Machtwechsel in der Frauen-Bundesliga?
16. November 20201. Wachablösung - zumindest vorübergehend
Wer hätte das gedacht? Die Frauen des FC Bayern München feiern einen souveränen 4:1-Sieg gegen die amtierenden Meisterinnen des VfL Wolfsburg. Es sieht nach einer Wachablösung in der Frauen-Bundesliga aus - zumindest auf den ersten Blick. Allerdings sind noch 13 Spiele zu bestreiten. Und aus der Vergangenheit gibt es einige Beispiele, die zeigen, dass auch ein großer Punktvorsprung noch wegschmelzen kann. Dennoch: Das Ergebnis vom Sonntag sollten alle ernst nehmen.
Die Mannschaft von Bayern-Trainer Jens Scheuer macht ihren Job schon lange sehr seriös, dennoch ist der Sieg gegen den Serienmeister bemerkenswert. München beeindruckt mit Qualitäten, für die eigentlich die Wolfsburgerinnen bekannt sind: eiskalte Effektivität, Ruhe unter Druck und ein eindrucksvolles Selbstvertrauen. Die Wolfsburgerinnen waren in der ersten Hälfte besser und setzten das Tor der Münchnerinnen unter Druck. Die Tore machten aber die Bayern. Eine Qualität, die man braucht, um Meister zu werden. "Von der Einstellung, der Mentalität und unserer Chancenverwertung her haben wir mit Abstand das beste Spiel der Saison gezeigt", lobte Scheuer anschließend.
2. Was der Sieg für den FC Bayern bedeutet
Die Münchnerinnen haben haben derzeit mehr Tiefe im Kader als alle anderen Klubs in der Liga. Zwar fallen starke Spielerinnen wie Jovana Damnjanovic und Giulia Gwinn derzeit verletzt aus, doch konnte Scheuer gegen Wolfsburg mit den Nationalspielerinnen Carolin Simon, Linda Dallmann und Lea Schüller Weltklasse-Qualität von der Bank bringen - personelle Möglichkeiten, die auf dem Weg nach oben einen gewaltigen Unterschied ausmachen können.
Tabellenführer zu sein, erhöht natürlich den Druck auf die Spielerinnen - und es stellt sich die Frage, wie sie damit umgehen. Denn auch die Champions League beginnt und der Zeitplan wird immer voller und straffer. Es wird sich zeigen, ob es so bleibt, aber derzeit jedenfalls ist der FC Bayern die beste Mannschaft Deutschlands.
3. Was die Pleite für den VfL Wolfsburg bedeutet
Die Wolfsburgerinnen sind nun in der Rolle des Jägers - das waren sie schon lange nicht mehr. Die letzte Bundesliga-Pleite in vergleichbarer Höhe mussten die "Wölfinnen" vor fünf Jahren gegen Turbine Potsdam hinnehmen. Wolfsburg kann in dieser Saison nicht mehr aus eigener Kraft Meister werden. Die Bayern müssen Punkte lassen, während der VfL sich selbst keine Patzer mehr erlauben darf.
"Die Bayern haben gerade einen Lauf und werden nicht ins Wanken geraten", sagte Wolfsburgs Sportdirektor Ralf Kellermann gegenüber dem Online-Portal "Sportbuzzer", bevor er hinzufügte: "Sie wissen auch, dass wir wieder im Rennen sind, wenn sie ein Spiel unentschieden spielen."
Doch es bleibt eine schwierige Aufgabe: Schlüsselspielerin Pernille Harder hat den Klub nur wenige Tage vor Saisonbeginn verlassen, dann riss bei Neuzugang Pauline Bremer das Kreuzband. Ewa Pajor schied wegen einer Knie-Operation aus. Zu allem Überfluss erlitt Kapitänin Alexandra Popp eine Kapselverletzung am Fuß, die sie länger als zunächst angenommen außer Gefecht setzt. Wie sehr Popp und Pajor fehlen, war beim Spiel gegen die Bayern deutlich spürbar. Eine schnelle Angreiferin hätte Wunder für die Wolfsburgerinnen wirken können, denn dem VfL fehlte häufig der nötige Zug zum Tor. Zwar bemühte sich die erst 18-jährige Lena Oberdorf nach Kräften, doch fehlten dem Team Popps Mentalität und Führungsstärke.
Die Wolfsburgerinnen haben knapp unter ihrer Höchstform gespielt. Die Einwechslung von Fridolina Rolfö brachte direkt Schwung, doch arbeitet sich die Schwedin erst langsam wieder heran, nachdem sie lange mit den Folgen einer Gehirnerschütterung zu kämpfen hatte. Auch Shanice van de Sanden ist eine tolle Spielerin, doch fehlt es beim Neuzugang von Olympique Lyon noch an der Abstimmung.
"Das Ergebnis spiegelt nicht den Spielverlauf wider", sagte Wolfsburgs Trainer Stephan Lerch anschließend. "Ich denke, wir haben in der ersten Halbzeit ein anständiges Spiel gespielt und die Bayern in Schach gehalten. Aber sie waren brutal effektiv, das muss man anerkennen."
Allerdings: Wenn die verletzten Spielerinnen wieder dabei sind, werden die VfL-Frauen wieder zu mehr in der Lage sein, als nur den Bayern das erste Gegentor der Saison zu bescheren.
4. Wunderbare Agata
Man kann nicht oft genug wiederholen, dass es nicht immer die großen Namen sein müssen, die den anderen die Show stehlen. Aufsteiger Werder Bremen feierte ein 5:3 gegen den MSV Duisburg und hat sich damit weiter von den Abstiegsplätzen entfernt. Agata Tarczynska erzielte zwei Tore und bereitete ein Tor vor.
Die 32-Jährige ist seit Beginn der Saison Werders Top-Torschützin. Die polnische Nationalspielerin, die aus der zweiten Mannschaft des VfL kam, hat sofort Wirkung gezeigt. Zehn Spiele ist sie nun dabei und sie hat bereits fünf Tore erzielt. Für eine Spielerin, die seit 2005 bei über zehn Vereinen war und in der Bundesliga einfach einen weiteren Anlauf versuchen wollte, eine bemerkenswerte Bilanz.
5. Starke Tobin
In der Women's Super League in England lieferten sich Manchester City und Manchester United ein spannendes 2:2. Der Treffer von Tobin Heath zum 1:1 war ein echtes Highlight - und der Clip landete kurz darauf auf Twitter. Schon nach kurzer Zeit hatten ihn 1,3 Millionen User gesehen. Wer kann da noch behaupten, dass der Frauenfußball den Leuten egal ist?