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Künstler verklagt chinesisches Ministerium

3. März 2010

Nach Ansicht des chinesischen Künstlers Ai Weiwei hat die Regierung in Peking wichtige Informationen zum Beben in Sichuan zurückgehalten. Deshalb reichte er nun vor einem Gericht Klage ein.

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Porträt des Künstlers Ai Weiwei (Foto: dpa)
Künstler Ai Weiwei kämpft für das Recht der ErdbebenopferBild: dpa

Ai Weiwei hat die Regierung in Peking wegen mutmaßlicher Verletzung ihrer Auskunftspflicht nach dem Erdbeben von Sichuan im Mai 2008 verklagt. Wie die staatliche Zeitung "Global Times" am Mittwoch (03.03.2010) berichtete, reichte er die Klage gegen das Ministerium für Bürgerangelegenheiten in dieser Woche ein.

Sein Vorwurf: Die Behörde hält Informationen zum Umgang mit dem Erdbeben zurück. Diese hatte ihm, seinen Angaben zufolge, nicht innerhalb von 15 Arbeitstagen auf eine Anfrage zu den Vorgängen geantwortet. In China sei diese Frist jedoch gesetzlich vorgeschrieben. Die Regelung war am 1. Mai 2008, zwei Wochen vor dem Erdbeben, in Kraft getreten. Nach Angaben der "Global Times" verlangte der Künstler im November 2009 eine detaillierte Aufstellung über den Einsatz von Hilfsgütern und Spendengeldern. Außerdem beantragte er Einsicht in den Ermittlungsbericht der Regierung.

88.000 Menschen kamen bei dem Beben in Sichuan ums Leben. Etwa fünf Millionen Menschen hatten bei der Naturkatastrophe ihr Dach über dem Kopf verloren. Die Fernsehbilder gingen um den Globus und lösten eine Welle der Hilfsbereitschaft aus. Der Künstler leitete damals eine Gruppe Freiwilliger, die den Einsturz dutzender Schulen untersuchte. Der in China oft zensierte Ai recherchierte gemeinsam mit dem Bürgerrechtler Tan Zuoren und thematisierte das Erdbeben in Sichuan öffentlich - unter anderem in einer großen Ausstellung in München. Tan Zuoren wurde inzwischen in China zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.

Schläge von der Polizei

Blick auf ein zerstörtes Gebäude in Sichuan (Foto: Ruth Kirchner)
Das Erdbeben in Sichuan 2008 kostete 88.000 Menschen das LebenBild: Ruth Kirchner

Ai Weiwei reiste zu dem Prozess gegen Tan Zuoren nach Chengdu, wurde aber von Polizisten an der Teilnahme gehindert. Ein Polizist schlug dem Künstler damals auf den Kopf. Er musste kurz danach wegen einer lebensgefährlichen Gehirnblutung in München operiert werden. "Dieser Fall enthüllt, dass Diktatur und Autokratie unter den Bedingungen der Führung der Kommunistischen Partei eine tödliche Krankheit sind. Eine solche Gesellschaft wird keine Fortschritte machen", sagte der Künstler im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. "Auch wenn sich China wirtschaftlich entwickelt, steckt es in Sachen Menschenrechte und Redefreiheit in einer primitiven Entwicklungsphase."

Der Künstler, der auch das Olympiastadion in Peking mitentworfen hatte, wird in den kommenden Tagen in Deutschland erwartet. Am 11. März wird Ai Weiwei beim Kölner Literaturfest Lit.cologne mit der Nobelpreisträgerin Herta Müller debattieren. Zudem sind Werke des Künstlers noch bis zum 22. August im Frankfurter Museum für Moderne Kunst (MMK) in der Ausstellung "Radical Conceptual" zu sehen.

Autor: Marcus Bölz (epd, afp, dpa)
Redaktion: Annamaria Sigrist