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PolitikBulgarien

Alex und Andrej: ein LGBTQ-Paar sucht Schutz in Bulgarien

Margarita Nikolova (aus Sofia)
16. Oktober 2024

Bulgarien hat dem Künstler Andrej aus Belarus Schutz verweigert. Ihm droht die Abschiebung und die erzwungene Trennung von seinem russischen Ehemann Alex. Andrej will aber seinen Traum vom freien Leben nicht aufgeben.

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Zwei queere Männer machen eng umschlungen ein Selfie und schauen dabei in die Kamera. Im Hintergrund sind Menschen mit Regenbogenfarben zu sehen
Die Eheleute Alex (l.) und Andrej auf der Sofia Pride Parade 2024Bild: privat

Der 30-jährige Künstler Andrej stammt aus der belarussischen Hauptstadt Minsk. Seinen Nachnamen will er nicht preisgeben, weil er Nachteile für seine Verwandten in Belarus befürchtet. Denn Andrej ist politischer Flüchtling und hofft in Bulgarien auf Schutz - zusammen mit seinem Ehemann Alex, einem russischen Journalisten und Putinkritiker.

Kennengelernt haben sich die beiden in Moskau, wohin Andrej 2011 gezogen war. In der russischen Hauptstadt hatte er ein kleines Keramikatelier eröffnet. 

Für beide war es Liebe auf den ersten Blick. Seither sind sie ein Paar und unzertrennlich. Vor zehn Jahren heirateten sie in Dänemark. Doch gleichgeschlechtliche Ehen werden in ihren Heimatländern - Russland und Belarus - nicht anerkannt. Im Gegenteil: Repressive Gesetze machen queeren Menschen das Leben schwer und drängen sie an den Rand der Gesellschaft. Zudem wurde für Alex auch sein Beruf als Journalist zunehmend zu einer Gefahr, denn freie Berichterstattung gibt es in Russland nicht mehr.

Zwei Männer in Anzügen ohne Krawatten, der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko (l.) und der russische Staatschef Wladimir Putin, schütteln sich die Hand und lächeln in die Kamera.
Der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko (l.) und der russische Staatschef Wladimir Putin bei einem Treffen im Sommer 2023Bild: Alexander Demianchuk/TASS/dpa/picture alliance

"Aufgrund meines Berufs erhielt ich regelmäßig Drohungen auf mein Mobiltelefon. Ehrlich gesagt, war ich daran gewöhnt, denn das passierte schon seit Jahren", sagt Alex im Gespräch mit der DW. Doch seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine sind die Drohungen häufiger und heftiger geworden. Deshalb beschlossen die beiden Männer im Herbst 2022, Russland zu verlassen und in Bulgarien Asyl zu beantragen. Fast ein Jahr später bekamen sie die Antwort auf ihr Ersuchen: Alex kann bleiben, Andrej nicht.

Gefahr von politischer Verfolgung in der Heimat

In Moskau hatte Alex als Journalist für kasparov.ru gearbeitet, eine Putin-kritische Website, die seit der Annexion der Krim im Jahr 2014 in Russland verboten ist. Ihr Besitzer - der ehemalige Schachweltmeister und politische Aktivist Garri Kasparov - steht auf der Liste der "Terroristen und Extremisten" der Russischen Föderation. "Es war sehr klar, dass aufgrund der politischen Ausrichtung meiner Website sehr reale Probleme entstehen könnten", sagt Alex.

Ein Mann mit Pferdeschwanz (der belarussische Künstler Andrej) unterhält sich mit einer Frau in Schwarz (die belarussische Oppositionspolitikerin Swetlana Tichanowskaja), die das schwarz-gerahmte Foto ihres Mannes (Sergej Tchichanowskij) im Arm hält.
Künstler Andrej trifft die belarussische Oppositionspolitikerin Swetlana TichanowskajaBild: privat

Auch für Andrej besteht große Gefahr, dass er wegen seiner politischen Überzeugungen verfolgt wird. Seit 2006 hat er an allen Protesten gegen den belarussischen Diktator Alexander Lukaschenko teilgenommen. Außerdem spricht er sich offen gegen die russische Aggression gegen die Ukraine aus. Der DW berichtet er, dass die Polizei in seinem Heimatland auch vier Jahre nach den letzten Massendemonstrationen in Belarus immer noch nach Teilnehmern an den Protesten sucht und sie verhaftet.

Oft würden Regimegegner festgenommen, wenn sie versuchten, Belarus über eine andere Grenze als die zu Russland zu verlassen. Andrej und sein Ehemann Alex sind überzeugt, dass eine Festnahme und Inhaftierung für eine LGBTQ-Person noch alptraumhafter sein kann, als für andere Menschen: "Man kann gefoltert werden, man kann vergewaltigt werden. All das kann passieren."

"Die Flüchtlingsagentur betrachtet uns nicht als Familie"

Doch der bulgarische Staat teilt diese Ängste nicht und sieht sie nicht als Grund, Andrej Schutz zu gewähren. Nach Ansicht der Staatlichen Agentur für Flüchtlinge (SAF) ist die Geschichte von Andrej widersprüchlich und unlogisch. Ihm drohe keine politische Verfolgung oder ernsthafter Schaden, so ihr Urteil. Schließlich habe er Belarus mehrmals freiwillig und ungehindert in Richtung Russland verlassen können.

Doch dieses Argument zieht nicht, so die Rechtsanwältin des Paares, Denitsa Lyubenova. "Das Verfahren verweist auf Ein- und Ausreisen nach und aus Russland, da die SAF nicht weiß, dass es keine faktische Grenze zwischen Russland und Belarus gibt. Das heißt, dies kann nicht als normaler Grenzübertritt mit einer Überprüfung der Personaldokumente angesehen werden, bei dem er verhaftet werden könnte oder eine Art Urkunde ausgestellt werden könnte", erklärt sie der DW.

Ein Auto fährt auf einer Straße an einem blauen Schild vorbei, auf dem in englischer und russischer Sprache Republik Belarus steht
Freie Durchfahrt an der Grenze zwischen Belarus und Russland: Hier müssen keine Pässe vorzeigt werden.Bild: Alexander Burakov/DW

Außerdem berücksichtige die bulgarische Flüchtlingsagentur nicht, dass Andrej zwar keine eigene Verfolgungsgeschichte habe, aber als Ehemann eines politisch Verfolgten der gleichen Bedrohung ausgesetzt sei. "Er ist kein unabhängiger Asylbewerber - er sucht Schutz als Familienmitglied von Alex", erklärt Lyubenova.

Obwohl die beiden Männer ihre Eheschließung in Dänemark nachweisen konnten, wurden sie in ihren Anträgen jeweils als ledig geführt. Denn gleichgeschlechtliche Ehen werden in Bulgarien nicht anerkannt. "Die Agentur glaubt, dass Alex und ich nichts gemeinsam haben, dass wir nur Freunde sind. Sie denken, dass ich die Risiken meines Partners nicht teile", klagt Andrej.

Gemeinsam mit ihrer Anwältin wollen die beiden nun in Bulgarien einen neuen Antrag auf Schutz stellen. In dessen Mittelpunkt soll die Tatsache stehen, dass sie als Ehepaar gemeinsam der Verfolgung ausgesetzt sind und gemeinsam Schutz benötigen. Außerdem wollen sie eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einreichen.

LGBTQ in Russland und Belarus

Andrej und Alex haben nie verheimlicht, dass sie ein Paar sind. Aus diesem Grund wurden sie in ihren Heimatländern in der Öffentlichkeit psychisch und physisch belästigt. "Die Polizei in Belarus oder in Russland wird sich wahrscheinlich über jeden lustig machen, der sagt, er sei aufgrund seiner geschlechtlichen Orientierung angegriffen worden - denn wir haben keine Gesetze gegen Diskriminierung. Es gibt keine Fälle, in denen Übergriffe aufgrund sexueller Orientierung als Diskriminierung anerkannt werden. LGBTQ-Menschen werden nicht als soziale Gruppe betrachtet", betont Alex.

Ein Mann sitzt im Halbschatten und schaut sorgenvoll in die Kamera. Neben ihm liegt ein Plakat, das den russischen Staatschef Putin mit grotesk geschminktem Gesicht auf einer Regenbogenfahne zeigt.
Protest in Bulgarien gegen das repressive Gesetz gegen die LGBTQ-Gemeinde, das im April 2024 verabschiedet wurdeBild: Valentina Petrova/ASSOCIATED PRESS/picture alliance

Im April dieses Jahres (2024) hat Belarus ein neues repressives Gesetz verabschiedet. Es definiert die Darstellung von gleichgeschlechtlichen Beziehungen und von Transgender-Personen als Pornografie, was mit bis zu vier Jahren Gefängnis bestraft werden kann.

Alex und Andrej sagen, dass sie sich in Bulgarien sicher fühlen. "Hier gibt es nicht so viele repressive Gesetze, keine politischen Gefangenen, keinen Krieg und keine Diktatoren wie Lukaschenko und Putin", sagt Andrej.

Nach russischem Vorbild: ein neues Anti-LGBTQ-Gesetz in Bulgarien

Doch im vergangenen August hat auch Bulgarien ein Gesetz verabschiedet, das sich an der russischen Gesetzgebung orientiert und die Rechte von LGBTQ-Personen im Lande drastisch einschränkt. Es verbietet die "Propaganda für nicht-traditionelle sexuelle Orientierungen" in bulgarischen Schulen. Der Gesetzentwurf wurde von der pro-russischen, nationalistischen Partei Wiedergeburt eingebracht und mit großer Mehrheit im bulgarischen Parlament verabschiedet. Viele Juristen in dem EU-Mitgliedsland sind der Meinung, dass das neue Anti-LGBTQ-Gesetz verfassungswidrig ist.

Demonstranten mit Regenbogenfahnen vor den Kuppeln einer russisch-orthodoxen Kathedrale in St. Petersburg
Demonstration gegen die repressiven russischen Anti-LGBTQ-Gesetze im Mai 2013 in St. Petersburg Bild: Dmitry Lovetsky/AP/picture alliance

Nach Angaben der Organisation "Deystvie", die sich in Bulgarien für die gesellschaftliche und rechtliche Gleichstellung von Menschen der LGBTQ-Community einsetzt, werden queere Menschen im Land rechtlich benachteiligt. So dürfen gleichgeschlechtliche Paare nicht heiraten, sie können nicht gemeinsam Kinder adoptieren, den Besitz ihres Partners nicht erben. Transmenschen ist eine legale Geschlechtsumwandlung nicht möglich.

Andrej und Alex sind über das umstrittene neue Gesetz schockiert. "Jetzt fühle ich mich weniger sicher, weil ich hier in Bulgarien den starken Einfluss Moskaus sehe", erklärt Alex. Dennoch: Die Hoffnung auf ein gemeinsames Leben mit seinem Ehemann Andrej unter bulgarischem Schutz will er nicht aufgeben. "Bulgarien ist immer noch ein demokratisches Land", sagt er. Und in Bulgarien möchte auch sein Partner Andrej leben und sich als Maler frei entfalten können.

'They forgave me for being gay and Roma due to my voice'

Margarita Nikolova
Margarita Nikolova Autorin und Reporterin, vor allem für DW Bulgarisch