Lance Armstrong beendet eine Ära
24. Juli 2005So lange er am Start war, gab es wenig Spannung bei der Tour de France. Denn als Rekordgewinner stellte Lance Armstrong alle vorherigen Größen in den Schatten. Es scheint, als würde erst sein Abgang Platz für neue Sieger machen. Auch bei der Abschiedstour des Kapitäns vom Team Discovery Channel konnten seine Verfolger, der Italiener Ivan Basso (CSC) und T-Mobile-Kapitän Jan Ullrich, ihn nicht ernsthaft in Gefahr bringen. Der Texaner habe sich keinen Moment in Bedrängnis gefühlt, sagte Armstrong über die 92. Tour de France.
Als erster sieben Mal der Tour-Gewinner
Seit Abgang von der Radsport-Bühne war ebenso perfekt wie seine Vorstellungen seit 1999. Mit dem siebten Gesamtsieg in Serie, veredelt mit dem Triumph beim Einzelzeitfahren in St. Etienne, bewies der 33-jährige Amerikaner optimales Timing. Von den anderen unsterblichen Tour-Helden wie Merckx, Indurain, Hinault und Anquetil fuhr keiner das Gelbe Trikot öfter nach Paris als Armstrong. Trotzdem werden wohl nur wenige dem Amerikaner nachweinen. Zu groß war die Dominanz des stets respektierten, aber vor allem in Frankreich ungeliebten Seriensiegers, der 22 Etappensiege feierte. Selbst alle Versuche der Tour-Direktion, die Chance des vermeintlichen Übermenschen durch veränderte Streckenprofile zu schmälern, verpufften wirkungslos.
Sieg gegen seine Krebserkrankung
Seine außergewöhnliche Leidensfähigkeit führt Armstrong auf seinen erfolgreichen Kampf gegen den Krebs zurück. So schlimm wie die niederschmetternde Diagnose im Jahr 1996 und die folgenden vier Chemotherapien konnte kein Anstieg der Tour de France sein. Nur drei Jahre, nachdem die Ärzte ihm eine Überlebenschance von drei Prozent eingeräumt hatten, erfüllte er sich mit seinem Tour-Sieg einen Lebenstraum. Sein Durchhalten und die nach seiner Genesung gegründete Stiftung ermutigten viele Krebskranke.
Seitdem blieb der Konkurrenz nur das Nachsehen. Mit ähnlicher Willensstärke wie bei seiner Therapie ging der Ausnahmesportler bei seinen Vorbereitungen auf die Tour vor. Das bekam vor allem Jan Ullrich zu spüren: Fünf Mal duellierte der Deutsche sich mit Armstrong, fünf Mal fuhr es mehr oder weniger deutlich hinterher. Einen Fahrer ähnlichen Formates wird es nach Einschätzung seines Managers Johan Bruyneel so schnell nicht wieder geben: "Keiner konnte sich so quälen wie er. Er hat diese Qualen sogar noch genossen, das macht ihn so einzigartig."
Doping-Verdächtigungen ließen sich nicht bestätiten
Wer die Konkurrenz derartig souverän dominiert, steht schnell im Verdacht, mit unerlaubten Mitteln nachzuhelfen. An Versuchen, Armstrong zur Nummer eins in einem angeblich verdorbenen Metier zu machen, hat es deshalb nie gefehlt. So deutete der Brite David Walsh in seinem 2004 erschienenem Buch "L.A. Confidential" an, dass der Amerikaner das Blutdopingmittel Erythropoietin (EPO) und andere Medikamente zur Leistungssteigerung benutze. Armstrongs Zusammenarbeit mit dem in einem Doping-Prozess verurteilten italienischen Sportmediziner Michelle Ferrari sorgte für weitere Spekulationen. Doch so sehr die Doping-Fahnder sich auch mühten, die zahlreichen Tests auch bei der diesjährigen Tour blieben allesamt negativ.
Nach dem Rückzug des Patrons der Tour kann die Konkurrenz wieder hoffen. Bei der 93. Tour 2006 könnten Ivan Basso (Italien), Alejandro Valverde (Spanien) und Damiano Cunego (Italien) Armstrong ablösen. Auch Ullrich zählt noch zu den Favoriten. Erst am vorletzten Tour-Tag (23.7.) wurde er Zweiter im Zeitfahren hinter Armstrong und erkämpfte sich damit noch einen dritten Platz in der Gesamtwertung der Tour. Außerdem gewann sein Team T-Mobiel die Mannschaftswertung. (kap)