeichen setzen und mit dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron den Europatag am 9. Mai in Kiew begehen sollte. Auf dem Maidan, wo die Ukrainerinnen und Ukrainer im Winter 2013/14 schon einmal für ihren Weg nach Europa kämpften.

"Geht nach Hause"

Das wäre eine gute Gelegenheit, um der Welt zu zeigen wie Europa gedenkt mit diesem Affront Russlands auch langfristig umzugehen: Wenn der Siegelbewahrer der Menschenrechte, der Präsident der Grande Nation und der Bundeskanzler des Stabilitätsankers in Europa klar machen, was das Herz Europas fordert. Gerade dem deutschen Bundeskanzler kommt da eine ganz besondere Verantwortung zu: Es waren schließlich deutsche Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg aus der Ukraine zuletzt ein Schlachthaus gemacht haben. Der weiße Elefant im Raum wird immer größer, wenn sich das demokratische Deutschland diesem Teil seiner Geschichte jetzt nicht erneut stellt und daraus die richtigen Schlüsse zieht.

Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck hat diese Antwort richtigerweise sehr kurz und prägnant formuliert auf die Journalistenfrage, was seine Botschaft an Russland sei: "Stoppt den Krieg und geht nach Hause." Deutschland muss alles in seiner Macht tun, dass dies so schnell wie möglich passiert.