Macron bekommt grünen Denkzettel
28. Juni 2020Nach der zweiten Runde der französischen Kommunalwahlen hat Staatschef Emmanuel Macron (Artikelbild) eine "grüne Welle" in Frankreich eingeräumt. Eine Regierungssprecherin sprach von "enttäuschenden Ergebnissen" für die Präsidentenpartei "La République en Marche" (LREM).
Gleich in mehreren Großstädten erzielte die grüne Partei "Europe Écologie - Les Verts" (EELV) Überraschungssiege: Sie gewann in Lyon, Marseille, Bordeaux und Straßburg. Bisher war Grenoble die einzige große Stadt im Land mit einem grünen Bürgermeister.
Grün, grüner, Paris
In der Hauptstadt Paris sicherte sich die sozialistische Bürgermeisterin Anne Hidalgo im Bündnis mit den Grünen die Wiederwahl. Macrons Kandidatin, die frühere Gesundheitsministerin Agnès Buzyn, war dort chancenlos. Der ursprüngliche Wunschkandidat des Präsidenten war über eine Sexvideo-Affäre gestürzt.
"Wir müssen endlich auf Grün schalten", umriss Hidalgo ihr Programm für die kommenden sechs Jahre. Sie möchte Autos aus der Stadt verbannen, Parkplätze abschaffen, Fahrrad-Schnellwege und Parks ausbauen.
Die rechtspopulistische Partei "Rassemblement National" von Marine Le Pen sicherte sich unter anderem das Rathaus von Perpignan nahe der spanischen Grenze. Dort erklärte sich ihr Ex-Freund Louis Aliot zum neuen Bürgermeister. Le Pen will Macron bei der Präsidentschaftswahl 2022 herausfordern. Dafür waren die Kommunalwahlen ein Stimmungstest. Aber auch die Grünen machen sich nun Hoffnungen.
Ein "Vertrauensbeweis"
In Le Havre am Ärmelkanal setzte sich Regierungschef Edouard Philippe deutlich gegen ein Links-Bündnis um einen Kommunisten durch. Philippe, der in der Hafenstadt bereits von 2010 bis 2017 Bürgermeister war, sprach von einem "Vertrauensbeweis". Da er sich gegen eine Ämterhäufung ausgesprochen hatte, müsste Philippe eigentlich als Premier zurücktreten, um wieder auf den Chefsessel im Rathaus zurückzukehren. Als Konsequenz aus den Wahlergebnissen wird ohnehin eine Regierungsumbildung erwartet.
Überschattet wurden die Stichwahlen von einer extrem niedrigen Wahlbeteiligung von rund 40 Prozent - noch vor sechs Jahren lag sie bei gut 62 Prozent. Macron zeigte sich "besorgt".
Experten erklärten das Desinteresse vieler Bürger mit Ernüchterung über Macrons Reformpolitik, der Angst vor Ansteckung mit dem Coronavirus und der langen Zeit zwischen den beiden Wahlgängen. Der Urnengang in fast 5000 französischen Gemeinden war wegen der Corona-Pandemie verschoben worden. Viele Franzosen lasten Macron auch die rund 30.000 Corona-Toten in Frankreich und die Notlage öffentlicher Krankenhäuser an.
wa/bru (afp, dpa)