Lokführer sorgen für Chaos und Kopfschütteln
10. März 2011Die deutschen Lokführer kämpfen für einheitliche Löhne. Sechs Stunden lang haben sie deshalb keinen Finger gerührt, bundesweit den Personen- und Güterverkehr bestreikt. Leidtragende waren vor allem die Fahrgäste. Zwischen vier und zehn Uhr morgens fielen am Donnerstag (10.03.2011) zahlreiche S-Bahnen und Pendlerzüge aus, auch jeder dritte Fernzug hatte nach Angaben der Deutschen Bahn Verspätung. Millionen Menschen warteten auf den Bahnsteigen.
Selbst nach Ende der Arbeitsniederlegungen mussten Reisende mit Behinderungen bis in den Abend rechnen. Hart getroffen hat es auch den Güterverkehr, der schon am Mittwochabend lahmgelegt wurde. Hunderte Züge blieben auf den Gleisen stehen.
"Unverhältnismäßig" und "erpresserisch"
Wirtschaftsverbände übten harsche Kritik an der verantwortlichen Lokführergewerkschaft GDL. Der Arbeitgeberverband BDA nannte die GDL "erpresserisch". Die Streikfolgen seien "nicht zu verantworten und unverhältnismäßig", sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Werner Schnappauf. Die Lokführer schadeten der gesamten Volkswirtschaft. An jedem Streiktag entstünden "Schäden in mindestens zweistelliger Millionenhöhe", so Schnappauf.
Bislang wurden jedoch keine massiven Auswirkungen auf die Wirtschaft bekannt. Die Versorgung von Kraftwerken, Hochöfen und anderen zentralen Industrien werde gewährleistet, erklärte die Deutsche Bahn. Im VW-Werk Wolfsburg lief die Produktion "reibungslos durch", sagte ein Sprecher. Auch beim Energiekonzern Vattenfall seien alle Kraftwerke sicher mit Kohle versorgt. In der Regel kann die Industrie auf Reserven zurückgreifen oder Gütertransporte auf die Straße verlegen.
Keine Geduld mehr
Auch in der Regierungskoalition stößt die GDL auf Kritik. "Langsam entgleist mir das Verständnis für die Gewerkschaft der Lokführer, die für ihre Partikularinteressen die Bahnkunden in Geiselhaft nimmt. Der Ärger für die Verbraucher und der wirtschaftliche Schaden stehen in keinem Verhältnis zu den Forderungen", sagte die Verbraucherschutzbeauftragte der Unions-Bundestagsfraktion, Mechthild Heil (CDU).
Die Geduld der Kunden nehme "ganz stark ab", mahnte auch der Fahrgastverband Pro Bahn. Der Verbandsvorsitzende Karl-Peter Naumann könnte sich die ehemalige EKD-Vorsitzende Margot Käßmann als Vermittlerin vorstellen.
Geht der Arbeitskampf weiter?
Eine Vermittlung könnte notwendig werden, denn die Zeichen stehen weiter auf Konfrontation. Ein Ende des Tarifkonflikts ist nicht in Sicht. Der Streik sei "gänzlich widersinnig", sagte Deutsche Bahn-Personenverkehrsvorstand Ulrich Homburg. "Die DB bietet den Lokführern die besten Bedingungen in der Branche und unterstützt die Kernforderungen der GDL – und wird dafür bestreikt", erklärte Homburg. Die Bahn forderte die Gewerkschaft auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.
Die GDL will den Streik nicht unmittelbar fortsetzen, ließ aber offen, wann es das das nächste Mal zu Arbeitsniederlegungen kommen könnte. "Die GDL will eine Pause machen, damit sich die Arbeitgeber besinnen können", sagte GDL-Vorsitzender Claus Weselsky. Die privaten Wettbewerber der Deutschen Bahn hätten bislang kein Angbeot gemacht. Zugleich drohte er mit einer Verschärfung der Streiktaktik. "Wer uns kennt, der weiß, dass wir sehr weit gehen können. Aber das wollen wir eigentlich nicht, den wir wollen Verhandlungen", so Weselsky.
Mit dem Streik will die GDL einheitliche Tarifbedingungen für etwa 20.000 Lokführer der Deutschen Bahn (DB) und weitere rund 6.000 bei der DB-Konkurrenz durchsetzen. Kernforderung sind einheitliche Einkommen auf dem Niveau des Marktführers DB sowie fünf Prozent Aufschlag auch bei den großen Konkurrenten Abellio, Arriva, Benex, Keolis, Veolia und Hessische Landesbahn. In einer Urabstimmung hatten sich mehr als 90 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder am Wochenanfang für einen unbefristeten Streik ausgesprochen.
80 Prozent der Züge lahmgelegt
800 Lokführer haben sich am Arbeitskampf beteiligt. In ganz Deutschland sind am Donnerstag mehr als 80 Prozent der Züge im Personen- und Güterverkehr ausgefallen oder haben sich verspätet, so die Bilanz der GDL. Stark betroffen waren die S-Bahnen in Berlin, Hannover, München, Frankfurt am Main, Nürnberg, Stuttgart und die S-Bahn Rhein-Neckar, teilte die Deutsche Bahn mit.
Der Güterverkehr lag insgesamt 14 Stunden lahm, weil die Streiks hier schon am Mittwochabend begonnen hatten. Nach Angaben der Bahn blieben rund 300 Güterzüge auf den Gleisen stehen, vor allem in Halle/Saale, im Südwesten und im Großraum Hamburg. Die GDL spricht sogar von 600 ausgefallenen oder verspäteten Güterzügen. Die Bahn will den entstandenen Stau auf den Gleisen bis zum Wochenende auflösen.
Autorin: Julia Hahn (dpa, rtr, dapd)
Redaktion: Marko Langer