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Literatur

Zum Tod von Justus Rosenberg

Sabine Oelze mit dpa
19. November 2021

Er rettete im französischen Widerstand Hannah Arendt, Max Ernst und Golo Mann vor den Nazis. Jetzt ist Justus Rosenberg im Alter von 100 Jahren gestorben.

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Justus Rosenberg
Justus RosenbergBild: Kena Betancur/AFP

Seine Lebensgeschichte ist so einzigartig, dass sie nicht in Vergessenheit geraten darf. Justus Rosenberg hat sein 100-jähriges Leben dazu genutzt, um viele Menschen, darunter Geistesgrößen des 20. Jahrhunderts, vor dem Holocaust zu retten.

Geboren wurde Rosenberg am 23. Januar 1921 als Sohn eines jüdischen Kaufmanns in Danzig. Dort besuchte er die Schule, die er aber aufgrund des erstarkenden Antisemitismus schon 1937 verließ, um mit einem Studentenvisum nach Frankreich zu fliehen. Es war sein Glück, bereits so früh seine Geburtsstadt verlassen zu haben, denn in Polen wurden zwischen 1939 und 1945 knapp drei Millionen Juden, fast 90 Prozent aller polnischen Juden, ermordet. Über Bekannte lernte Rosenberg in Südfrankreich den US-Journalisten Varian Fry (1907-1967) kennen, der ihn sofort als Helfer beim Aufbau seines Rettungsnetzwerks einstellte, mit dem er Hunderte Menschen die Flucht vor den Nationalsozialisten ermöglichen wollte.

Holocaust-Gedenken in Berlin

Rosenberg kämpfte in der Résistance 

Darunter waren beispielsweise die Philosophin Hannah Arendt, die Künstler Marc Chagall und Max Ernst oder auch die Schriftsteller Heinrich und Golo Mann. Im Team wurde Rosenberg bald "Gussie" genannt. Der unauffällig aussehende junge Mann, der perfekt Französisch, Deutsch und Englisch sprach, lebte mit Fry und den anderen in einem Haus, wurde zum Kurier, überbrachte teils gefälschte Dokumente und half berühmten Menschen wie Heinrich Mann und Franz Werfel persönlich über die Pyrenäen nach Spanien. Den damals schon rund 60 Jahre alten Schriftsteller Werfel trugen Rosenberg und Werfels Frau Alma Mahler-Werfel zusammen über die Berge, jeder einen Arm über der Schulter. "Mir war schon damals bewusst, dass da etwas Historisches passiert. Aber es war auch einfach ein großes Abenteuer für mich", sagte Rosenberg einmal der Deutschen Presse-Agentur. Nachdem Fry aufflog, schlug sich Rosenberg alleine durch. Nach Kriegsende gelang es ihm, 1946 in die USA zu emigrieren. 

Vom Fluchthelfer zum US-Literaturprofessor

In Kalifornien angekommen, nahm er sein Literaturstudium wieder auf und promovierte über den französischen Lyriker Paul Verlaine. Nach diversen Universitätsstellen wurde er ab 1962 Professor für Literaturwissenschaften am renommierten Bard College im US-Bundesstaat New York. Über sein Leben und seine Zeit an der Seite von Varian Fry veröffentlichte Rosenberg noch im vergangenen Jahr ein Buch, im Alter von 99 Jahren.

In einem Nachruf zum Tod von Justus Rosenberg schreibt Direktor Leon Botstein auf der Homepage des Bard College: "Justus war einer der letzten Zeitzeugen des Holocaust. Als Mitglied der französischen Résistance war er auch ein Held im Kampf gegen den Faschismus. Sein Tod nach einem langen und produktiven Leben ist ein Aufruf, seinen langen Dienst - seine Beiträge als Lehrer und Schriftsteller - zu würdigen, indem wir uns entschließen, uns mehr denn je an die historischen Ereignisse zu erinnern, an denen er beteiligt war, und an den Mut und das Engagement für Freiheit, Toleranz, Gerechtigkeit, Lernen und die Achtung vor allem menschlichen Leben, das er gezeigt hat."

Wie die New York Times am Donnerstag unter Berufung auf seine Ehefrau Karin berichtete, starb Rosenberg bereits am 30. Oktober im Alter von 100 Jahren.

Autorin Sabine Oelze
Sabine Oelze Redakteurin und Autorin in der Kulturredaktion