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KonflikteNahost

Läuft der Geisel-Deal zwischen Israel und Hamas planmäßig?

Jan D. Walter | Marco Müller
Veröffentlicht 16. Januar 2025Zuletzt aktualisiert 25. Januar 2025

Erst drei und dann weitere vier Geiseln sind im Rahmen des Waffenruhe-Abkommens von der Hamas freigelassen worden. Ein Überblick über den aktuellen Stand und das weitere Vorgehen zwischen Israel und der Hamas.

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Fahrzeuge des Roten Kreuz fahren durch eine Menschenmenge im Gaza-Stadt
In Gaza-Stadt wurden die ersten drei Geiseln am Sonntag (19.01.2025) dem Roten Kreuz übergebenBild: Omar Al-Qattaa/AFP

Wie viele Gefangene und Geiseln werden ausgetauscht?

Die zweite Freilassung israelischer Geiseln erfolgte gemäß der Vereinbarung am Samstag (25.01.2025). Es handelt sich um vier Soldatinnen, die islamistische Terroristen während des Hamas-Massakers am 7. Oktober 2023 entführt hatten.

Im Gegenzug für die Geiselauslieferungen soll Israel palästinensische Gefangene aus der Haft entlassen: 30 für jede zivile Geisel, 50 für jeden Soldaten. Und so wurden für die vier israelischen Soldatinnen 200 Palästinenser in Freiheit. Unter allen palästinensischen Häftlingen, die freigelassen werden, sollen sich auch Hamas-Kämpfer befinden, allerdings keine, die an dem Terrorangriff 2023 mitgewirkt haben.

Auch diese Freilassung ist Teil der ersten Phase der Waffenruhe, die am Vormittag des 19. Januar in Kraft getreten ist. In dieser ersten Phase, die zumindest 42 Tage dauern soll, soll die Hamas dem Abkommen zufolge zunächst alle verbliebenen Kinder und Frauen an Israel übergeben, dann Männer über 50 Jahren. Am vergangenen Sonntag waren die ersten Geiseln, drei junge Frauen, freigelassen und nach Israel gebracht worden. Israel wiederum ließ 90 palästinensische Häftlinge frei: 69 Frauen und 21 männliche Jugendliche.

 

Auf Plakaten sind die Gesichter der drei zuerst freigelassenen Geiseln Romi Gonen, Emily Damar und Doron Steinbrecher zu sehen. Darunter jeweils der Spruch "Bring her home now!"
Romi Gonen (24), Emily Damari (28) und Doron Steinbrecher (31) waren die drei ersten freigelassenen GeiselnBild: Ahmad Gharabli/The Hostages Families Forum Headquarters/AFP

Aktuell sind weiterhin 91 der mehr als 250 Entführten in der Gewalt der Hamas. Wie viele von ihnen noch leben, ist indes unklar. In Israel geht man davon aus, dass ein Drittel von ihnen bereits tot sein könnte. Mehr als 110 sind bisher lebend befreit oder freigelassen worden.

Wie viele Menschen sind zu Schaden gekommen?

Am 7. Oktober 2023 drangen mehrere tausend islamistische Kämpfer unter dem Kommando der Hamas vom Gazastreifen aus nach Israel ein, ermordeten etwa 1200 Menschen und nahmen mehr als 250 Geiseln. In den folgenden rund 15 Monaten bombardierten die israelischen Verteidigungskräfte (IDF) weite Teile des Gazastreifens und besetzten ihn. Die Hamas kämpfte gegen die israelische Armee und beschoss Israel mit Raketen. Die Hamas wird von Israel, seinen westlichen Verbündeten sowie einigen arabischen Staaten als Terrororganisation eingestuft.

Zerstörte Häuser im Gazastreifen. Auf breiten Wegen dazwischen gehen viele Menschen.
Die Zerstörungen im Gazastreifen sind enormBild: Omar Al-Qattaa/AFP/Getty Images

Nach Angaben der palästinensischen Gesundheitsbehörde, die von der Hamas kontrolliert wird, sollen bei dem Krieg mit Israel mehr als 47.000 Menschen im Gazastreifen getötet worden sein. Die israelische Armee gibt an, dass insgesamt rund 20.000 Mitglieder der Hamas getötet worden seien, darunter auch ein Großteil der Führungsspitze. "Der militärische Flügel der Hamas wurde schwer getroffen", sagte der israelische Militärchef Herzi Halevi am Dienstag (21.01.2025) im israelischen Fernsehen; am selben Tag reichte er seinen Rücktritt zum 6. März wegen des "Versagens“ des Militärs beim Hamas-Angriff ein. Nach UN-Angaben wurde nahezu die gesamte Bevölkerung des Gazastreifens aus ihren Häusern vertrieben. Israel beklagt mehrere Hundert gefallene Soldaten und andere Sicherheitskräfte.

Was sieht das Abkommen zwischen Israel und der Hamas vor?

Am 15. Januar hatte Katar einen Durchbruch bei den Verhandlungen über ein Ende des kriegerischen Konflikts zwischen Israel und der Hamas verkündet. In dem Emirat hatten Vertreter beider Seiten unter Vermittlung der USA, Katars, Ägyptens sowie der Türkei monatelang verhandelt, ohne direkt miteinander zu sprechen.

Romi Gonen und ihre Mutter sitzen eng umschlungen auf einem Sofa
Wieder vereint: Romi Gonen, eine der freigelassenen Geiseln, wird von ihrer Mutter umarmtBild: Israel Defense Forces/Handout/REUTERS

Seit dem 19. Januar, 12.15 Uhr Ortszeit schweigen die Waffen für sechs Wochen. Israel soll in dieser Zeit mit dem Rückzug seiner Truppen aus dem Gazastreifen beginnen. Außerdem sollen beide Seiten in mehreren Stufen Gefangene freilassen. Für Hilfsorganisationen wurden gesperrte Nothilfekorridore in den Gazastreifen geöffnet. Laut dem UN-Nothilfeprogramm OCHA erreichen mittlerweile größere Mengen an Hilfsgütern die notleidende Bevölkerung im Gazastreifen. Allein am Donnerstag sollen 653 Lastwagen mit Hilfsgütern in den Gazastreifen gekommen sein. Vor dem Krieg sind es rund 500 Lastwagen täglich gewesen.

Was geschieht nach der ersten Phase der Waffenruhe?

Was nach den 42 Tagen der ersten Phase geschehen soll, ist noch nicht ausgehandelt. Zur Verhandlung steht neben der Fortführung der Feuerpause ein weiterer Abzug israelischer Truppen aus dem Gazastreifen sowie ein weiterer Austausch von Geiseln und Gefangenen. Scheitern die Verhandlungen, ist wahrscheinlich, dass die Kämpfe fortgesetzt werden.

Trump oder Biden - wer darf das Abkommen für sich beanspruchen?

Als Vermittler zwischen der israelischen Regierung und der Hamas-Führung haben neben dem Gastgeber Katar auch Vertreter aus Ägypten, der Türkei und den USA gewirkt. Angesichts des Machtwechsels in den Vereinigten Staaten beanspruchen beide Präsidenten den Verhandlungserfolg für sich: Ex-Präsident Joe Biden sowie der seit dem 20. Januar 2025 amtierende Präsident Donald Trump.

Joe Biden und Donald Trump stehen nebeneinander. Neben ihnen stehen ihre Ehefrauen.
Haben jeder auf seine Weise an dem Waffenruhe-Abkommen mitgewirkt: Joe Biden und Donald TrumpBild: Jim Watson/AFP

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu dankte Trump ausdrücklich für dessen Beitrag zur Waffenruhe und lobte dabei auch dessen Nahost-Politik in seiner ersten Amtszeit von 2017 bis 2021. Auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat beim Weltwirtschaftsforum in Davos am Mittwoch (22.01.2025) die Rolle Trumps beim Erreichen der Waffenruhe gelobt und gesagt, dass dessen "robuste Diplomatie" einen großen Teil zum Ergebnis beigetragen habe. Erst hätten sich die Verhandlungen immer wieder hingezogen, "und dann ist es plötzlich passiert", ergänzte Guterres.

Die Waffenruhe war nur einen Tag vor Trumps Amtseinführung in Kraft getreten. Noch eine Woche zuvor hatte Trump der Hamas gedroht: "Wenn diese Geiseln bis zu meinem Amtsantritt nicht zurück sind, wird die Hölle über den Nahen Osten hereinbrechen. Und das wird nicht gut für die Hamas sein, und es wird für niemanden gut sein."

Wird die Waffenrufe Bestand haben?

Ob die Waffenruhe Bestand haben wird, kann niemand mit Bestimmtheit sagen. Trump selbst sieht sie eher skeptisch. Auf die Frage, ob Israel und de Hamas die Waffenruhe einhalten und das Abkommen weiter erfüllen werden, sagte Trump: "Ich bin nicht zuversichtlich". Die Hamas sehe er aber durch den Krieg geschwächt.

Viele zerstörte Häuser im Gazastreifen. Dazwischen Menschen.
Zerstörungen im GazastreifenBild: Hasan N. H. Alzaanin/Anadolu/picture alliance

Und weiter sagte der US-Präsident, der außerhalb der Politik vor allem als Immobilienunternehmer von sich Reden gemacht hat: "Ich habe mir ein Bild aus dem Gazastreifen angeguckt. Der Gazastreifen ist wie ein riesiges Abrissgelände." Wenn das Abkommen erfüllt würde, könne der Gazastreifen einen "fantastischen" Wiederaufbau erleben. Dann ergänzte er: "Es ist ein phänomenaler Ort am Meer - bestes Wetter. Einige schöne Dinge könnten damit gemacht werden."

Der Artikel wurde am 16.01.2025 veröffentlicht und zuletzt am 25.01 2025 aktualisiert.

Jan Walter Autorenfoto
Jan D. Walter Jan ist Redakteur und Reporter der deutschen Redaktion für internationale Politik und Gesellschaft.