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PolitikEuropa

Drohnen über Serbien - Entspannung in Berlin

3. November 2022

Mit drei Mobilitätsabkommen ist im Berliner Prozess ein Verhandlungs-Coup für die Länder des westlichen Balkans gelungen. Ein Gewinn auch für die Annäherung zwischen Serbien und Kosovo, findet Adelheid Feilcke.

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Harmonie in Berlin - der Westbalkangipfel konnte entscheidende Fortschritte erzielenBild: Jens Schlueter/AFP

In den serbischen Medien war es das Aufregerthema schlechthin: Belgrad versetzt seine Streitkräfte in Alarmbereitschaft, weil im Grenzgebiet zu Kosovo angeblich Drohnen über Militäranlagen gesichtet worden seien. Und das vor dem Hintergrund, dass Kosovo gerade im Streit um die gegenseitige Anerkennung von Auto-Kennzeichen auf stur stellt. Für die eigentliche Sensation im bilateralen Verhältnis blieb in den Zeitungen und Newsportalen hingegen kaum Platz. Die Story von den Drohnen lenkt die Aufmerksamkeit ab von Berlin, wo am Donnerstag wichtige Schritte zur regionalen Kooperation und Entspannung getan wurden, die die Mobilität in der gesamten Region erleichtern sowie eine engere Zusammenarbeit ermöglichen sollen.

Deutschen Diplomaten und ihren europäischen Partnern ist dabei im Rahmen des "Berliner Prozesses" ein wahrer Durchbruch gelungen: Die sechs Westbalkanstaaten werden zukünftig die Personalausweise sowie die Ausbildungs- und Hochschulabschlüsse ihrer jeweiligen Nachbarländer anerkennen. Die drei Abkommen ermöglichen durch die Hintertür auch eine Normalisierung zwischen den beiden Nachbarn Serbien und Kosovo. Und das vor dem Hintergrund, dass Serbiens Regierung weiterhin offiziell eine Anerkennung Kosovos kategorisch ablehnt.

Mit Recht können diese Abkommen also als wichtige Etappenerfolge auf dem Weg der regionalen Integration verstanden werden, weil sie Kooperationen auf vielen Ebenen erleichtern und Freizügigkeit innerhalb des Westbalkans erzeugen.

Belgrad bewegt sich, Bosnien auch

Besonders Serbien hat sich hier erfreulicherweise deutlich von seiner bisherigen Blockade entfernt, weil das Land nun auch Dokumente Kosovos anerkennt. Das ist für Hunderttausende betroffene Menschen in der Region ein wichtiger Schritt in Richtung einer gegenseitigen Akzeptanz der Staaten.

Neben dieser wichtigen Normalisierung zwischen Belgrad und Pristina ermöglichen die Abkommen auch einen Durchbruch zwischen Bosnien-Herzegowina und Kosovo. Denn auch Bosnien-Herzegowina hat auf Druck der bosnischen Serben Kosovo bisher nicht anerkannt. Endlich können nun Menschen zwischen den beiden Staaten visafrei reisen!

Gewinner dieses deutschen Verhandlungserfolgs sind vor allem die Menschen in den Ländern des westlichen Balkans, die mobil sein wollen und damit auch zum Wissenstransfer beitragen, weil ihre Abschlüsse aus den Nachbarländern nun anerkannt werden. Viele Tausende Angehörige der jeweiligen Minderheiten werden davon profitieren und damit zu einer neuen gelebten Vielfalt in ihren Ländern beitragen und helfen, ethnische Diskriminierung abzubauen.

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Adelheid Feilcke leitet die DW-Hauptabteilung Europa

Gewinner ist mittelfristig auch die gesamte Region, da diese Mobilitätsabkommen den anvisierten Binnenmarkt erleichtern und die wirtschaftliche Entwicklung der gesamten Region beflügeln können. Die geplante engere Zusammenarbeit im Energiesektor wird da die Region sicher weiter stärken und hoffentlich helfen, den fortgesetzten Braindrain, also das Abwandern gut ausgebildeter junger Menschen ins Ausland, zu verringern.

Achtungserfolg für den "Berliner Prozess"

Last but not least hat sich durch diese Abkommen der Berliner Prozess als diplomatische Brücke zwischen Westbalkan und EU wirkungsvoll zurückgemeldet. Die deutsche Ampelregierung hat sich das einstige Merkel-Projekt mit diesem Coup erfolgreich zu eigen gemacht und gegenüber den Westbalkan-Staaten ein klares Bekenntnis der intensiven Unterstützung einer EU-Mitgliedschaft für alle sechs Westbalkanstaaten abgelegt. Dies ist angesichts des wachsenden russischen Einflusses in der Region dringlicher denn je.

Natürlich gab es im Umfeld des Gipfels allerlei diplomatische Nebelkerzen, die ähnlich wie die geheimnisvollen Drohnen von diesem Durchbruch ablenken sollen. Denn in den eigenen Ländern sind die jüngsten Beschlüsse nach wie vor nicht unumstritten. Bleibt zu hoffen, dass derartige Dissonanzen ebenso wieder verschwinden wie die angeblichen Drohnen; und dass die Spannungen an den Grenzen bald nachlassen, damit die Menschen endlich unkompliziert hin und her reisen können und die Region von den Kompetenzen ihrer Menschen diesseits und jenseits der Grenzen profitieren. Zufriedene Menschen, die sich ohne politische Blockaden entwickeln können, sind es, die die Region voranbringen und die EU-Integration des Westbalkans beschleunigen.