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Sind Sahels Rohstoffe für den Westen verloren?

Antonio Cascais
13. Februar 2025

Drei westafrikanische Länder unter Militärführung - Mali, Niger und Burkina Faso - fahren einen radikal anti-westlichen Kurs. Die Folgen für Europas Rohstoffversorgung sind gravierend. Was steckt dahinter?

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Mali, NIger, Burkina Faso | Unterstützung der Allianz der Sahel-Staaten (AES)
Mali, Niger und Burkina Faso traten aus der ECOWAS aus, die sie als "verlängerten Arm der Interessen des Westens" betrachten, und gründeten eine eigene "Allianz der Sahelstaaten", AESBild: GOUSNO/AFP via Getty Images

Wenn es um Rohstoffe für die Energiewende geht, ist Mali künftig gut aufgestellt: Kurz nachdem im vergangenen Dezember eine Lithiummine die Produktion startete, meldet diese Woche eine weitere Mine den Beginn der Lithiumförderung.

Es ist eine weitere Ergänzung zur Liste der Bodenschätze, von denen es in den Sahelstaaten Mali, Niger und Burkina Faso viele gibt: So verfügt Niger über bedeutende Vorkommen an Uran, Zinn, Erdöl und Phosphat, in Burkina Faso finden sich Kupfer, Zink und Mangan. In Mali liegen mehrere bisher unerschlossene Erdölfelder. Alle drei Länder verfügen über geradezu legendäre Goldvorkommen.

China Assimi Goïta in Peking
"Partnerschaft auf Augenhöhe"? Malis Militärmachthaber Assimi Goïta nahm im September 2024 am China-Afrika-Gipfel in Peking teil und wurde vom chinesischen Präsidenten Xi Jinping und seiner Frau empfangen.Bild: Ding Lin/Xinhua/IMAGO

Und nun also Lithium: Millionen Tonnen dieses für die Batterieproduktion wichtigen Rohstoffs lagern auf malischem Gebiet und warten darauf, abgebaut zu werden. Ein weiterer Rohstoff, den Europa für seine Industrie und Energieversorgung dringend bräuchte.

Anti-französisch, anti-europäisch, anti-westlich

Ausgerechnet diese drei Länder fahren zuletzt einen anti-westlichen Kurs, besonders gegen die ehemalige Kolonialmacht Frankreich. Nach Putschen zwischen 2020 und 2023 stehen alle drei unter Militärregierungen. Im Bemühen, sich von den alten Partnern zu emanzipieren und Sanktionen zu umgehen, traten sie auch aus der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS aus - und gründeten eine eigene "Allianz der Sahelstaaten", AES.

"Es gibt in diesen Ländern schon seit Langem einen starken Wunsch nach Diversifikation in den internationalen Beziehungen", kommentiert das Seidik Abba, Leiter des Sahel-Thinktanks CIRES mit Sitz in Paris. Auch nach dem Ende der Kolonialzeit seien die Wirtschaftsbeziehungen mit dem Westen nie auf Augenhöhe gewesen, sagt Abba im DW-Gespräch. "Die Bedingungen wurden einseitig von den westlichen Ländern festgelegt. Sie legten zum Beispiel die Preise für die Rohstoffe fest, die sie von den afrikanischen Ländern kauften. Und das wurde und wird in Afrika als ungerecht empfunden."   

Plakat in Ouagadougou zeigt Handschlag zwischen Burkina Fasos Junta-Chef Ibrahim Traoré und Russlands Präsident Wladimir Putin, Überschrift "Soutien à la Transition"
Um "Unterstützung für den Wandel" wirbt dieses Transparent in Burkina Fasos Hauptstadt Ouagadougou - mit einer zur Schau gestellten Freundschaftsgeste von Junta-Chef Ibrahim Traoré mit dem russischen Machthaber Wladimir Putin.Bild: Christina Peters/dpa/picture alliance

Jetzt seien neue Zeiten angebrochen, attestiert der Forscher, der aus dem Niger stammt. Die afrikanischen Länder hätten andere Käufer für ihre Rohstoffe gefunden: Dazu gehörten etwa China, die Türkei oder auch Russland. "Die Afrikaner sind selbstbewusster geworden und verlangen Beziehungen zum Wohle beider Seiten."

Der Sahel-Programmleiter der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung mit Sitz in Malis Hauptstadt Bamako, Ulf Laessing, sagt im DW-Gespräch, der Westen müsse sich darauf einstellen, dass dieser anti-westliche Kurs auf absehbare Zeit beibehalten werde: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Mali, Niger oder Burkina Faso bald zur ECOWAS zurückkehren. Die neue Allianz AES wird von den Militärmachthabern als Teil ihrer Souveränität und Legitimität verstanden."

Juntaführer von Mali, Niger und Burkina Faso
Malis Assimi Goita (links), Nigers Abdourahamane Tiani (mitte) und Burkina Fasos Ibrahim Traoré während des ersten ordentlichen Gipfeltreffens der "Allianz der Sahel-Staaten" (AES) am 6. Juli 2024 in Niamey, Niger.Bild: Mahamadou Hamidou/REUTERS

Lithium aus Mali: China macht das Rennen

In China werden die neuen Töne sehr wohl vernommen und chinesische Staatsunternehmen ergreifen alle Chancen, die sich bieten, zum Beispiel in Bezug auf die Ausbeutung des begehrten Rohstoffs Lithium.

Im Dezember eröffnete das chinesische Staatsunternehmen Ganfeng im Süden Malis die Lithium-Mine Goulamina. Dort sollen in den nächsten 23 Jahren jährlich 500.000 Tonnen Spodumenkonzentrat, eine Hauptquelle für Lithium, produziert werden.

Der malischen Regierung räumt das Unternehmen 30 Prozent, lokalen malischen Investoren weitere fünf Prozent der Anteile an der Mine ein. 65 Prozent der Anteile verbleiben damit bei dem Unternehmen Ganfeng Lithium, das sich nach eigener Aussage strikt an das von der malischen Regierung im Jahr 2023 eingeführte neue Bergbaugesetz halten will, das eine stärkere nationale Beteiligung an strategischen Bergbauprojekten vorsieht.

Das malische Bergbaugesetz der Militärmachthaber sieht vor, dass malische Unternehmen zu mindestens 51 Prozent von Zulieferverträgen profitieren sollen, während ein Teil der Einnahmen aus dem Minenbetrieb für die Finanzierung lokaler Infrastrukturprojekte verwendet werden soll.

Die jährlichen Einnahmen der Goulamina-Mine werden auf über 150 Millionen Euro geschätzt. Kein Wunder also, dass Junta-Chef Assimi Goïta bei der Eröffnung der Mine von einer "strategischen und aufrichtigen Partnerschaft" sprach.

Afrika: Immer wichtiger für die Lithiumproduktion

Die Chinesen haben das Potential Afrikas für die Lithiumproduktion frühzeitig erkannt: Bereits 2023 sagte Wang Xiaoshen, Präsident von Ganfeng, gegenüber der in London ansässigen Agentur "Benchmark Source": "Wir glauben, dass Afrika die nächste gute Gelegenheit für Lithiumgeschäfte bieten wird." 

Die Goulamina-Lithiummine in Mali gilt nach einem Ranking des Portals "Battery Minerals Africa"als das sechstgrößte Lithiumprojekt in Afrika. Die beiden größten Lithium-Projekte auf dem Kontinent befinden sich demnach in Simbabwe, das dritt- und das viertgrößte Lithiumprojekt sind in der Demokratischen Republik Kongo angesiedelt, während sich das fünftgrößte Projekt in Südafrika befindet.

Simbabwe | Lithium Abbau in Buhera
Lithium-Abbau in Buhera, Simbabwe: Noch liegen die größten Lithiumminen Afrikas in Simbabwe, aber Mali möchte bald, mit chinesischer Hilfe, zum großen Player in der Lithiumproduktion auf dem afrikanischen Kontinent aufsteigen. Bild: Shaun Jusa/Xinhua/picture alliance

Lithium, Uran, Gold – Der Westen schaut in die Röhre

Schritt für Schritt werden seit Jahren überall in Afrika chinesische oder russische Minen-Projekte angeschoben. Der Trend scheint klar: Westliche Unternehmen werden aus dem Geschäft gedrängt, Player aus anderen Weltregionen eingeladen und hofiert.

Im Niger entzogen die Militärmachthaber im Juni 2024 dem französischen Staatskonzern Orano die Bergbaulizenz für die sogenannte Imouraren-Mine, eine der größten Uranminen der Welt. Es steht im Raum, dass Niger den Franzosen jederzeit auch die Lizenz für die Somaïr-Uranmine, nördlich von Agadez, entziehen könnte. Diese Mine von Orano lieferte zuletzt circa 10 Prozent des französischen und fast 25 Prozent des westeuropäischen Uranbedarfs.

Die Uranlieferungen aus dem Niger seien seit dem Militärcoup sehr eingeschränkt worden, sagt Ulf Laessing von der Adenauer-Stiftung: "Die Grenzen zu Benin sind aktuell geschlossen, also kann derzeit kein Uran exportiert werden. Der Hafen in Cotonou, in Benin, ist der einzige, der dafür die Lizenz hat, aber seit dem Austritt Nigers aus der ECOWAS ist der Hafen für nigrische Produkte geschlossen."

In Burkina Faso ein ähnliches Bild: Präsident Ibrahim Traoré verkündete vor Kurzem, dass die Ressourcen seines Landes nicht mehr so einfach von ausländischen - sprich: westlichen - Konsortien ausgebeutet werden sollten. Er drohte mit einem generellen Entzug der Lizenzen für westliche Bergbauunternehmen. Die Minen Boungou und Wahgnion, die der britischen Endeavour Mining plc betrieben wurden, wurden im August 2024 von der Traoré-Regierung kurzerhand verstaatlicht. Er wolle die Minenwirtschaft in die eigene, burkinische Hand nehmen, hieß es.

Ist der Zug für den Westen endgültig abgefahren?

"Wir werden nie wieder zu Beziehungen zurückkehren, wo eine der beiden Seiten dominiert", sagt Seidik Abba vom Pariser Sahel-Thinktank CIRES. Aber für den Westen sei der Zug noch nicht endgültig abgefahren, denn der Westen habe ja durchaus immer noch gewisse Vorteile in den Ländern des Sahel, die es sich für künftige Geschäfte zunutze machen könne, zum Beispiel die sprachlich-kulturellen und geschichtlich gewachsenen Verbindungen, fügt Abba hinzu.

Niger Sitz der französischen Firma Somair in Niamey
Sitz der französischen Firma Somair in Niamey, Niger: Der französische Staatskonzern Orano baut in Niger Uran ab, das die Atomkraftwerke Frankreichs und Westeuropas versorgt.Bild: Joerg Boethling/IMAGO

Ulf Laessing, Sahel-Programmleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung, sieht das ähnlich: Derzeit gebe es wieder leichte Annäherungen, vor allem zwischen Mali und der Europäischen Union. Die EU habe gerade ihre Polizei-Trainingsmission EUCAP Sahel für weitere zwei Jahre verlängert. Es gebe auch wieder vereinzelt Besuche aus der EU. "Ich glaube, dass Mali und die anderen Sahel-Länder realisiert haben, dass sie nicht ganz auf die Zusammenarbeit mit Europa verzichten können." Die EU sollte weiterhin mit den drei AES-Ländern in Kontakt bleiben. Das sei strategisch sehr wichtig für beide Seiten, so Laessing.

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