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Live 8 als gut gemeinte Geste

4. Juli 2005

Das weltgrößte Musikspektaktel ist Geschichte. In der internationalen Presse findet "Live 8" ein überwiegend positives Echo. Doch es gibt Zweifel, ob ein solches Event ein probates Mittel zur Armutsbekämpfung ist.

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"El País", Spanien: Politische Sensibilisierung

"Rockkonzerte können die Probleme der Welt nicht lösen. Wenn es aber um so gerechte Sachen wie den Kampf gegen die Armut in Afrika geht, können sie dazu beitragen, die wichtigsten politischen Führer der Welt zu sensibilisieren. Insofern war das gigantische Spektakel 'Live 8', von Bob Geldof im Vorfeld des G8-Gipfels organisiert, eine hervorragende Initiative des irischen Musikers und der 150 berühmten Künstler, die mitgemacht haben."

"Financial Times Deutschland": Das gut Gemeinte hilft nicht immer

"Niemand wird bezweifeln, dass Künstler wie Bono oder Bob Geldof ein hehres Ziel verfolgen, wenn sie auf das Elend in Afrika aufmerksam machen und die Industrienationen zur Hilfe auffordern. Problematisch aber ist, dass vom spektakulären Live-8-Konzert die Botschaft ausgeht, es reiche aus, mehr Geld in den Süden zu überweisen (...) Das gut Gemeinte hilft nicht in jedem Fall. Wer den Etat korrupter Regenten saniert, erreicht im besten Fall wenig, im schlechtesten Fall verlängert er das Leben totalitärer Regime, deren Ausbeutungspraktiken das größte Hindernis für die wirtschaftliche Entwicklung sind (...) Ebenso wichtig, wie Geld zu geben, ist es, zu gewährleisten, dass Mittel nur in jene Projekte fließen, die tatsächlich die Wirtschaft in Gang setzen und Armut bekämpfen. Moral entbindet nicht von der Verantwortung für die Folgen der eigenen Entscheidung."

Live 8 Hyde Park London Musiker Youssou N'Dour aus Senegal and Dido
Youssou N'Dour singt mit Dido in LondonBild: dpa

"Telegraaf", Niederlande: Afrikanische Politiker sind gefordert

"Das Problem ist, das eigentlich niemand weiß, wie Afrika anzupacken ist. Das Aufdrehen des Geldhahns ist, außer in Fällen akuter Not, keine Lösung. (...) Sinnvoller sind Investitionen in Landwirtschaft, Infrastruktur und Gesundheitswesen sowie der Abbau falscher Handelsbarrieren. Aber die afrikanischen Führer müssten auch selbst das Erforderliche tun. Sie müssten die Korruption beenden, genauso wie die Geld verschlingenden Kriege, die den Kontinent heimsuchen. Ohne ihren Einsatz bleibt Afrika abgeschrieben."

"Tages-Anzeiger", Schweiz: Einfache Geste

"(Der Musiker Bob) Geldof weiß, dass Pop nicht das Feld der differenzierten Diskurse sein kann. Die Geste von Live-8 ist einfach: Hallo, es gibt einen Kontinent, der täglich vor die Hunde geht. Wir wissen selbst nicht so genau, wie wir das verhindern können, aber wir müssen es verhindern. Viel mehr sagt Live-8 nicht, aber Live-8 sagt es so laut wie niemand je in der Geschichte. Und noch nie wurde es so uneitel gesagt. Geldofs Maulkorb, die Künstler möchten von Anti-Bush-Parolen absehen, war richtig. Weil es hier nicht um Anbiederung geht. Wer Geldof in London zugeschaut hat, kann ihn nicht ernsthaft als Gecken psychologisieren."

"Information", Dänemark: Einfluss auf Politik unklar

"Bob Geldof hatte alle Beteiligten bei Live 8 sorgfältig eingeschärft, US-Präsident George Bush nicht zu beleidigen, weil das der Sache schaden würde. (...) In allen Bands spielte Tony Blair mit, der im Hintergrund die Trommel schlug. Wohlmeinende finden, dass der britische Premierminister seine ursprüngliche idealistische Dynamik wiedergefunden hat. Böse Zungen meinen, dass er mitspielt, weil er nach dem Irak-Krieg Bedarf an positiver Profilierung hat. Aber wie der Dalai Lama einmal gesagt hat, ist es besser, aus falschen Motiven als gar nicht zu geben. (...) Niemand kann mit Sicherheit sagen, welche Spuren die Live-8-Konzerte in einzelnen Seelen hinterlassen, und ob sie die G8-Politiker beeinflussen werden, wenn es um mehr Realpolitik als die ohnehin versprochene geht."

Live 8 Barrie, Ontario Neil Young und andere
Neil Young beim Live 8-Konzert in KanadaBild: AP

"The Times", Großbritannien: Idealismus ist gut, Simplifizierung nicht

"Idealismus über Afrika ist begrüßenswert, übertriebene Simplifizierung ist es nicht. (...) Wenn die G8-Politiker dem Verlangen nach mehr Entwicklungshilfe und großem Schuldenerlass zustimmen, werden sie wichtige Forderungen jener zufriedenstellen, die danach streben, dass Armut der Vergangenheit angehört. Aber kein Kontinent hat in den letzten drei Jahrzehnten mehr Hilfe erhalten als Afrika, und es gibt herzlich wenig dafür herzuzeigen. Ohne fundamentale Änderung des ökonomischen Umfelds, in dem die Menschen in Afrika tätig sind, und der politischen Kultur, in der sie leben, wird jeder Idealismus über Afrika heute zu Enttäuschungen morgen führen. (...) Die Teilnehmer am G8-Gipfel sollten berücksichtigen, dass es in den Industrieländern eine wichtige Gruppe gibt, die in unklarer aber ernsthafter Weise Verbesserungen für die Menschen in Afrika wünscht. Aber sie sollten sich nicht von ihrem ursprünglichen Instinkt abbringen lassen, dass dieses edle Ziel am besten über freien Handel, freie Märkte und freie Gesellschaften erreicht wird." (mik)