Ökoleben
30. April 2009Sieben Kinder sitzen im Waldkindergarten und warten auf ihre Eltern. Der vierjährige Felix rennt zu seiner Mutter, die gerade auf ihrem Fahrrad ankommt. Elke Wiegand und ihr Sohn radeln gemeinsam los - gen Siebenlinden. Angst braucht sie um ihren Sohn nicht zu haben, denn im Ökodorf gibt es kaum Autos.
Das Gemeinschaftshaus des Ortes ist ein roter alter Klinkerbau mitten auf einer großen Wiese. Links liegt der Wald, rechts sind Felder, so weit das Auge reicht. Schotterwege führen zu den anderen zehn Häusern, die aus Stroh, Holz und Lehm gebaut sind. Auf den Dächern blitzen Solarzellen in der Sonne, zwischen den Häusern stehen zahlreiche Bauwagen. Wäsche flattert im Frühlingswind. "Dieser Platz bietet Möglichkeiten, die wir sonst nicht haben: diese Selbstverständlichkeit von Ökologie, dass man nicht erklären muss, warum man kein Fleisch isst, dass man nicht blöd angeschaut wird, weil man keinen Fernseher hat. Wo sonst kann man sein Leben so frei gestalten?", erklärt Elke Wiegand.
Gemeinsames Essen und gemeinsame Entscheidungen
Sie lebt mit ihrem Mann Jürgen und den drei gemeinsamen Kindern seit gut sechs Jahren in dem Dorf in der sächsischen Altmark, 50 Kilometer von Braunschweig entfernt. Vor zwölf Jahren kauften die ersten Bewohner der Siedlung 21 Hektar Land. Das Ziel: ein gemeinschaftliches Leben, im Einklang mit der Natur zu führen. Heute wohnen hier 80 Erwachsene und 35 Kinder. Die Dorfgemeinschaft wird gepflegt - auch bei gemeinsamen Mahlzeiten. Wer will, kann drei Mal am Tag im Gemeinschaftshaus essen.
Heute herrscht großer Andrang: Im Eingangsbereich stapeln sich bereits die Schuhe. Häuser sind in Siebenlinden grundsätzlich schuhfreie Zone. Elke Wiegand reiht sich mit Felix in die Schlange: Es gibt Salat, Vollkornnudeln und Kürbisgemüse. Alles rein biologisch und vegan, das heißt ohne tierische Produkte. Vieles kommt aus eigenem Anbau. Auch Eva Stützle wartet aufs Mittagessen.
Ein Haus aus Holz aus dem eigenen Wald
Die 44-Jährige war von Anfang an im Ökodorf dabei. "Wir haben natürlich mit dem absoluten Konsensprinzip angefangen und alles von Belang wurde in einer Versammlung entschieden. Geblieben ist die Konsensorientiertheit, wir wollen Entscheidungen treffen, hinter denen möglichst alle stehen", sagt sie. Inzwischen gibt es so genannte Räte, also eigene Entscheidungsgremien mit jeweils fünf bis sechs Mitgliedern, für die Bereiche Soziales, Siedlung, Bildung, Lebensmittel und Hausbau.
Das Dorf ist weitgehend unabhängig: Es gibt eine eigene Wasserver- und -entsorgung. Die Bewohner decken 80 Prozent des Energiebedarfs mit Solarzellen und heizen mit Holz aus dem eigenen Wald.
Gut dreieinhalb Jahre wohnte Elke Wiegand mit ihrem Mann und den drei Kindern in einem Bauwagen, bis ihr Haus fertig gebaut war. Sie haben es selbst entworfen und gebaut. Das Herzstück des Gebäudes bildet der Ofen: Wie ein warmer Kern heizt er das gesamte Haus. Zurzeit wohnen hier sechs Leute und zwei Bauwagenbewohner benutzen Küche und Bad mit.
Siebenlinden gleicht einer Insel
Von 80 Erwachsenen sind nur drei außerhalb des Dorfes beschäftigt. Die anderen betreiben den kleinen Bioladen, arbeiten in der Landwirtschaft oder sind selbstständig: Elke Stützel beispielsweise ist Beraterin für soziale und ökologische Initiativen. Freundschaften mit Leuten von außerhalb sind sehr selten. Elke Wiegand vermisst es zwar manchmal, auf Konzerte oder ins Theater zu gehen. Trotzdem sei sie hier glücklich: "Das sind meine Leute, hier gehöre ich her, das ist mein Lebensstil."
Autorin: Nina Funke-Kaiser
Redaktion: Julia Kuckelkorn