Mehr männliche Erzieher in Kitas
27. April 2017An die 40 Tagesväter, so schätzt Mehran Aghadavoodi, gibt es inzwischen in Köln. Als er vor 15 Jahren im Lehrgang für Tagesmütter saß, war er der einzige Mann. Seitdem arbeitet der 62-jährige gebürtige Iraner als Tagesvater.
Angesichts der aktuellen Zahlen kann man Mehran Aghadavoodi durchaus als Exoten bezeichnen. Zwar ist der Anteil von Männern, die in der Kleinkinderbetreuung arbeiten, von 2006 bis 2016 stetig gewachsen - allerdings auf sehr niedrigem Niveau. Waren 2006 gerade einmal 3,1 Prozent der Beschäftigten in Kindergärten und Kindertagesstätten männlichen Geschlechts, machte der Männeranteil 2016 5,4 Prozent aus, heißt es im "Fachkräftebarometer Frühe Bildung", das jetzt vom Deutschen Jugendinstitut e.V. veröffentlicht wurde.
Von Familienmüttern und berufstätigen Vätern
Miguel Diaz, Fachreferent beim Koordinierungszentrum des an diesem Mittwoch begangenen Boys' Day sowie dem Netzwerk "Neue Wege für Jungs e.V." sieht in dem Zuwachs grundsätzlich eine positive Entwicklung. Doch die Zahlen zeigten deutlich ein altbekanntes Phänomen: Je kleiner Kinder seien, desto geringer sei der Anteil an Männern, die sich um sie kümmerten. Denn nach wie vor gelte das gesellschaftliche Dogma, die Erziehung von Kleinkindern sei Frauensache.
Auch sprachlich schlage sich das nieder, sagt Diaz. So spreche man selten von der "Familienmutter", aber durchaus vom "Familienvater", um dessen familiäre Einbindung zu beschreiben. Wiederum sei vom "berufstätigen Vater" nur selten die Rede, vielfach aber von der "berufstätigen Mutter" - zwei Beispiele, die die vorherrschende Einstellung zum Verhältnis der Geschlechter und ihre Verbindung zu Berufs- und Familientätigkeit verdeutlichten. Und diese Einstellung halte sich hartnäckig.
"Es geht nicht um das Einkommen"
Eine Einstellung, die Mehran Aghadavoodi nicht nachvollziehen kann, gerade vor dem Hintergrund, dass die meisten Frauen in Deutschland gut ausgebildet seien, sagt er. Aghadavoodi mutmaßt, dass viele Männer das Thema Kindererziehung einfach noch nicht entdeckt hätten. Selbst schuld, meint der Kölner Tagesvater. Derzeit betreut Aghadavoodi fünf Kinder. Das jüngste ist 14 Monate, das älteste 3 Jahre alt. Um 7 Uhr morgens werden die Kinder von ihren Eltern gebracht, um 15 Uhr wieder abgeholt. Momentan zahle ihm die Stadt 5 Euro pro Kind in der Stunde, erklärt Aghadavoodi. Zwar müsse er von dem Geld auch das Essen für die Kinder, Spielsachen und immer wieder die eine oder andere Reparatur zahlen, dennoch sei das kein schlechtes Einkommen.
Auch Diaz sagt, es sei nicht die Aussicht auf ein eher bescheidenes Entgelt, das Männer vom Erzieherberuf abhalte. Ein Kfz-Mechatroniker verdiene nicht unbedingt mehr als ein Altenpfleger, dennoch sei eine Lehre zum Kfz-Mechatroniker nach wie vor bei vielen jungen Männern die absolute Traumausbildung.
Boys' und Girls' Day: Für mehr Vielfalt im Beruf
"Die Berufswahl ist viel mehr als nur eine Entscheidung darüber, was ich als junger Mensch später beruflich einmal machen will", erklärt Diaz. Vielfach wollten junge Menschen dabei auch die eigene Geschlechterrolle unterstreichen, eben männlich oder auch weiblich wirken. "Wenn ich eine Ausbildung zum Stahlbetonbauer mache, hat das natürlich eine ganz andere Aussage, als wenn ich eine Ausbildung zum Erzieher mache, weil die Kindererziehung eben sehr weiblich konnotiert ist." Nach wie vor habe die Familie, insbesondere die Eltern einen großen Einfluss bei der Berufswahl. Aber auch die sogenannte Peergroup, die soziale, meist gleichaltrige, Bezugsgruppe neben dem Elternhaus, übe viel Einfluss aus.
Mit dem Boy's Day und dem Girl's Day sollen Jungen und Mädchen ermutigt werden, auch jenseits der tradierten Jobmuster den passenden Beruf zu finden. Es gehe dabei vor allem um mehr Geschlechtervielfalt in den unterschiedlichen Berufen. Denn es habe sich gezeigt, dass solche Firmen besser aufgestellt seien als diejenigen, in denen Jobs stereotyp besetzt würden.
Quatsch machen und toben, basteln und vorlesen
Was für eine Firma gilt, gilt im Erzieherberuf in erster Linie für die Kinder. Dabei gehe es aber weniger um die vor nicht allzu langer Zeit beklagte Benachteiligung von Jungs, denen in Kindergärten und der Grundschule die männlichen Vorbilder fehlten und die von Lehrerinnen gar schlechter benotet würden als von den wenigen Lehrern. Eine mögliche schlechtere Benotung habe nämlich nichts mit dem Geschlecht von einzelnen Lehrern zu tun, wie sich herausgestellt habe, erklärt Diaz. Es gehe vielmehr darum, dass Jungen wie Mädchen ein Recht darauf hätten, möglichst vielfältig erzogen zu werden - von Männern und Frauen.
Es sei gut, wenn Kinder ganz unterschiedliche Bezugspersonen hätten, meint auch Tagesvater Aghadavoodi. Und auch "seine Kinder" erlebten unterschiedliche Betreuungsmethoden. Während er gerne Quatsch mache, viel rumtobe und musiziere, übernehme seine Frau, die ihn ab und zu bei der Arbeit unterstütze, die eher ruhigen Beschäftigungen wie Vorlesen oder Basteln. Ob dies aber an ihrem "Frausein" oder ihrem Beruf liege, könne er nicht sagen - schließlich sei sie Kunstlehrerin und -therapeutin, sagt der Kölner.