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Let’s talk about sex - im Weltall

Marie Sina
28. September 2021

Für Weltraumreisende ist es eines der letzten Tabus. Aber klar ist auch: Ihre Sexualität lassen sie nicht auf der Erde zurück, wenn sie abheben.

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Zwei Astronauten in Raumanzügen umarmen sich
So natürlich nicht! Geschlechtsverkehr im Raumanzug ist technisch unmöglichBild: GORODENKOFF PRODUCTIONS/Science Photo Library/imago images

Eigentlich sind Interviews für Matthias Maurer ein Kinderspiel. Ohne zu zögern beantwortet er alle Fragen der Journalisten zu seiner bevorstehenden sechsmonatigen Reise zur internationalen Raumstation (ISS). Aber ein Thema wirft selbst Maurer kurz aus der Bahn: Sex im All. 

"Darüber haben wir noch nicht gesprochen, weil wir hier in einem beruflichen Umfeld sind", antwortet er auf die Frage der DW, ob Astronauten sich darüber austauschen, wie sie mit ihrem Sextrieb im All umgehen.  

Eine Mission für die Zukunft

Dabei ist das Thema nicht nur für Astronauten interessant. Durch private Weltraumunternehmen reisen mehr Menschen ins All als je zuvor. Vor ein paar Wochen starteten vier Spacetouristen in einer SpaceX Raumkapsel in den Kosmos. In zehn Jahren wird die erste Raumbesatzung vorrausichtlich auf eine Mission zum Mars aufbrechen, die mehrere Jahre dauern könnte. 

Sexualität ist ein wesentlicher Bestandteil der menschlichen Natur und spielt ganz klar auch bei der Raumfahrt eine Rolle. Aber während die Raumfahrtwissenschaft stetig voranschreitet, ist unser Wissen über Sex im All noch elementar.

NASA, die US-Bundesbehörde für Luft- und Raumfahrt, beharrt darauf, dass bisher noch kein Mensch Sex im All hatte und amerikanische Astronauten schweigen bekanntlich zu dem Thema. Die wenigen Experimente, die es schon zu dazu gab, wurden bis jetzt nur an Tieren durchgeführt.

"Wir müssen mehr über Sexualität im All wissen, wenn wir ernsthaft über Langstreckenflüge ins All nachdenken. Sexualität wird da sehr wahrscheinlich eine Rolle spielen", sagt Paul Root Wolpe gegenüber der DW. Der Bioethiker arbeitete 15 Jahre lang für die NASA. 

Astronaut Matthias Maurer steht hinter einem Podium bei einer Pressekonferenz und lacht
Astronaut Matthias Maurer erzählte der DW, dass Sexualität im Astronautentraining nicht angesprochen wirdBild: DW/Z. Abbany

Weltraumsex ist wichtig 

Über Sex im All zu reden ist nicht nur wichtig, weil das Thema uns allen durch den Kopf schwirrt. Auf die Frage der DW, ob Sexualität Teil des Astronautentraining ist, erwidert Maurer: "Nein, aber vielleicht sollte es das sein."  "Wenn wir sexuelle Gesundheit als Kernbestandteil unserer generellen Gesundheit anerkennen, dann ist es wichtig genau zu verstehen, in welche Situation wir Menschen uns begeben", sagt Saralyn Mark, ehemalige medizinische Beraterin der NASA, gegenüber der DW. 

Sex und Selbstbefriedigung beeinflussen unsere seelische und körperliche Gesundheit. Das ist auch im All so. Samenergüsse verhindern, dass sich Bakterien in der Prostata des Mannes anlagern. Und Orgasmen können nachweislich Stress lindern und die Schlafqualität verbessern – das könnte besonders bei kräftezehrenden Raumfahrtmissionen gelegen kommen. 

Ist es schon passiert? 

Wir können nur spekulieren, aber es ist wahrscheinlich, dass es den ersten kosmischen Koitus schon gab. Zwei Weltraummissionen kommen als mögliche Kandidaten dafür in Frage. 

1982 schloss sich die russische Kosmonautin Svetlana Savitskaya ihren zwei männlichen Kollegen acht Tage lang auf der Soyuz T-7 Mission an. Savitskaya war erst die zweite Frau im All und zu dritt bildete das Team die erste gemischtgeschlechtliche Weltraummission. 

In seinem Buch ‘Höllenritt durch Raum und Zeit’ vermerkt der deutsche Astronaut Ulrich Walter, dass die Mission laut des Teamarztes Oleg Georgievich Gazenko mit einer sexuellen Begegnung im Hinterkopf geplant war.

Die zweite Mission, die in Frage kommt, fand 1992 statt, als NASAs Space Shuttle Endeavor mit einem Ehepaar an Bord ins All startete. Astronaut Mark Lee und Astronautin Jan Davis hatten sich bei der NASA kennengelernt und verliebt. Ein Jahr vor dem Lift-Off heirateten die beiden heimlich. Für die Flitterwochen ging es dann gemeinsam ins All. 

Astronauten Anatoly Berezovoi und Valentin Lebedev und Astronautin Svetlana Savitskaya im Weltraum an Bord der Salyut-7
Anatoly Berezovoi, Valentin Lebedev und Svetlana Savitskaya bildeten die erste gemischtgeschlechtliche WeltraummissionBild: imago stock&people

Ist Sex im All anders? 

Wir können davon ausgehen, dass Sex im All schon längst passiert ist. Aber wie unterscheidet er sich von Sex auf der Erde?

Beginnen wir mit den Grundlagen: Sextrieb.

Informationen zu dem Thema sind rar, aber bisher deutet alles darauf hin, dass Weltraumaufenthalte die Libido verringern – zumindest vorübergehend. 

Das liegt daran, dass die Schwerelosigkeit im Weltraum den menschlichen Hormonhaushalt verändert, zum Beispiel indem sie den Östrogenspiegel senkt. Niedrige Östrogenwerte können zu einem verringerten Sextrieb führen. 

Leider basiert unser Wissen über Hormone im All größtenteils auf Tests, die an männlichen Astronauten durchgeführt wurden. Das liegt daran, dass nur 11,5% aller Weltraumreisenden Astronautinnen sind. Die wenigen Frauen, die bisher im All waren, haben die Pille genommen, um im Kosmos nicht zu menstruieren. Das macht es schwer, die Auswirkung der Pille und die der Raumfahrt auf den weiblichen Hormonspiegel zu entflechten.

Sex tickt nach unserer inneren Uhr

Unsere innere Uhr ist ein weiterer Aspekt, der beim kosmischen Sex Drive eine Rolle spielen könnte. “Wenn man alle 90 Minuten um unseren Planeten kreist, verändert das unseren Schlaf-Wach-Rhythmus und das verändert alles, auch unsere Sexhormone und wahrscheinlich auch unsere Libido”, sagt Saralyn Mark. 

Die persönlichen Erlebnisse von Astronaut Walter bestärken wissenschaftliche Vermutungen. In seinem Buch schreibt er, dass er während seines 10-tägigen Aufenthalts im All keinen Sextrieb verspürte. 

Aber es gibt trotzdem Hoffnung: Walter meint, dass sich die Libido von Astronauten nach ein paar Wochen im All wieder einpendelt. 

NASA Astronaut und Astronautin Mark Lee and Jan Davis steigen aus einem Space Shuttle
Astronaut Mark Lee und Austronautin Jan Davis verbrachten ihre Flitterwochen im AllBild: Bruce Weaver/AFP/Getty Images

Kosmische Erregung 

Unser Wissen über Sextrieb im All ist zwar noch löchrig, aber die Frage, ob Erregung im All möglich ist, können wir mit Klarheit beantworten. 

Wegen der Schwerelosigkeit nimmt unser Blut im Körper einen anderen Kurs: es fließt aufwärts Richtung Kopf und Brust, anstatt in unserer unteren Körperhälfte zu zirkulieren. Das Internet ist voller Spekulationen darüber, ob das Männer davon abhält, im Weltall eine Erektion zu bekommen.  

Alles ist möglich

Auf die Frage, ob Space-Ständer möglich sind, beantwortet Mark ganz klar mit ja. Paul Root Wolpe stimmt zu: "Es gibt keinen Grund dafür, dass das biologisch nicht möglich wäre." Auch Ron Garan, ein amerikanischer Astronaut, der zweimal ins All reiste, zeigt sich zuversichtlich. Als er auf Reddit zu Erektionen im All befragt wurde, erwiderte er: "Ich weiß von nichts, was dem menschlichen Körper auf der Erde passiert aber nicht im Weltraum." 

Für Frauen ist Erregung im All möglich, auch, wenn sich Feuchtwerden im Kosmos sehr anders anfühlt. In der Schwerelosigkeit sammelt sich Flüssigkeit am Punkt ihres Entstehens. Anstatt frei zu fließen, formt sie dann kleine Blasen, die am Körper kleben bleiben. 

Astronauten Leonid Popov, Svetlana Savitskaya und Aleksandr Serebrov auf einer sowjetischen Briefmarke
Swetlana Savitskaya und ihre Kollegen auf einer 1983 Briefmarke der Sowjetunion. Sie war die zweite Frau im WeltallBild: Public Domain

Schwieriger in der Schwerelosigkeit

So viel zu den biologischen Grundlagen. Wie der Akt selbst funktioniert, muss trotzdem noch geklärt werden. Eins ist klar: Sex im Weltraum ist viel anstrengender als hier auf der Erde. 

Das dritte Newtonsche Gesetz, das besagt, dass jede Auswirkung einer Kraft eine genauso starke Gegenwirkung erzeugt, stellt in der Schwerelosigkeit eine Herausforderung dar. Jeder kleine Schub führt im Weltall dazu, dass man sich voneinander wegstößt.  

"Wir bemerken gar nicht, wie sehr uns die Schwerkraft beim Geschlechtsverkehr hilft", meint Wolpe. "Beim Sex entsteht Druck. Im All, ohne jeglichen Gegendruck, schubst man den Partner immer von sich weg." 

Klettverschluss- und Delfinsex

Aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.

In einem Interview mit dem NDR schlägt Walter zum Beispiel vor, dass Astronauten die "Delfinmethode" anwenden könnten. Im Meer hilft ein dritter Delfin nämlich dabei, dass die anderen beiden nicht auseinandertreiben. 

Paul Root Wolpe hat eine andere Idee: "Alle Wände in der Raumstation sind mit Klettverschluss bedeckt. Davon könnte man Gebrauch machen, indem man einen Partner an die Wand klettet. Man muss einfach kreativ sein."