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Medienlandschaft in Serbien

24. November 2004

– Keine Regeln für investigativen Journalismus aufgestellt

https://p.dw.com/p/5ty3

Bonn, 23.11.2004, DW-RADIO/Serbisch, Zelimir Bojovic

"Nachforschungen zu Themen über Kriegsverbrechen und organisierte Kriminalität gefährden die Sicherheit der sich damit beschäftigenden Journalisten in Serbien und Montenegro". Dies hat Dragana Nikolic–Solomon, Direktorin des Belgrader Büros des Instituts für Kriegs- und Friedensforschung in London (IWPR), gegenüber DW-RADIO gesagt.

Frage:

Wie würden Sie die aktuelle Medienlandschaft in Serbien beschreiben?

Antwort:

Medien in Serbien sind – ebenso wie in Kroatien, Albanien und Bosnien – mit der Notwendigkeit konfrontiert, dass die Medien geregelt und die Regeln auch umgesetzt werden müssen. Dies bezieht sich vornehmlich auf das Verleumdungsgesetz (Verleumdungen werden strafrechtlich verfolgt. – MD). Gleichzeitig muss in den Medien ein Klima hergestellt werden, dass die Journalisten schreiben können, allerdings über Themen, die sie auch beweisen können und nicht über Hörensagen. Ich glaube, in den serbischen Medien wird die Arbeit des UN-Kriegsverbrechertribunals (ICTY) blockiert, was im Moment sehr bedauerlich ist. Es gibt Medien, die häufig nicht korrekte Überschriften über die Arbeit des ICY melden, was ich verurteile, weil die Frage der Kooperation mit dem Tribunal eine europäische Frage ist und dieses Land keine Zukunft hat, wenn es sich nicht mit der Vergangenheit auseinandersetzt.

Frage:

Welche Probleme bestehen noch in serbischen Medien?

Antwort:

Ein weiteres Problem ist, dass keine Transparenz herrscht. Das heißt, wir wissen nicht, wer in den Verwaltungsräten der diversen Medien sitzt und wer nun der eigentliche Eigentümer ist. Dies muss geklärt werden.

Frage:

Warum existieren in Serbien immer noch keine Standards für den investigativen Journalismus?

Antwort:

Die Presse in Serbien hat kein Geld für richtigen investigativen Journalismus, der Zeit, enorme Geduld und Zutritt zu Informationen erfordert. Die Journalisten entschließen sich dann eher für kürzere Recherchen, die sie investigativen Journalismus nennen, aber auch die werden nicht zu Ende geführt.

Frage:

Was ist Ihres Erachtens erforderlich, damit professionelle journalistische Standards in Serbien vorangetrieben werden?

Antwort:

Im Allgemeinen gibt es auf dem Balkan viele Theorien, aber wenig wird in die Praxis umgesetzt. Bei professionellen journalistischen Standards, woran denken wir? Liegt es an uns, die Gesetze umzusetzen? Werden allein die Gesetze zu einer Verbesserung der Texte führen? Ich glaube nicht daran. Wir werden dies nur durch Praxis und Regelungen erreichen. Das heißt, ein Journalist kann über alles schreiben, was er will, wenn er es beweisen kann, wenn über das, was er schreibt, ein "Papier" existiert und er verantwortungsbewusst ist. Und die derzeitige Praxis, dass Journalisten ein Individuum aufgreifen und ihn mit Dreck bewerfen, nur weil das jemand so will oder er es am Stammtisch gehört hat, ist nicht die Art, wie man einen professionellen Text produziert.

Frage:

Sie sagen, dass Sie sogar drei investigative Projekte in Montenegro stoppen mussten, weil die Sicherheit der eingesetzten Journalisten gefährdet war.

Antwort:

In einem Fall ist ein Zeuge, der mit unserer Journalistin gesprochen hat, am gleichen Nachmittag nach dem Gespräch mit ihr getötet worden. Und auch die Journalistin ist direkt bedroht worden. So mussten wir dieses Projekt aufgeben. Das heißt, je verschlossener eine Gesellschaft ist, desto schwieriger ist die Arbeit der Journalisten.

Frage:

Welches sind die effizientesten Mittel, um Journalisten zu schützen und dem Druck oder den Erwartungen der politischen Elite oder der kriminellen Unterwelt zu begegnen, deren Ziel es ist, dass die Wahrheit nicht ans Tageslicht gelangt?

Antwort:

Beim IWPR ist es häufig vorgekommen, dass unsere Journalisten aus Serbien, Albanien und dem Kosovo direktem Druck von organisierten Gruppen ausgesetzt waren und telefonisch auch ihre Angehörigen bedroht wurden. In einer solchen Situation ist es am schlimmsten zu schweigen. Als erstes muss diese Drohung veröffentlicht und versucht werden, Unterstützung zu erhalten, und zwar nicht nur auf lokaler, sondern auch auf internationaler Ebene. In diesem Sinne können die Botschaften in Belgrad und natürlich das OSZE-Büro Journalisten enorm unterstützen und ihnen helfen. (md)