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Politik

Trauer um Madeleine Albright

Sarah Steffen
23. März 2022

Madeleine Albright war die erste Frau an der Spitze des US-Außenministeriums. Die gebürtige Tschechin und US-Demokratin hat auch nach ihrer Amtszeit nicht mit deutlichen Worten gespart. Jetzt ist sie 84-jährig gestorben.

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Madeleine Albright
Madeleine Albright (2016)Bild: BRENDAN SMIALOWSKI/AFP

Madeleine Korbel Albright, gebürtig Marie Jana Korbelova, wurde nach der Wiederwahl Bill Clintons 1997 als erste Außenministerin der USA vereidigt. Die Politikprofessorin hatte sich vorher schon als außenpolitische Beraterin verschiedener demokratischer Präsidentschaftskandidaten verdient gemacht. Clinton hatte sie 1993 in seiner ersten Amtszeit zur amerikanischen UN-Botschafterin ernannt.

Albright, die neben Englisch und Tschechisch auch Französisch, Russisch, Serbisch und Polnisch sprach, absolvierte eine Rekordzahl von Auslandsreisen im ersten Jahr ihrer Amtszeit als US-Außenministerin. Ihre Berufung wurde in Europa überwiegend positiv aufgenommen - man erhoffte sich von ihr ein besonderes Interesse an Mittel- und Osteuropa und den Ländern der ehemaligen Sowjetunion. 

Wegbereiterin für Frauen in politischen Ämtern

"Viele konnten sich damals noch gar nicht vorstellen, dass eine Frau in der Lage sei, diesen Job zu bewältigen", sagte Albright. Ihr wird auch der Satz zugeschrieben, dass es einen Platz in der Hölle für Frauen gebe, die anderen Frauen nicht helfen. Trotz politischer Differenzen war Albright mit der späteren republikanischen Außenministerin Condoleezza Rice befreundet, die bei Albrights Vater Josef Korbel studiert hatte.

Zu Albrights außenpolitischen Schwerpunkten zählte ihr Einsatz für den Nahost-Friedensprozess, für bessere bilaterale Beziehungen zu China und Russland sowie für die NATO-Osterweiterung. Außerdem führte sie die harte Linie gegenüber Saddam Hussein im Irak sowie gegenüber Slobodan Milosevic in Serbien fort.1999 hatte Albright im Kosovo-Konflikt den NATO-Einsatz gegen Serbien auch ohne UN-Mandat forciert, um Massaker an der albanischen Minderheit zu beenden. In diese Zeit fällt auch ihr Zusammentreffen mit dem deutschen Außenminister Joschka Fischer, der ihr später zum Freund wurde.

USA die frühere Außenministerin Madeleine Albright mit Joschka Fischer (08.06.1999)
Außenpolitiker Albright und Fischer (1999): "Faszinierende politische Persönlichkeit"Bild: picture-alliance/dpa

Im US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 sprach sich Albright für Hillary Clinton aus. Die demokratische Kandidatin werde eine "herausragende" Präsidentin sein, warb Albright für die Kandidatin.

Nach Hillary Clintons Niederlage hielt sich Albright mit Kritik an Präsident Donald Trump nicht zurück. Er habe keine klare Botschaft und sei "unberechenbar", so Albright im April 2020. Nach der Wahl von Trumps Herausforderer Joe Biden zeigte sie sich sehr erleichtert. "Ich kenne Joe Biden sehr gut," sagte Albright vor seinem Amtsantritt. "Ich denke, er wird unsere Beziehungen zu anderen Nationen wiederbeleben. Er hat die Fähigkeit dazu."  

Broschen-Diplomatie

Albright war bekannt dafür, Botschaften über ihre Broschen zu kommunizieren - sie schrieb sogar eines ihrer vielen Bücher über ihre Anstecknadeln ("Read My Pins"). Sie begann damit, als sie von der irakischen Presse 1994 als "Giftschlange" bezeichnet wurde. Bei der nächsten Begegnung trug sie eine Anstecknadel mit einer goldenen Schlange.

Später entwickelte sie ein ausgefeiltes System: Schmetterlinge, Ballons oder Blumen signalisierten eine positive Stimmung, Insekten (zum Beispiel eine Wespe im Gespräch mit Palästinenserführer Jassir Arafat) waren ein schlechtes Zeichen. Albright erzählte nach ihrer Amtszeit von der Begegnung mit Russlands Präsident Wladimir Putin, der sie während eines offiziellen Treffens auf ihren Anstecker mit den drei Affen, die nichts hören, nichts sehen, nicht sagen, ansprach, wütend wurde und Albright dann Russlands Tschetschenien-Politik kritisierte.

benjamin Netanjahu, Madeleine Albright und Jassir Arafat (07.10.1998)
Vermittlerin Albright mit Israels Premier Netanjahu und Palästinenserpräsident Arafat (1998): "Kein Mauerblümchen"Bild: picture-alliance/dpa

Als Bill Clinton im Januar 2001 vom republikanischen Präsidenten George W. Bush abgelöst wurde, endete auch Albrights Amtszeit als US-Außenministerin und wurde von ihrem früheren deutschen Kollegen gewürdigt: "Madeleine Albright ist eine faszinierende politische Persönlichkeit und mir eine gute Freundin geworden", sagte Joschka Fischer zu ihrem Abschied.

Doch die so gelobte machte unmissverständlich klar, dass sie nicht daran denke, sich komplett von außenpolitischen Themen zu verabschieden. "Ich werde auch künftig kein Mauerblümchen sein", versprach Albright, die den Ausdruck von Amerika als einer "unersetzlichen Nation" geprägt hatte.

Dass sie sich auch weiterhin einmischen werde, bewies sie sofort, als sie ihren Amtsnachfolger Colin Powell aufforderte, zu Friedensgesprächen in den Nahen Osten zu reisen, anstatt sich auf Telefon-Diplomatie zu verlassen. Sie kritisierte den Irakkrieg als "die größte Katastrophe unserer Außenpolitik, schlimmer als Vietnam." Die moralische Autorität Amerikas habe unter dem Abu-Ghraib-Folterskandal gelitten. "Bushs Politik hat den Ruf Amerikas und die Demokratie schwer beschädigt", so Albright.

Überraschende Familiengeschichte

Madeleine Albright, die katholisch erzogen worden war und als kleines Mädchen Priesterin werden wollte, erfuhr erst mit Ende 50 von ihren jüdischen Wurzeln und ihrer im Holocaust getöteten Verwandtschaft. Sie schrieb ihre Familiengeschichte in dem Buch "Winter in Prag" auf: Albright wurde am 15. Mai 1937 in der tschechischen Hauptstadt geboren. Als sie Kleinkind war zog ihre Familie, der Vater Diplomat, nach London um und lebte dort während des Zweiten Weltkriegs. Grund war der Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Prag. Nach dem Krieg kehrte die Familie nach Prag zurück, floh jedoch nach der Machtübernahme durch die Kommunisten erneut - und zwar in die USA. Albright nahm 1957 die US-Staatsbürgerschaft an. Ihre Karriere begann.

US-Freiheitsmedaillenverleihung an Madeleine Albright durch Barack Obama (29.05.2012)
Ruheständlerin Albright bei Freiheitsmedaillenverleihung durch Präsident Obama (2012): "Beitrag für den Weltfrieden"Bild: Reuters

Im Ruhestand als Außenministerin unterstützte sie US-Präsident Barack Obama in seinem außenpolitischen Beraterteam, gründete die globale Beraterfirma "Albright Stonebridge Group" und lehrte an der Georgetown-Universität. 2012 überreichte Obama ihr die US-Freiheitsmedaille, die an Personen verliehen wird, die einen bedeutenden Beitrag "für die Sicherheit oder das nationale Interesse der USA, den Weltfrieden oder kulturelle oder andere bedeutsame öffentliche Belange" geleistet haben.

Jetzt ist Madeleine Albright im Alter von 84 Jahren gestorben. Sie sei im Kreis von Familie und Freunden einer Krebserkrankung erlegen, teilte ihre
Familie mit. Mit ihrem Tod haben die USA eine bedeutende Politikerin und Diplomatin verloren.