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Locarnos Gewinner

12. August 2002

Bei der Filmpreis-Verleihung in Locarno gab es für die deutsche Filmszene eine nette Überraschung.

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"Das Verlangen" gehörte nicht zu den FavoritenBild: Locarno Film Festival

Der 55. Jahrgang der Filmfestspiele in Locarno war ein besonderer. Der alljährliche Treffpunkt der Cineasten im sommerlichen Locarno am Lago maggiore ist in die A-Liga aufgestiegen. Neben Venedig, Berlin und Cannes zählt jetzt auch Locarno zu den so genannten A-Festivals, also zu den weltweit wichtigsten Filmfestivals. Zu den beliebtesten gehört das Festival schon lange.

Der Piazza Grande
Der Piazza Grande von LocarnoBild: R. Buzzini

Das liegt einerseits an dem Ambiente in der idyllischen Stadt in der Schweiz: In Locarno trifft man sich abends auf der Piazza Grande, um unter freiem Himmel Kino zu erleben. Das ist anders als beispielsweise in Berlin, wo die Filmfreunde im tristen Wintergrau von Kino zu Kino hecheln. Andererseits sind in Locarno auch immer wieder so genannte anspruchsvolle Produktionen zu sehen.

Das Programm 2002 war mit 400 Filmen so umfangreich wie nie zuvor. Die Liga-Aufwertung soll keinen Einfluss auf die Konzeption und die Ambitionen des Festivals haben, auf dem bisher nicht der Mainstream die Oberhand hatte. Mit einem prominenten Hauptprogramm, drei Retrospektiven und vielen Nebenveranstaltungen haben Festivalpräsident Marco Solari und -direktorin Irene Bignardi ihre zweite Saison an der Spitze des Schweizer Festivals gespickt. Die Retrospektiven waren dem indischen Kino, erstmals ausgestrahlten afghanischen Filmen, die vor den Taliban versteckt worden waren, und dem kanadischen Filmschaffenden Allan Dwan gewidmet.

Die Preisträger

Der deutsche Beitrag "Das Verlangen" von Iain Dilthey erhielt den Goldenen Leoparden. Je einen silbernen Preis erhielten "Tan de repente" aus Argentinien sowie der ungarische Film "Szep Napok". Der Spezialpreis der Jury ging an "Man, Taraneh, panzdah sal daram" aus Iran.

Im Siegerfilm "Das Verlangen" geht es um die verschlossene Lena, die in einem kleinen Dorf im schwäbisch-fränkischen Wald mit ihrem tyrannischen Ehemann, dem Dorfpfarrer, lebt. Nachdem in dem Ort ein junges Mädchen ermordet wurde, wird der monotone Alltag von Lena erschüttert. Sie lernt den Mechaniker Paul kennen und empfindet eine tiefe Zuneigung für ihn. Lena hüllt sich erneut in Schweigen, um Paul zu schützen. "Das Verlangen" ist der Abschluss von Diltheys Sehnsuchtstrilogie, die er mit den Filmen "Sommer auf Horlachen" und "Ich werde dich auf Händen tragen" begonnen hatte. Und es ist seine Abschlussarbeit als Student der Filmakademie Baden-Württemberg. Insgesamt waren in diesem Jahr neun deutsche Produktionen in Locarno zu sehen.

In dem mit dem Silbernen Leopard ausgezeichneten Beitrag "Tan de repente" ("So plötzlich") des Argentiniers Diego Lermann trifft das Landmädchen Marie auf zwei Lesben aus der Punk-Szene. Auf einer humorvoll geschilderten gemeinsamen Reise fallen die Masken und die Frauen lernen, sich selbst und die Werte anderer anzuerkennen. Der zweite Silberner Leopard ging an "Szep Napok" ("Angenehme Tage") des Ungarn Kornel Munduczo. Dieser Film erzählt die Geschichte eines jungen Mannes in der ungarischen Provinz, der in ein Beziehungsnetz verstrickt wird, aus dem er scheinbar nur mit Gewalt ausbrechen kann.

Der mit dem Spezialpreis der Jury ausgezeichnete Film "Man, Taraneh, panzdah sal daram" ("Ich bin Taraneh") des iranischen Regisseurs Rasul Sard Ameli schildert das Schicksal einer 15-jährigen Schwangeren. Nach der Hochzeit mit einem jungen Mann, der sich als egoistisch und gleichgültig entpuppt, verlässt sie ihn und erkämpft sich das Recht, ihr Kind allein zu erziehen. Die Hauptdarstellerin des Films, Taraneh Alidrusti, erhielt zugleich den Silbernen Löwen als beste Darstellerin.

Der Preis für den besten Darsteller ging an Giorgos Karayannis für seine Rolle in dem griechischen Film "Hard Goodbye my Father". Er spielt im Jahre 1969: Der erste Mensch landet auf dem Mond, und der junge Hauptdarsteller verliert seinen Vater. Unfähig, den Schmerz zu überwinden, versucht er, weiter zu leben, als ob nichts geschehen wäre.

Mit dem Ehrenleoparden von Locarno ist der US-Regisseur, Schauspieler und Produzent Sydney Pollack für sein Lebenswerk ausgezeichnet worden. Der undotierte Preis wurde Pollack bereits am Samstag (10. August 2002) überreicht. (kas)