KI im Energiesektor - Hilfe für das Klima?
28. Mai 2019Künstliche Intelligenz (KI) dringt zunehmend in alle Bereiche unseres Lebens vor. Streamingdienste nutzen sie, um unsere Sehgewohnheiten zu erlernen und uns Vorschläge zu machen, was wir als Nächstes sehen könnten. KI hat auch schon die besten Spieler der Welt in komplexen Brettspielen wie Schach und Go geschlagen.
Einige Forscher glauben sogar, dass KI eines Tages übermenschliche Intelligenz erlangen kann, was zu apokalyptischen Szenarien führen könnte, wie im Film "Matrix".
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Als ob solche Befürchtungen zerstreut werden müssten, veranstalten die Vereinten Nationen diesen Monat einen "AI For Good"-Gipfel in Genf. Dabei soll es um "die gute Seite" von KI-Anwendungen gehen, die dabei helfen können, die dringendsten Probleme unserer Zeit zu lösen - wie die Klimakrise.
Die meisten Länder reduzieren ihre Emissionen nicht annähernd schnell genug. KI könnte dabei helfen, den Prozess zu beschleunigen. Insbesondere in einem Bereich, der maschinelles Lernen heißt, können riesige Mengen Daten verarbeitet werden, um Energiesysteme effizienter zu machen.
Um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten, müssen fossile Brennstoffe nahezu komplett durch andere Energieformen ersetzt werden - in allen Wirtschaftsbereichen. Doch gerade erneuerbare Energien werden in der Regel dezentral erzeugt, die Menge unterliegt Schwankungen. Sie muss mit Verbrauchern vernetzt werden, die bei Bedarf automatisch ihren Verbrauch reduzieren und das gesamte System im Gleichgewicht halten.
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Hendrik Zimmermann forscht bei der deutschen Umweltorganisation Germanwatch im Bereich Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Er sagt, dass der effiziente Umgang mit Daten in dieser Größenordnung nur mit KI möglich ist.
"Um dieses System zu entwickeln, brauchen wir digitale Technologien und eine Menge Daten, die schnell erfasst und analysiert werden", sagt Zimmermann gegenüber DW. "KI oder Algorithmen für maschinelles Lernen können uns dabei helfen, diese Komplexität zu bewältigen und Null-Emissionen zu erreichen."
40% weniger Stromverbrauch in Google-Rechenzentren
Aber die Digitalisierung bringt auch eine Menge Herausforderungen mit sich, nicht zuletzt die riesigen Energiemengen, die für die Datenverarbeitung nötig sind. Sims Witherspoon ist Programm-Managerin bei Deepmind, einem britischen KI-Unternehmen, das zu Alphabet, dem Mutterkonzern von Google, gehört und das Programm entwickelt hat, das die Go-Meister geschlagen hat. Sie sagte gegenüber der DW, dass Rechenzentren, diese riesigen "Server-Farmen" in aller Welt, die unsere Daten speichern, inzwischen für 3 % des weltweiten Energieverbrauchs verantwortlich sind.
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Deshalb beschloss Deepmind ihre sogenannten "allgemeinen Lernalgorithmen" dafür zu verwenden, die Energie, die benötigt wird um Googles Rechenzentren zu kühlen, um 40% zu reduzieren.
"Wie beim Go-Spiel bringen Rechenzentren konkrete Aktionen und messbare Vorteile mit sich", sagt Witherspoon und erklärt, dass KI weit mehr Daten verarbeitet als es ein Mensch könnte - von Wetterbedingungen bis hin zu den Datenmengen, welche die Server verarbeitet haben, um für optimale Kühlung zu sorgen.
Das System soll bald in weiteren Google Rechenzentren eingesetzt werden und Witherspoon glaubt, dass KI große Auswirkungen auf die Industrie haben könnte. "Große Industrieanlagen verbrauchen 54% der Energie weltweit", sagt sie. "Stellen Sie sich mal das Potenzial vor, wenn wir diese Technologie im großen Stil in Industrieanlagen einsetzen könnten. Wir glauben, damit könnten wir in einem noch größeren Umfang den Klimawandel beeinflussen."
Auch das gemeinnützige Borderstep Institut in Berlin hat - wenn auch einfachere - "prädiktive maschinelle Lernalgorithmen" eingesetzt, um 20% bis 25% der Energie einzusparen. KI wird nun verwendet, um eine Gruppe von 250 Wohnungen in der deutschen Hauptstadt zu heizen.
"Wir verwenden ein Hausenergie-Managementsystem, das auf drei Ebenen arbeitet: in der Wohnung, im Haus und im Gebäudekomplex mit einer gemeinsamen Wärmequelle", erklärt Simon Hinterholzer, ein Smart-Energy-Forscher beim Borderstep Institut gegenüber der DW.
Mithilfe von Sensoren in den Wohnungen und Gebäuden kann das System feststellen, wann Bewohner zu Hause sind und entsprechend die Heizung hochfahren. "Das System lernt durch die Art, wie Sie es nutzen, weil alle Geräte vernetzt sind", sagt Hinterholzer.
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Mehr und günstigerer grüner Strom
KI könnte nicht nur den Stromverbrauch optimieren, sondern auch dessen Produktion. Für die Turbinenwartung und -inspektion müssen oftmals Menschen mit Hubschraubern zu Windturbinen fliegen - ein großer Kostenfaktor für den Betrieb von Offshore-Windparks.
Roy Assaf, ein KI-Forscher bei IBM, einem Partner des paneuropäischen ROMEO-Projekts, sagt gegenüber DW, sein Team verwende "Deep Learning" - eine Methode des maschinellen Lernens, die mathematische Funktionen verwendet, die man "künstliche Neuronen" nennt - um "Ausfälle von Offshore-Windparks vorherzusagen und die Instandhaltung zu optimieren".
Momentan bringen sie ihren mathematischen Modellen historische Daten über Stromspannung, Temperatur, Windgeschwindigkeit und Luftfeuchtigkeit bei. Über kurz oder lang werden diese Modelle in Echtzeit eingesetzt und sobald neue Daten verfügbar sind, werden auch die Voraussagen genauer werden.
"Es gibt 1000 Kennziffern und es nicht leicht, daraus Schlüsse zu ziehen. Mit Hilfe von maschinellem Lernen können wir aus allem gleichzeitig Wissen generieren", sagte Assaf. Die Hoffnung ist, dass durch niedrigere Wartungskosten und weniger Ausfallzeiten mehr und günstigerer Ökostrom generiert werden kann.
Risiken für die Energieversorgung
Aber die Fähigkeit von Künstlicher Intelligenz, Dinge schneller und effizienter zu machen, wird nicht nur bei Technologien angewendet, die helfen Emissionen zu reduzieren. Google, Microsoft und Amazon verkaufen ihre KI-Technologie auch an Öl- und Gasunternehmen, um sie bei der Förderung von fossilen Brennstoffen zu unterstützen..
Ein kürzlich veröffentlichter Bericht der amerikanischen Denkfabrik Brookings Institution kam zu dem Ergebnis, dass KI wahrscheinlich größere Auswirkungen auf fossile Brennstoffe hat als auf die grünen Alternativen. Sie sei so gut geeignet für "Aktivitäten, die neue Kohlenwasserstoff-Ressourcen erschließen - insbesondere für die Schiefer-Revolution mit Öl und Gas, für die komplexe, unterirdische Reservoirs kartographisch erfasst und Bohrmethoden angepasst werden müssen."
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Wenn wir Unternehmen Zugang zu den Daten geben, wie wir in unseren Häusern Energie nutzen, stellt sich auch die Frage, ob wir ihnen vertrauen, dass sie diese Daten für das Allgemeinwohl einsetzen.
"Die Privatwirtschaft hat ein riesiges Interesse daran, derartige Daten zu sammeln", sagt Zimmermann von Germanwatch. "Wenn wir diese wertvollen Daten in die Hände von Unternehmen geben, ohne dass wir davon profitieren, dann ist das eine Umverteilung von Werten, die vielen Menschen nicht bewusst ist."
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Ganz abgesehen von den möglichen Szenarien, dass diese Daten in die Hände von Unbefugten fallen - und genutzt werden. "Energiesysteme sind kritische Infrastruktur", sagt Zimmermann. "Sie sind sowohl anfällig für terroristische Anschläge, als auch für wirtschaftlich motivierte Angriffe durch andere Staaten. Cyber Security ist äußerst wichtig."
Künstliche Intelligenz ist eine der am schnellsten wachsenden Sektoren der High-Tech-Industrie. Ob sie unserem Planeten letztendlich nützt oder schadet, hängt nicht davon ab, ob wir intelligente Maschinen einsetzen, sondern davon, was wir sie für uns tun lassen.