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Politik

London sieht Moskau in Ukraine-Krise am Zug

30. Januar 2022

In der sich zuspitzenden Krise um die Ukraine appelliert NATO-Mitglied Großbritannien an die russische Führung. Moskau müsse auf Deeskalation setzen, heißt es aus London unmissverständlich.

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Liz Truss, Außenministerin von Großbritannien
Die britische Außenministerin Truss findet deutliche Worte gegenüber MoskauBild: Bianca de Marchi/AAP/picture alliance/dpa

"Es gibt einen Ausweg aus dieser Situation", betont die britische Außenministerin Liz Truss in einem Gastbeitrag für die Zeitung "Sunday Telegraph". Langjährige Verpflichtungen müssten eingehalten und Grenzen respektiert werden. "Das kann nur damit beginnen, dass Russland deeskaliert, seine aggressive Kampagne beendet und sinnvolle Gespräche führt. Der Ball liegt in Russlands Feld" so Truss, die bald zu Gesprächen nach Kiew und Moskau reisen will.

Auch die Demokratie ist in Gefahr

Die britische Ministerin griff die politische Führung in Moskau auch in Hinblick auf deren Innenpolitik scharf an. "Wir streiten nicht mit dem russischen Volk, aber mit der Politik seiner Führer. Sie unterdrücken Freiheit und Demokratie", schrieb Truss und verwies in diesem Zusammenhang auf das Verbot der Menschenrechtsorganisation Memorial.

Leben an der Frontlinie im Donbass

Auch aus dem britischen Verteidigungsministerium kamen scharfe Vorwürfe gegen den Kreml. "Russlands Verbreitung von Desinformationen spaltet und greift in demokratische Prozesse ein", schrieb Staatssekretär James Heappey im "Sunday Telegraph". Er machte Russland unter anderem für Cyberattacken in Estland und Polen, einen Putschversuch in Montenegro sowie Auftragsmorde in Bulgarien verantwortlich.

Fördert, was er fürchtet

Heappey betonte, die NATO-Verbündeten fühlten sich verständlicherweise von der russischen Aggression bedroht. "Deshalb werden wir eher ihre östlichen Grenzen verstärken als uns, wie von Putin gefordert, zurückziehen. Er wird genau das gefördert haben, was er angeblich fürchtet."

Der britische Premierminister Boris Johnson erwägt als Reaktion auf das russische Vorgehen, die Zahl britischer Soldaten in der Region zu verdoppeln und Estland Waffen zur Verteidigung zu liefern. Derzeit sind nach offiziellen Angaben mehr als 900 britische Soldaten in Estland stationiert, mehr als 100 in der Ukraine und 150 in Polen.

Ex-Außenminister Gabriel für Debatte ohne Tabus

In die Diskussion um den Ukraine-Konflikt hat sich inzwischen auch der ehemalige Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) eingeschaltet. Er fordert eine offene Diskussion über deutsche Waffenexporte an die Ukraine. "Die Wahrheit ist, man kann sich bei Rüstungslieferungen immer schuldig machen - durch Handeln und durch Nichthandeln. Was wir bei der Ukraine jetzt brauchen, ist eine Diskussion ohne Tabus und Denkverbote in der Öffentlichkeit und im Bundestag", sagte Gabriel der "Bild am Sonntag".

Deutschland Sigmar Gabriel
Der frühere Bundesaußenminister Sigmar Gabriel, hier bei einer Diskussion in Antalya 2021Bild: Muhammed Enes Yildirim/AA/picture alliance

Die Bundesregierung sieht sich seit Wochen Forderungen nach einer stärkeren Unterstützung der Ukraine im Konflikt mit Russland gegenüber, hält aber an dem Prinzip fest, keine Waffen in Konfliktgebiete zu liefern. Gabriel verwies darauf, dass die Bundesregierung vor einigen Jahren schon einmal von diesem Grundsatz abgerückt sei, als sie kurdischer Einheiten im Nordirak im Kampf gegen die Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" mit Waffen unterstützte.

Vom Handeln Europas und Deutschlands im Ukraine-Konflikt zeigte sich Gabriel tief enttäuscht: "Derzeit überlassen wir die Preisschilder für Krieg in Europa den Amerikanern. Ich finde das beschämend", sagte der deutsche Ex-Außenminister.

Ukraine: Stiehlt sich Deutschland aus der Verantwortung?

Er fügte hinzu: "Wir sind uneinig in der Beurteilung der Situation in der Ukraine, haben Angst um unsere Wirtschaftsinteressen und sind froh, dass andere für uns die heißen Kartoffeln aus dem Feuer holen", sagte Gabriel über die Rolle Europas in dem Konflikt. "Wir Europäer müssen lernen, unsere Interessen selbst in die Hand zu nehmen."

haz/ehl (dpa, rtr, afp)