Lula da Silva gewinnt erste Runde der Präsidentenwahl
3. Oktober 2022Luiz Inacio Lula da Silva hat die erste Runde der Präsidentenwahl in Brasilien für sich entschieden. Der linksgerichtete Ex-Staatschef kam auf 48,4 Prozent, wie das Wahlamt nach Auszählung fast aller Stimmen mitteilte. Der rechte Amtsinhaber Jair Bolsonaro erhielt demnach 43,2 Prozent. Das Ergebnis war allerdings deutlich enger als erwartet: In den Umfragen hatte Lula da Silva zuletzt deutlich vorn gelegen. Sie hatten für Lula da Silva 50 bis 51 Prozent vorhergesagt, für Bolsonaro 36 bis 37 Prozent. Nach Einschätzung von Experten bekannten sich viele Befragten nicht zu ihren tatsächlichen Favoriten oder entschieden sich erst am Wahltag.
Da keiner der Kandidaten mehr als 50 Prozent der Stimmen holen konnte, treten Lula und Bolsonaro am 30. Oktober in einer Stichwahl gegeneinander an. Sollte Ex-Präsident Lula auch in der zweiten Runde gewinnen, wäre er der erste demokratische Präsident Brasiliens, der in eine dritte Amtszeit geht.
Lula da Silva gab seine Stimme in der Stadt Sao Bernardo do Campo im Gliedstaat Sao Paulo ab. Bolsonaro wählte in Rio de Janeiro. Am Sonntag waren in Brasilien 156 Millionen Menschen aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Auch die 27 Gouverneure, die Kongressabgeordneten und die Landesparlamente werden neu gewählt. In Brasilien herrscht Wahlpflicht.
Der ehemalige Gewerkschaftsführer Lula da Silva regierte Brasilien bereits von 2003 bis 2010. Nachdem er von April 2018 bis November 2019 wegen Korruption im Gefängnis saß, erhielt er im März 2021 seine politischen Rechte zurück. Die Prozesse und Urteile wurden wegen Verfahrensfehlern annulliert.
Im Vorfeld der Wahlen hatte es Befürchtungen über mögliche Gewaltausbrüche gegeben. So wurden in den vergangenen Monaten mindestens drei Anhänger von Lulas Arbeiterpartei PT (Partido dos Trabalhadores) von Bolsonaro-Anhängern getötet.
Zudem schürte Bolsonaro Gerüchte, dass die elektronischen Urnen manipuliert würden. Alles andere als sein Erdrutschsieg heute sei unter normalen Bedingungen unmöglich, so der Präsident. Er werde den Wahlausgang nur "bei sauberen Wahlen akzeptieren", sagte Bolsonaro am Sonntagmorgen vor einem Wahllokal. Zu seinen Wahlkampfauftritten seien so viele Menschen gekommen, dass sein Sieg zwangsläufig sei.
Ehrgeizige Vorhaben
Lula da Silva genießt vor allem im armen Nordosten des Landes Unterstützung und unter den Menschen mit einem geringen und mittleren Einkommen. Er will das Sozialsystem "Bolsa Família" für arme Familien ausbauen, den Rechtsstaat stärken und verspricht höhere Steuern für Gutverdiener. Den illegalen Bergbau im Amazonas-Gebiet will der 76-Jährige ebenso entschieden bekämpfen wie die Abholzung des Regenwaldes und die Angriffe auf die Schutzgebiete der Urbevölkerung.
Der Ex-Militär Bolsonaro hatte vor vier Jahren mit der Ankündigung gewonnen, Brasilien von Korruption zu befreien, die Arbeitslosigkeit zu senken und die Wirtschaft anzukurbeln. Von seinen Versprechen ist jedoch wenig geblieben. Bolsonaro führt die Corona-Pandemie und Dürre in Brasilien als Gründe für die ökonomische Stagnation an. Brasilien war mit rund 700.000 Corona-Toten eines der Länder, das am stärksten von der Pandemie betroffen war.
Die Präsidentenwahl in Brasilien hat auch für den Rest der Welt eine große Bedeutung. Als riesiger Kohlenstoffspeicher spielt das Amazonasgebiet im Kampf gegen den weltweiten Klimawandel eine wichtige Rolle. Gerade angesichts der angespannten Lage auf dem Energie- und Lebensmittelmarkt wegen des Ukraine-Kriegs ist das Land mit seinen enormen natürlichen Ressourcen und seiner großen Agrarwirtschaft auch ein interessanter Handelspartner.
kle/wa (epd, dpa, kna, rtr, afp)