Mehr deutsche Soldaten nach Afghanistan
26. Januar 2010Nach einem Treffen mit den Spitzen der im Bundestag vertretenen Parteien teilte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Dienstag (26.01.2010) mit, 500 der 850 zusätzlichen Soldaten seien für "Schutz und Ausbildung" zuständig. Die übrigen 350 könnten als "flexible Reserve" etwa zur Beobachtung von Wahlen eingesetzt werden. Ihr Einsatz müsse jedoch jedes Mal vom Verteidigungsausschuss des Bundestages genehmigt werden. Derzeit sind am Hindukusch rund 4500 deutsche Soldaten stationiert.
Die Zahl der deutschen Polizeiausbilder solle von 123 auf 200 erhöht werden, betonte Merkel. Zudem sollten die Gelder für den Wiederaufbau des kriegszerstörten Landes nahezu verdoppelt werden: Sie sollen von 220 schrittweise auf 430 Millionen Euro steigen.
Merkel wies darauf hin, dass die Afghanistan-Mission ein gefährlicher Einsatz bleibe. Für eine reale Abzugsperspektive müsse zunächst Stabilität geschaffen werden. Auf ein konkretes Datum für den Abzug der deutschen Truppe aus Afghanistan wollte sie sich nicht festlegen. Es werde aber der Ansatz der afghanischen Regierung unterstützt, bis 2014 selbst für die Sicherheit des Landes sorgen zu können.
Entwicklungshilfe wird kräftig aufgestockt
Zugleich kündigte die Kanzlerin deutsche Hilfe für die Wiedereingliederung von Taliban an, die sich von ihren radikalen Überzeugungen gelöst haben. Dafür wolle die internationale Gemeinschaft binnen fünf Jahren einen Fonds von insgesamt 350 Millionen Euro aufbauen, an dem sich Deutschland in zweistelliger Millionenhöhe beteiligen wolle. Insgesamt – so Merkel weiter - werde jetzt die Etappe der Übergabe der Verantwortung an die afghanische Regierung beginnen.
Merkel hatte das Afghanistan-Konzept der Regierung am Montagabend mit einer Ministerrunde im Kanzleramt festgelegt. Am Mittwoch will sie das Maßnahmenpaket in einer Regierungserklärung vor dem Bundestag erläutern. Am Donnerstag soll Außenminister Guido Westerwelle den Vorschlag dann der Afghanistan-Konferenz in London vorlegen. Über eine Erweiterung des Afghanistan-Mandats muss der Bundestag entscheiden.
Mehr Präsenz in der Fläche
Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) erläuterte, der Schwerpunkt der Mission werde deutlich in Richtung ziviler Aufbaumaßnahmen verlagert. Auch solle die Bundeswehr künftig mehr Präsenz in der Fläche zeigen. Wenn sich die Soldaten in ihren Camps "einigeln" würden, könnten sie die Lebensbedingungen der Menschen nicht verbessern, betonte er. "Wir wollen ausdrücklich keine Militarisierung, sondern ein abgestimmtes Vorgehen". Es sei sinnvoll und notwendig, stärker in die Fläche zu gehen, da die Masse der Menschen auf dem Land lebe.
SPD wird heftig umworben
Die Regierungsparteien CDU, CSU und FDP setzen darauf, dass sie von der Opposition zumindest die SPD mit ins Boot holen können, um den Soldaten einen größeren Rückhalt im Parlament zu signalisieren. Die SPD-Führung hatte in den vergangenen Tagen eine Erhöhung der "Kampftruppen" abgelehnt und einen Rückzug der Bundeswehr bis 2015 verlangt.
Demgegenüber zeigte sich der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold offen für eine Aufstockung der deutschen Truppe in Afghanistan. Im Südwestrundfunk sagte er: "Eines geht natürlich nicht: den Soldaten immer wieder neue Aufgaben zuzuteilen, da ist natürlich ganz klar, dafür brauchen sie auch die Mittel, und deshalb muss man auch über Personal reden." Ein größeres Truppenkontingent sei allerdings nur eine der Voraussetzungen für ein sinnvolles Afghanistan-Konzept. Notwendig sei, dass parallel dazu die zivile Hilfe und der Polizeiaufbau verbessert werden.
Autor: Reinhard Kleber (dpa, ap, rtr, afp)
Redaktion: Ursula Kissel