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Meier: US-Annahme von Atom-Deal nicht vor Herbst

Andreas Gorzewski10. Juli 2015

Trotz der Unstimmigkeiten sieht Rüstungsexperte Oliver Meier die Atom-Verhandlungen auf gutem Weg. Nach einer Einigung wäre die Umsetzung des Deals in den USA und im Iran eine nächste Hürde, sagt Meier im DW-Interview.

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Wien Atomgespräche mit dem Iran Kerry und Zarif (Foto: Reuters/State Department/Handout)
Bild: Reuters/State Department/Handout

Deutsche Welle: Die Atomgespräche zwischen Iran auf der einen und den USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland auf der anderen Seite sind offenbar weit gediehen. Welche Knackpunkte sehen Sie noch auf westlicher Seite?

Oliver Meier: Das ist schwer einzuschätzen, weil die Vertraulichkeit in den Verhandlungen gewahrt worden ist. Es ist ein gutes Zeichen, dass keine beteiligte Seite bisher versucht hat, bestimmte Themen über die Öffentlichkeit zu diskutieren. Klar ist, dass nach wie vor die Aufhebung der Sanktionen sehr wichtig ist. Hier hat jetzt ein bisher nebengeordnetes Thema an Bedeutung gewonnen: die Sanktionen im Bereich Import und Export konventioneller Rüstungsgüter. Besonders schwierig zu sein scheint nach wie vor die Frage des Zugangs der Inspektoren zu den iranischen Atomanlagen.

Was sind von iranischer Seite aus die Knackpunkte?

Hier geht es primär um die Frage der Aufhebung der Sanktionen im Wirtschaftsbereich. Man möchte möglichst schnell weitreichende Beschlüsse im UN-Sicherheitsrat und der Europäischen Union, die die wirtschaftliche Zusammenarbeit erleichtern. Zudem möchte man die sofortige Aufhebung aller Import- und Exportsanktionen in den Bereichen konventioneller Rüstungsgüter und Raketen, die nicht direkt mit dem Nuklearbereich zusammenhängen.

Ein weiterer Streitpunkt war der zulässige Uran-Anreicherungsgrad, der für eine militärische Nutzung viel höher sein müsste als für eine zivile. Besteht hierüber Einigkeit?

Die Frage der Anreicherungskapazitäten und auch des Umgangs mit vorhandenem Spaltmaterial ist zu großen Teilen schon Anfang April in Lausanne geklärt worden. Hinter diese Einigung scheint man nicht zurückzufallen. Das Gleiche gilt für den Plutonium-Pfad zur Bombe, den Schwerwasserreaktor in Arak und den Verzicht auf die Abtrennung von Plutonium aus abgebrannten Brennstäben. Darauf ist der Iran bereit, dauerhaft zu verzichten. Viele der zentralen Fragen, bei denen noch vor einigen Monaten eine Einigung sehr schwierig erschien, sind jetzt offensichtlich gelöst. Angestrebt sind angeblich ein Abschlussdokument und fünf detaillierte Annexe, die zu einem Großteil schon ausgehandelt sind. Der letzte Schritt, dieses Gesamtpaket zu akzeptieren, ist allerdings in der Regel sehr schwierig. Man kann nur hoffen, dass das in den nächsten Tagen passiert.

Wie steht es mit den Laufzeiten für ein Abkommen?

Porträt - Dr. Oliver Meier (Foto: SWO)
Oliver Meier, Experte für RüstungskontrolleBild: SWP

Es ist ebenfalls im Rahmenabkommen Anfang April detailliert beschrieben worden, welche Aspekte des iranischen Atomprogramms wie lange begrenzt werden und wie lange welche Überwachungsmöglichkeiten bestehen. Die grundsätzliche Einigung ist, dass die Begrenzung zentraler Teile des Anreicherungsprogramms und zusätzliche Überwachungskompetenzen mindestens 10-15 Jahre lang aufrecht erhalten werden. Andere Elemente gelten für bis zu 25 Jahre. Unter dem Nichtverbreitungsvertrag bleibt der Iran völkerrechtlich verpflichtet, auch darüber hinaus keine Atomwaffen zu entwickeln. Sicher wird auch nach Ablauf dieses Abkommens noch überwacht werden. Iran hat sogar bestimmte Begrenzungen dauerhaft akzeptiert, beispielsweise den Verzicht auf die Wiederaufbereitung von Plutonium. Das ist ein wichtiges vertrauensbildendes Element.

Könnte die Innenpolitik in den USA und im Iran ein Knackpunkt jenseits des Verhandlungstisches sein - also bei der Umsetzung des Abkommens?

Die innenpolitischen Auseinandersetzungen sowohl in Washington als auch in Teheran dürften in dem Moment schärfer werden, in dem ein solches Papier vorliegt. Wahrscheinlich werden wir erst im Herbst wissen, wie diese Debatten ausgehen. Aber auch dann gibt es noch vielfältige Möglichkeiten, die Implementierung zu erschweren. Deswegen ist es wichtig, dass mit solch einem Abkommen ein robuster Konsultationsmechanismus geschaffen wird, der den Parteien ermöglicht, Schwierigkeiten bei der Umsetzung - von denen es viele geben wird - gemeinsam zu diskutieren und aus dem Weg zu räumen.

Wie geht es im Falle einer Einigung auf US-Seite weiter?

Die Beratungen über die Annahme eines Deals werden sich bis in den Herbst hineinziehen, denn der US-Kongress hat nach einer Einigung 60 Tage Zeit, darüber zu beraten. Derzeit sieht es so aus, dass der Kongress ein solches Abkommen zunächst nicht billigen würde. Dann hätte der Präsident zwölf Tage Zeit, sein Veto einzulegen, um das Abkommen durchzusetzen. Danach blieben wiederum dem Kongress zehn Tage, um dieses Veto per Zweidrittel-Mehrheit zu überstimmen. Sollte diese Zweidrittel-Mehrheit zustande kommen, wäre ein solches Abkommen in Washington tot.

Oliver Meier ist stellvertretender Forschungsgruppenleiter für Sicherheitspolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Sein Spezialgebiet sind Probleme der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen.

Das Gespräch führte Andreas Gorzewski.