Mehr Steuern für mehr Tierwohl?
7. August 2019Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner hält nichts von einer höheren Besteuerung von Fleisch, um den Konsum zu bremsen und die Tierhaltung zu verbessern. Die CDU-Politikerin begrüßte zwar, dass es eine Sensibilität dafür gebe, dass mehr Tierwohl auch mehr Geld koste. Sie fügte aber hinzu: "Das Geld muss nicht automatisch aus Steuererhöhungen kommen, sondern kann durch Schwerpunktsetzungen erreicht werden."
Problem Intensiv-Tierhaltung und hohe Tierbestände
Und auch aus dem SPD-geführten Bundesumweltministerium kommt Kritik an der auch von SPD-Politikern ins Gespräch gebrachten Steuererhöhung: "Aus Umweltsicht sind die hohen Tierbestände und die Intensiv-Tierhaltung das zentrale Problem", sagte ein Sprecher des Ministeriums. "Da gibt es effektivere Mittel als das Steuerrecht." Aus Umweltsicht gebe es gute Gründe für eine Reform der Mehrwertsteuer, das müsse jedoch im Gesamtsystem passieren. Von einem "häppchenweisen Vorgehen", beispielsweise bei der Besteuerung von Fleisch, hält das Ministerium nach Angaben des Sprechers nichts.
Grüne kritisieren "komplett falsche Agrarpolitik"
In der Debatte um teureres Fleisch für mehr Tierwohl stellt sich auch die Grünen-Spitze gegen den Vorschlag aus den eigenen Reihen, höhere Steuern zu verlangen. Parteichef Robert Habeck sagte der "Süddeutschen Zeitung" (SZ), eine "isolierte Betrachtung von Einzelsteuersätzen" sei nicht sinnvoll. Wer etwas ändern wolle, müsse das gesamte Mehrwertsteuersystem "auf ökologische Lenkungswirkung, Kohärenz und soziale Auswirkungen" umbauen.
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Oliver Krischer, sagte der Deutschen Presse-Agentur, eine isolierte Betrachtung von Mehrwertsteuersätzen im Lebensmittelbereich helfe "nicht wirklich weiter und steht jetzt nicht an". Handlungsbedarf sehen aber sowohl Habeck als auch Krischer: "Eine komplett falsche Agrarpolitik auf Kosten von Klima, Umwelt, Tierwohl und Arbeitsschutz hat Deutschland zum Exporteur von Billigfleisch gemacht", sagte Krischer. "Die Haltungsbedingungen in den riesigen Ställen sind Tierquälerei." Es brauche eine komplett andere Agrarpolitik mit klaren Standards für Klima, Umwelt, Tierwohl und Arbeitsschutz. Habeck sagte der SZ: "Das System der industriellen Tierhaltung wendet sich inzwischen gegen sich selbst." Es sei logisch, dass die Fleischproduktion zurückgehen müsse, dafür müsse man bei den Produktionsbedingungen ansetzen.
Greenpeace dafür - Bauernverband dagegen
Der Deutsche Bauernverband (DBV) hält die Debatte allerdings für "zu kurz gedacht" und fordert stattdessen eine ausgereifte Strategie für die Nutztierhaltung. "Nicht der Fiskus, sondern die Landwirte brauchen Mittel und Unterstützung für eine Weiterentwicklung der Tierhaltung", erklärte der DBV. "Weder dem Tierwohl noch dem Klimaschutz ist gedient, wenn die deutschen Landwirte weiter in mehr Tierwohl investieren und der Markt sich preisgünstig aus anderen EU-Ländern mit niedrigeren Tierwohlstandards versorgt." Notwendig sei eine flächendeckende und verbindliche Kennzeichnung der Haltungsform.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace plädierte für ein "Ende der Steuervergünstigung von Fleisch- und Milchprodukten". Eine höhere Mehrwertsteuer von 19 Prozent würde die Nachfrage laut Berechnungen des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft im Auftrag von Greenpeace um elf Prozent verringern und zugleich Mehreinnahmen von 3,6 Milliarden Euro bringen.
Bisher wird Fleisch in Deutschland wie die meisten Lebensmittel nur mit einer Mehrwertsteuer von sieben statt der üblichen 19 Prozent belegt. Eine höhere Besteuerung hatte der Deutsche Tierschutzbund ins Gespräch gebracht. Agrarpolitiker von SPD und Grünen schlossen sich dem an. Friedrich Ostendorff (Grüne) sagte, das zusätzliche Geld solle für mehr Tierwohl eingesetzt werden.
Deutschland ist der größte Schweinefleischerzeuger in Europa. Insgesamt gibt es hierzulande 26 Millionen Schweine, mehr als zwölf Millionen Rinder und rund 177 Millionen Hühner.
qu/as (dpa, rtr, afp)