Lauer deutscher Wahlkampf lässt Brasilianer kalt
6. September 2013Auch eine Woche vor der Bundestagswahl weckt das Duell zwischen Angela Merkel von der konservativen CDU und ihrem sozialdemokratischen Herausforderer Peer Steinbrück in Brasilien weder das Interesse der Bevölkerung noch der Medien. Der Umstand, dass Merkel in allen Umfragen deutlich vorne liegt, raubt dem Rennen fast alle Spannung.
Die Gründe für die Gleichgültigkeit der Brasilianer sind vielfältig: So konzentrierte sich die TV-Debatte der beiden Kontrahenten Anfang September vor allem auf innenpolitische Themen. Die Kandidaten stritten über fehlende Krippenplätze, die Auslagerung von Arbeitskräften an Subunternehmer, die deutschen Staatsschulden und den Umgang der Regierung mit ihnen - Themen, die die Brasilianer wenig interessieren. Sie haben in ihrem Alltag andere Probleme: "Dazu gehören interne ökonomische und politische Themen. So etwa die steigende Inflation, die Korruption, Spannungen zwischen Exekutive und Legislative", erläutert Albene Menezes, Spezialistin für internationale Beziehungen an der Universität von Brasília (UnB).
Auch der Politikwissenschaftler Christian Lohbauer schätzt das Interesse vieler Brasilianer an internationaler Politik als eher gering ein: "Wahlen in den USA oder in Argentinien wecken ein größeres Interesse als Wahlen in Europa. Was Deutschland angeht, erhalten die Wahlen durch ihre Bedeutung in der EU eine gewisse Relevanz, ebenso auch durch die intensiven und historisch gewachsenen deutsch-brasilianischen Wirtschaftsbeziehungen. Aber das Interesse beschränkt sich auf einen überschaubaren Kreis von Journalisten, Unternehmern und Akademikern", so Lohbauer.
Internationale Themen stehen im Hintergrund
Dabei könnten nach Einschätzung von Experten außenpolitisch bedeutsame Themen wie Eurokrise und europäische Integration durchaus das Interesse der Brasilianer wecken.
"In der jüngeren Vergangenheit konnte man in der brasilianischen Politik und in den Medien des Landes Stimmen hören, die sich gegen die rigide Sparpolitik aussprachen, für die Merkel steht. Mittlerweile haben sich die Medien aber auf einen positiven Ton hinsichtlich der europäischen Integration eingeschwungen", erläutert die in São Paulo lehrende Politologin Manoela Miklos. "Beide Themen sind potentiell auch für Brasilianer interessant, haben sich aber mittlerweile abgekühlt. So sorgen auch sie nicht mehr für Aufmerksamkeit", sagt Miklos.
Gute Beziehungen
Trotz mangelndem Interesse am deutschen Wahlkampf ist doch auf anderen Ebenen das Interesse der beiden Staaten an- und füreinander weiterhin groß. So ist Deutschland Brasiliens viertgrößter Handelspartner – hinter China, den USA und Argentinien. Ereignisse wie Brasiliens Teilnahme als Ehrengast an der Frankfurter Buchmesse oder das Deutschlandjahr in Brasilien zeigen zudem, wie dynamisch die Partnerschaft weiterhin ist.
Außerdem laufen derzeit die Vorbereitungen für die Anfang 2014 beginnenden deutsch-brasilianischen Konsultationen. An den Gesprächen werden auch die Regierungschefs und Minister beider Länder teilnehmen – ein Indiz für die gleich um mehrere Grade gestiegene Bedeutung der strategischen Partnerschaft zwischen beiden Ländern.
Auch wirtschaftlich verdichten sich die Beziehungen weiter. "Wir versuchen ein Jointventure zwischen kleinen und mittleren Unternehmen beider Ländern zu entwickeln, und zwar auf dem Feld der erneuerbaren Energien, wie etwa Wind- und Sonnenenergie, der Wissenschaft und der Technologie. Auf diesen Feldern hat Deutschland große Erfahrung, während in Brasilien ein großer Bedarf besteht", erläutert die Botschafterin Brasiliens in Deutschland, Maria Luiza Viotti. Auch für die Zukunft der deutsch-brasilianischen Beziehungen zeigt sie sich optimistisch: "Es gibt immer Geschäfte zum beiderseitigen Nutzen, und die wollen wir fördern."
Das Wahlergebnis ist dafür nicht bedeutsam: Ob am 22. September Merkel ihre dritte Amtszeit antritt oder Steinbrück den Wahlkampf gewinnt - die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen Deutschland und Brasilien bleiben davon unberührt.