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Maulkorb für die Meinungsfreiheit in Thailand

13. Januar 2011

Während der Konflikte zwischen Rothemden und Armee Anfang 2010 verhängte Thailands Regierung den Ausnahmezustand. "Rote" Medien wurden blockiert, unabhängige ebenso - mit Nachwirkungen bis heute.

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Militärparade in Bangkok vor dem Bildnis des Königspaares (Foto: Holger Grafen)
Das Militär ist nicht nur auf der Straße, sondern auch im NetzBild: Holger Grafen

Der Webmasterin Chiranuch Premchaiporn wird Majestätsbeleidigung und Verstoß gegen das "Computerkriminalitätsgesetz" vorgeworfen, das 2007 nach dem Militärputsch auf den Weg gebracht worden war. Deswegen macht sie gerade eine aufreibende Zeit durch.

Ende September 2010 war sie nachmittags auf Bangkoks Internationalem Flughafen verhaftet worden, als sie aus dem Ausland zurückkam. Anschließend wurde die Webmasterin des Onlineportals "Prachatai" in die knapp 450 Kilometer entfernte nordöstliche Provinz Khon Kaen gebracht. Dort war ein Haftbefehl gegen sie ausgestellt worden. Erst in der Nacht kam sie gegen Kaution frei.

Ein Klima der Angst

Ursprünglich war das Computerkriminalitäts-Gesetz dazu gedacht, Pornografie und Internetkriminalität den Kampf anzusagen. Von den Autoritäten werde es aber zunehmend dazu benutzt, ein Klima der Angst zu schaffen und Kritiker mundtot zu machen, sagen Beobachter. Besonders sensible Themen sind die Monarchie und Fragen der nationalen Sicherheit. Überhaupt wird Majestätsbeleidigung in Thailand strikt geahndet: Ein Schuldspruch kann bis zu 15 Jahre Haft bedeuten.

Chiranuch Premchaiporn in ihrem Büro (Foto: Holger Grafen)
"Prachatai"-Webmasterin Chiranuch Premchaiporn in ihrem BüroBild: Holger Grafen

Ein Bürger der Provinz Khon Kaen hatte Chiranuch bereits 2008 bei der Polizei angezeigt. Im September 2009 war dann der Haftbefehl ausgestellt worden. Die 43-Jährige, die völlig ahnungslos war, wundert sich allerdings, warum die Polizei anschließend ein Jahr gebraucht hatte, um sie festzunehmen: "Ich bin doch keine Wohnungslose. Meine Adresse ist registriert, unser Büro ist der Öffentlichkeit zugänglich. Wir verstecken uns nicht", sagt Chiranuch. "Wenn dieser Fall als so ernst gilt, frage ich mich, warum ich darüber im Vorfeld nicht informiert worden bin."

Chiranuch ist nicht zum ersten Mal ins Visier der Behörden geraten. Schon im März 2009 durchsuchte die Polizei das Büro von "Prachatai" und verhaftete die Webmasterin. Ende März 2010 wurde Chiranuch offiziell wegen Verstoßes gegen das Computerkriminalitätsgesetz angeklagt. Fast vier Stunden wurde sie festgehalten, ehe sie auch damals auf Kaution freigelassen wurde.

Skurril ist, dass es sich in allen Fällen um Kommentare handelt, die nicht Chiranuch selbst, sondern andere Nutzer im mittlerweile geschlossenen "Prachatai"-Webboard verfasst hatten. Der Onlineexpertin wird vorgehalten, sie habe jene Kommentare, die nach Ansicht der Autoritäten die Monarchie verunglimpften, nicht rasch genug gelöscht.

"Prachatai" gilt als offenes Forum

"Prachatai" heißt übersetzt so viel wie "freie Menschen". Im Zuge des Ausnahmezustands, der im April 2010 über große Teiles des Landes verhängt worden war, war das unabhängige und populäre Onlineportal mehrfach von den Behörden blockiert worden. Insgesamt musste "Prachatai" acht Mal den Domain-Namen wechseln.

Kürzlich wurde der Ausnahmezustand aufgehoben. Chiranuchs rechtliche Lage hat sich dadurch allerdings nicht verändert. Aber sie steht für ihre Überzeugung ein: "Wir glauben einfach an die Rechte der Menschen, ihre eigene Meinung äußern zu dürfen und so viele Informationen wie möglich bekommen zu können", so Chiranuch. "Und sie sollen das Recht haben, etwas zu sagen, das nützlich für die Öffentlichkeit ist."

"Von jenen lernen, die andere Auffassungen haben"

Thaksin Shinawatra auf einer Leinwand (Foto: Holger Grafen)
Ex-Premier Thaksin Shinawatra meldet sich per Video bei seinen AnhängernBild: Holger Grafen

Das Onlineportal "Prachatai" war 2004 gegründet worden - noch während der Amtszeit des damaligen Premiers Thaksin Shinawatra, der im September 2006 vom Militär gestürzt worden war. Auch Thaksin galt im Umgang mit Kritikern als wenig zimperlich. Wer es wagte, seinen Politikstil in Frage zu stellen, wurde wegen angeblicher Verleumdung vor Gericht gestellt oder auf andere Weise unter Druck gesetzt. "Prachatai" selbst habe unter Thaksin trotz kritischer Berichterstattung keine Probleme gehabt, sagt Chiranuch. Vielleicht, weil man damals noch zu neu und zu klein gewesen sei. Die Probleme hätten erst mit dem Putsch begonnen.

Sich mit unterschiedlichen politischen Ansichten auseinanderzusetzen, habe Thailands Gesellschaft nie gelernt, sagt sie: "Normalerweise reden wir immer nur mit Freunden und mit Leuten, die ähnliche Ansichten haben. Wir versuchen gar nicht erst, von jenen zu lernen, die andere Auffassungen haben. Hier herrscht eine begrenzte Toleranz", kritisiert Chiranuch. "Wenn man anders denkt, wird man gleich in eine Schublade gesteckt." Berichtet "Prachatai" beispielsweise über die oppositionellen Rothemden, dann wirft man dem Onlineportal vor, pro-Thaksin zu sein. "Ich gebe nicht viel auf Thaksin", stellt Chiranuch klar. "Es geht hier um mehr als um ihn, und das müssen wir in der Gesellschaft diskutieren."

Chiranuch, deren Prozess im Februar beginnen soll, weist alle Vorwürfe von sich. Menschenrechtler und Medienorganisationen fordern, die Autoritäten sollten sämtliche Anklagen gegen die Webmasterin sofort zurückziehen.

Autorin: Nicola Glass
Redaktion: Marco Müller

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