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Mariss Jansons ist tot

1. Dezember 2019

Die Musikwelt trauert um einen der großen Orchesterleiter seiner Generation. Zuletzt hat der preisgekrönte lettische Dirigent in München das Symphonie-Orchester und den Chor des Bayerischen Rundfunks geleitet.

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Dirigent Mariss Jansons gestorben
Bild: Getty Images/M. Porro

Dass Mariss Jansons einmal einige der größten Orchester der Welt dirigieren würde, schien zunächst ein Ding der Unmöglichkeit, denn der Sohn der jüdischen Mezzosopranistin Erhaida und des Dirigenten Arvid Jansons wurde 1943 versteckt im Ghetto von Riga geboren. Die Familie überlebte, und die Mutter konnte nach dem Krieg ihre Karriere als Sängerin fortsetzen. Jansons sah als Kind oft bei Proben der Eltern zu und wollte schon als Dreijähriger Dirigent werden. Er arrangierte Knöpfe, denen er verschiedene Instrumente zuwies, und ließ seine Stofftiere dirigieren. 1952 wurde sein Vater Chefdirigent der Leningrader Symphoniker, Mutter und Sohn zogen 1956 nach ins heutige St. Petersburg.

Herbert von Karajan als Mentor

Nach der Schulzeit studierte Jansons Violine, Klavier und Orchesterleitung am Konservatorium von St. Petersburg. Der weltberühmte Herbert von Karajan setzte sich später persönlich dafür ein, dass Jansons zu Studienzwecken aus Russland ausreisen durfte und sich in Wien bei Hans Swarowsky weiterbilden konnte. 1970 assistierte Jansons Karajan in Salzburg und gewann 1971 den internationalen Karajan-Wettbewerb in Berlin.

Doch es waren weder Wien noch St. Petersburg, wo Jansons den Grundstein seiner Karriere legte, sondern die norwegische Hauptstadt Oslo. Von 1979 bis 2000 wirkte er als Chefdirigent der Osloer Philharmoniker, die er zu einem internationalen Spitzenorchester formte. Er tourte mit ihnen durch alle großen Konzerthäuser. 1996 erlitt Jansons, der seit 1992 auch Principal Guest Conductor des London Philharmonic Orchestra war, während einer Aufführung von "La Bohème" in Oslo einen Herzinfarkt. Es folgte eine mehrmonatige Zwangspause. Trotz Jansons Entschluss, weniger Gastdirigate anzunehmen und sich gesünder zu ernähren, blieb er ein Workaholic.

Gefeiert von der Kritik

Die Fachleute waren immer wieder beeindruckt von Jansons enormem Arbeitspensum. Er schaffte es dennoch, niemals in Routine zu verfallen und sich und seine Klangvorstellungen weiterzuentwickeln. Er galt als Spezialist für russische Musik (Schostakowitsch, Tschaikowsky, Strawinsky), aber die Fachpresse feierte Jansons auch für seine Strauss-Interpretationen.

Seit 2003 leitete er das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Kurz zuvor hatten ihn die Mitglieder des Königlichen Concertgebouw Orchesters in Amsterdam zu ihrem Chefdirigenten gewählt, Ab 2004 betreute Jansons dann beide Orchester. Zur Spielzeit 2015/2016 gab er seinen Posten beim Concertgebouw auf, in München verlängerte er seinen Vertrag zuletzt bis zum Jahr 2024.

Wiener Philharmoniker Neujahrskonzert 2016
Jansons dirigierte unter anderem die Wiener Philharmoniker - hier beim Neujahrskonzert 2016Bild: picture-alliance/dpa/H. Neubauer

Als Maestro international beliebt und geehrt

Kurz nach seinem Antritt in München und Amsterdam folgte die wohl erfolgreichste Zeit in Mariss Jansons Karriere: 2006 dirigierte er das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker, was sich 2012 und 2016 wiederholte. Er gewann einen Grammy für seine Interpretation der Symphonie Nr. 13 von Schostakowitsch mit dem Chor des Bayerischen Rundfunks und dirigierte bei den Salzburger Festspielen Schostakowitschs Oper "Lady Macbeth von Mzensk". 2013 erhielt er den sogenannten "Nobelpreis der Musik", den Ernst-von-Siemens-Musikpreis, und spendete das Preisgeld in Höhe von 250.000 Euro für einen neuen Konzertsaal in München.

Jansons erhielt Zeit seines Lebens zahlreiche Ehrungen, darunter den Königlich Norwegischen Verdienstorden, das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst und das Große Verdienstkreuz mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Die Wiener Philharmoniker ernannten Mariss Jansons zum Ehrenmitglied ihres Orchesters.

Bereits im November 2018 hatte Jansons Konzerte wegen einer Erkrankung absagen müssen. Im Juni 2019 sagte er auf ärztliche Empfehlung seine geplanten Konzerte mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks bis Ende August ab. Er starb am 30 November im Alter von 76 Jahren im Kreise seiner Familie in St. Petersburg, wie eine Sprecherin der Wiener Philharmoniker am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur bestätigte. Die Wiener Philharmoniker widmeten ihm daraufhin ihr Sonntagskonzert. "Mit ihm verbindet uns eine jahrzehntelange enge künstlerische Partnerschaft und eine tiefe persönliche Freundschaft", sagte der Vorstand der Wiener Philharmoniker, Daniel Froschauer.

pj/bru (munzinger / dpa)