Machtkampf in Rumänien
6. Juli 2012Rumäniens sozialliberale Regierung setzt ihren Kampf gegen den bürgerlichen Präsidenten Traian Basescu fort. Inzwischen hat sie ein Verfahren zur Amtsenthebung des Staatschefs eingeleitet. Begründung: Er habe sich widerrechtlich Regierungskompetenzen angeeignet. Ausländische Beobachter sind besorgt über die politische Entwicklung im Land. So sagte der US-Botschafter in Bukarest, Mark Gitenstein, in Rumänien seien Demokratie und Unabhängigkeit der Justiz bedroht. Ähnlich äußerte sich auch die EU-Justizkommissarin Viviane Reding.
Gunther Krichbaum (CDU), Vorsitzender des Europaausschusses des Bundestags, spricht in einem DW-Interview sogar von einer Gefährdung des Rechtsstaats. "Ein Staat ist immer selbst dazu aufgerufen, seine internen Angelegenheiten zu regeln", so Krichbaum. "Rumänien ist aber Mitglied der EU und hat sich dazu verpflichtet, die europäischen Werte zu teilen." Dazu gehörten auch Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Aber in Bukarest würden staatliche Institutionen völlig umgebaut und so entstehe der Eindruck, dass Rumänien zu einer gelenkten und defekten Demokratie werde. "Das kann Europa nicht egal sein“, warnt Krichbaum.
Ein Staatsstreich in Rumänien?
Anlass für die Kritik aus der EU ist der offene Machtkampf zwischen dem sozialliberalen Zweckbündnis und dem rechtskonservativen Lager. Zunächst hatte die neue Mitte-Links-Regierung unter Ministerpräsident Victor Ponta (PSD) die Präsidenten der beiden Parlamentskammern abgesetzt. Diese gehören der oppositionellen bürgerlichen Liberal-Demokratischen Partei (PDL) an.
Als vorläufiger Höhepunkt der Auseinandersetzung gilt das jetzige Verfahren zur Amtsenthebung von Präsident Basescu. Er verurteilte die Aktion als "Angriff gegen die Institutionen des Staates". Die Opposition sprach gar von einem "Staatsstreich" und "Putsch".
So weit möchte der deutsche Parlamentarier Gunther Krichbaum nicht gehen. Die EU-Staaten müssten die Entwicklung in Rumänien jedoch im Auge behalten, so Krichbaum, dazu würden die schlechten Erfahrungen mit Ungarn verpflichten. In Budapest hat die Regierung Viktor Orban demokratische Institutionen ausgehöhlt.
Er werde bei der EU-Kommission anregen, dass sie ein Vertragsverletzungsverfahren prüft. "Die Kommission hat eine Klaviatur an Maßnahmen bis zur Aussetzung der Stimmrechte eines Staates." Krichbaum erinnert: "Wir haben die Ereignisse in Ungarn kritisiert und zu Recht in den Fokus genommen. Aber das, was hier in Rumänien passiert, übersteigt bei weitem und sehr negativ das, war wir in Ungarn erleben mussten."
"Justiz muss unabhängig bleiben"
Hinter den undemokratischen Einschnitten könnten zwei große Affären stecken, die zurzeit die Sozialdemokratische Partei PSD belasten. Erst vor wenigen Tagen hatte Rumäniens Ex-Premier und PSD-Mitglied Adrian Nastase versucht, sich das Leben zu nehmen, nachdem ihn das Oberste Gericht wegen illegaler Parteienfinanzierung zu zwei Jahren Haft verurteilt hatte.
Gleichzeitig kämpft der jetzige Regierungschef Ponta mit Plagiatsvorwürfen. Er soll mehr als die Hälfte seiner Doktorarbeit abgeschrieben haben. Ein pikantes Detail: Als Ponta seine Dissertation verfasste, arbeitete er als Staatssekretär für die rumänische Regierung unter Adrian Nastase - letzterer war zugleich sein Doktorvater.
Ponta hat die Plagiatsvorwürfe zurückgewiesen und spricht von einem "politischen Manöver" seiner Gegner. Er macht unter anderem seinen politischen Hauptrivalen für die Vorwürfe verantwortlich: Präsident Traian Basescu. Nun, so meinen Beobachter, versuche Ponta, sich zu rächen und gleichzeitig seine Macht zu sichern. Die Gleichschaltung der Justiz sei eines der Mittel dazu.
Aus Sicht der EU ist das inakzeptabel. Sie sei "ernsthaft besorgt über die jüngsten Angriffe auf die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts in Rumänien", teilte EU-Justizkommissarin Viviane Reding in einer schriftlichen Erklärung mit. Auch die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Susanne Kastner (SPD), warnte im Gespräch mit der DW vor einem Verstoß gegen die europäischen Werte: "Eine Kontrolle der Justiz darf es nicht geben. In einem europäischen Land muss die Justiz unabhängig sein. Die Regierung tut gut daran, sich an diese Regeln zu halten, denn alles andere wäre ein Schritt in eine Richtung, die ich persönlich für nicht gut halte."
Die rumänische Verfassung erlaubt dem Parlament, den Staatschef zu suspendieren, wenn er "schwere Verstöße" gegen die Verfassung begeht. Anschließend müssen die Wähler per Referendum innerhalb von 30 Tagen über seine Absetzung entscheiden. In der Zwischenzeit übernähme der neugewählte Senatspräsident Crin Antonescu (PNL), laut Verfassung zweiter Mann im Staat, kommissarisch die Funktion des Staatspräsidenten, mit allen dazugehörigen Befugnissen. Wie etwa der Möglichkeit, jemanden zu begnadigen - zum Beispiel den früheren Regierungschef Adrian Nastase.