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Lauschangriff in Thüringen

3. August 2016

Die Thüringer Polizei hat Medienberichten zufolge heimlich Telefonate von Diensttelefonen aufgezeichnet. Was gespeichert oder gelöscht wurde und was überhaupt mit den Informationen passiert ist, ist unklar.

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Eine Polizistin telefoniert an ihrem Arbeitsplatz in der Landeseinsatzzentrale der Landespolizeidirektion Erfurt (Thüringen). (Foto: picture-alliance/dpa/C. Welz)
Bild: picture-alliance/dpa/C. Welz

Knapp 17 Jahre blieb es unbemerkt: Zehntausende eingehende Anrufe auf Diensttelefonen der Polizei seien seit 1999 offenbar ohne Zustimmung der Gesprächspartner automatisch mitgeschnitten worden. Das berichtete der MDR in Erfurt. Das automatische Aufzeichnen und Speichern von Notrufen ist legal. Nun wurde bekannt, dass sich die Thüringer Beamten darauf nicht beschränkt haben.

Es bestehe aber auch der Verdacht, dass Gespräche mit Staatsanwälten, Rechtsanwälten, Justizbeamten, Sozialarbeitern oder Journalisten aufgenommen worden seien, die interne Polizeinummern gewählt hatten. Betroffen seien Leitungen der Landespolizeidirektion, der Polizeiinspektionen und des Landeskriminalamts. Nach bisherigen Erkenntnissen seien nur bestimmte Apparate abgehört worden.

Staatsanwaltschaft leitet Ermittlungen ein

Nach Angaben des Innenministeriums befasst sich die Staatsanwaltschaft mit dem Fall. Zwei Strafanzeigen lägen bereits vor. Die Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit gegen einen ehemaligen Mitarbeiter des Innenministeriums. Der Vorwurf laute auf Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes, sagte Staatsanwältin Anette Schmitt-ter Hell. Aufgedeckt hatte den Skandal demnach ein Staatsanwalt, der herausgefunden habe, dass seine Telefonate ohne sein Wissen gespeichert wurden.

Hintergrund der jahrelangen Lauschaktion ist wahrscheinlich eine Dienstanweisung aus dem Jahr 1999. Die ist nun ebenfalls Gegenstand von Ermittlungen geworden. Ein Sprecher des Innenministeriums erläuterte, nach bisherigen Erkenntnissen seien Gespräche auf Telefonen von Dienstgruppenleitern Thüringer Polizeidienststellen mitgeschnitten worden, die rund um die Uhr besetzt seien. Dort sei eine automatisierte Mitschnittfunktion installiert. Es sind die Apparate, auf denen auch die Notrufe der 110 entgegengenommen wurden. Die Anlage habe allerdings nicht unterschieden können, ob es sich um einen Notruf handelte oder nicht, so der Sprecher.

Alle anderen Gespräche, die auf Polizeitelefone eingehen, dürfen grundsätzlich nur auf richterliche Anordnung abgehört werden. Nur in Notfällen, wie bei einer schweren Straftat oder bei der Ortung von Vermissten, darf der Leiter einer Polizeibehörde das Anzapfen des Telefons anweisen. Er muss sich dies aber hinterher von einem Richter bestätigen lassen.

Überbleibsel alter Strukturen?

Auch nach der Umstrukturierung der Polizei samt Schaffung der Landeseinsatzzentrale in Erfurt wurden zudem Notrufe in die einzelnen Inspektionen weitergegeben, so dass sie weiterhin von der Speicherung von Telefonaten betroffen waren. Inzwischen sei das Mitschneiden gestoppt worden. Zugriff auf die aufgezeichneten Gespräche hätten nur Administratoren gehabt, erklärte er.

Routinemäßig sollen die Mitschnitte nach 180 Tagen gelöscht worden sein, so das Innenministerium. Doch wie die Recherchen des MDR ergaben, wurden gleichwohl Vermerke zu Telefonaten angefertigt und bestimmten Verfahren zugeordnet. Auch der Landesdatenschutzbeauftragte prüft die Vorwürfe und die Frage, ob es sich um ein punktuelles oder ein flächendeckendes Problem handelte.

pab/kle (AFP, dpa, mdr)