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Groß gegen klein?

16. Dezember 2010

Um Versöhnung mit Bundeskanzlerin Merkel bemüht gibt sich Luxemburgs Premier Juncker milde. Doch der Streit um Euro-Anleihen zwischen armen und reichen, kleinen und großen EU-Staaten schwelt weiter.

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Jean-Claude Juncker (Foto: picture-alliance/photoshot)
Chef der Euro-Gruppe: Jean-Claude JunckerBild: picture alliance/Photoshot

"Ich habe nicht den Eindruck, dass sie mir auf Distanz die Augen auskratzen will", sagte Jean-Claude Juncker der Zeitung "Handelsblatt" nach seinem langen Telefonat mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, das am Wochenende stattfand. Der dienstälteste Regierungschef Europas und die inzwischen als "Madame Non" verulkte Kanzlerin haben vereinbart, die europäische Einigung weiterhin hoch zu halten. Doch der Weg zu einer Stabilisierung der Gemeinschaftswährung Euro ist zwischen den beiden nach wie vor umstritten. Juncker hatte Merkel vergangene Woche "uneuropäisch" genannt. Jetzt ist er versöhnlicher gestimmt: Frau Merkel lasse es nicht an europäischem Engagement fehlen, sagt Juncker heute.

Merkel gab sich am Mittwoch (15.12.2010) im Bundestag als kämpferische Europäerin, während der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn ihr und dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy Arroganz vorwarf. Die beiden größten EU-Staaten lehnen gemeinsam mit Österreich, den Niederlanden und Finnland gemeinschaftliche Anleihen, so genannte Euro-Bonds, ab.

Luxemburg dagegen hat sich an die Spitze einer Staatengruppe gestellt, darunter natürlich die Hauptnutznießer Spanien, Portugal und Griechenland, die mit gemeinschaftlichen Schulden der bald 17 Euro-Länder liebäugeln. Juncker will das Thema "Eurobonds" beim EU-Gipfel am Donnerstag (16.12.2010) auf jeden Fall ansprechen.

Archiv: Angela Merkel beim Bundesparteitag November 2011 (Foto: Daniel Kopatsch/dapd)
Europäische Führung ist gefragt: Bundeskanzlerin MerkelBild: dapd

"Deutsche Zögerlichkeit"

Ministerpräsident Jean-Claude Juncker wirft Angela Merkel im "Handelsblatt"-Interview (16.12.2010) eine neue deutsche Zögerlichkeit vor. Nicht nur in Deutschland, sondern in allen EU-Staaten hätten die Politiker nicht mehr den Mumm, europäische Entscheidungen gegen Volkes Stimme durchzusetzen.

Der polnische Präsident Donald Tusk, der als inoffizieller Sprecher der neuen östlichen EU-Mitglieder gilt, warnte vor einer Spaltung der Europäischen Union in Länder, die den Euro als Währung haben, und jene, die ihn nicht oder noch nicht haben. Tusk malte das Schreckgespenst vom Europa der zwei Geschwindigkeiten an die Wand. Vor diesem Modell, vom damaligen Innenminister Wolfgang Schäuble Mitte der 1990er-Jahre mitentwickelt, fürchten sich viele kleinere EU-Staaten schon seit eh und je. Sie pochten auch bei den Verhandlungen zur gescheitertern EU-Verfassung und beim Vertrag von Lissabon auf gleichberechtigte Beteiligung an Entscheidungen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der polnische Premierminister Donald Tusk geben nach der deutsch-polnischen Regierungskonsultation am Montag (06.12.2010) im Bundeskanzleramt in Berlin eine Pressekonferenz. Schwerpunkt der Gespräche ist die Bekämpfung der Schuldenkrise in den Euroländern. (Foto: Hannibal dpa/lbn)
Polens Premier Tusk (l) lobt Merkel in Berlin (06.12.2010)Bild: picture-alliance/dpa

"Gefühl für Gemeinwohl schwindet"

Donald Tusk, dessen Land im zweiten Halbjahr 2011 die EU führen wird, sagte der Tageszeitung "Die Welt" (15.12.2010), er habe festgestellt, dass der Sinn für das Gemeinwohl in den vergangenen Jahren in der EU schwächer geworden sei. Vorwürfe von griechischen und irischen Politikern, Bundeskanzlerin Merkel verschärfe mit ihrem harten Kurs in Sachen Euro die Zinslasten für die schwachen Staaten, weist die Bundesregierung zurück. Und auch der polnische Premier Donald Tusk sieht es ähnlich: "Ich glaube, die Bundeskanzlerin ist eine der wenigen Politikerinnen in Europa, die verstehen, wie wichtig der Ausgleich und die Synergie der Interessen sind."

EU-Diplomaten in Brüssel, die an der Ausarbeitung der Gipfel-Erklärung beteiligt waren, weisen darauf hin, dass in der Finanzkrise natürlich die Länder, die leistungsfähiger sind, mehr Einfluss fordern. Deutschland, Österreich, Schweden die Niederlande, Luxemburg und andere müssten am Ende die Rechnung zahlen, heißt es in Brüssel. Für den Gipfel hat sich die deutsche Delegation vorgenommen, Ruhe in den Karton zu bringen. Es werde kein neuer Krisenreaktionsmechanismus aufgelegt, kein Streit über Anleihen geführt und auch der Rettungsfonds nicht aufgestockt. Nur eine Änderung des Lissabon-Vertrages soll beschlossen werden, um den Rettungsschirm über das Jahr 2013 hinaus offen halten zu können.

Autor: Bernd Riegert (rtr, dpa)
Redaktion: Julia Kuckelkorn