Kurdische Minister zurückgetreten
22. September 2015Europaminister Ali Haydar Konca und Entwicklungsminister Müslüm Dogan wollten die Luftangriffe der türkischen Armee in den überwiegend von Kurden bewohnten Gebieten im Südosten des Landes nicht mehr länger mittragen. Dies sagte Konac zur Begründung der Rücktritte in einer kurzen Erklärung vor der Presse. Sie beide hätten versucht, ihre Aufgabe als Minister zu erfüllen, seien jedoch gescheitert. So habe man den AKP-Innenminister Selami Altinok mehrmals gebeten, die Ausgangssperre im umkämpften Cizre aufzuheben. Die Forderung sei jedoch ignoriert worden.
"Die Türkei in ein Blutbad getaucht"
In Cizre hatte die Regierung nach wiederholten Zusammenstößen mit der PKK am 4. September eine Ausgangssperre verhängt. Sie blieb trotz internationaler Kritik über neun Tage in Kraft. Sicherheitskräfte riegelten Cizre in dieser Zeit von der Außenwelt ab. Das Innenministerium spricht von 30 bis 32 PKK-Kämpfern, die bei den Gefechten in Cizre während der Ausgangssperre getötet wurden. Die HDP macht die Regierung dagegen für den Tod von 23 Zivilisten in Cizre verantwortlich.
"Die Türkei wurde in ein Blutbad getaucht, in dem Polizisten, Soldaten, Rebellen, Frauen, Kinder und Alte ihr Leben verloren haben", sagte Konca. Die AKP-Partei von Präsident Recep Tayyip Erdogan betreibe eine "Logik des Krieges" und eines "Staatsstreichs", sagte Konca.
Tägliche Gewalt in den Kurdengebieten
Seit dem Ende des mehr als zweijährigen Waffenstillstands zwischen der PKK und der türkischen Armee im Juni gibt es dort fast täglich Gewalt. Die türkische Luftwaffe bombardiert immer wieder Stellungen der PKK, auch im bergigen Nordirak. Die PKK wiederum verübt tödliche Anschläge auf Sicherheitskräfte.
Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu nahm das Rücktrittsgesuch von Konca und Dogan an und entließ die beiden Mitglieder der pro-kurdischen Partei HDP aus ihren Ämtern in der Übergangsregierung. Beide gehörten dieser seit Ende August an und waren die ersten Mitglieder einer pro-kurdischen Partei, die jemals einen Posten in einer türkischen Regierung bekleideten.
Hat Erdogan die Neuwahlen provoziert?
Bei den Parlamentswahlen im Juni hatte die bis dahin allein regierende islamisch-konservative AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan ihre absolute Mehrheit verloren. Weil Koalitionsgespräche mit anderern Parteien scheiterten, stehen in der Türkei am 1. November Neuwahlen an. Bis dahin führt die Übergangsregierung die Amtsgeschäfte.
Kritiker werfen Erdogan vor, die Verhandlungen bewusst negativ beeinflusst zu haben und den Konflikt mit der PKK anzuheizen, um Neuwahlen herbeizuführen, aus denen seine AKP wieder als stärkste Kraft hervorgeht.
Türkischer Wahlkampf auch in Deutschland
Vor der Parlamentsneuwahl wollen viele türkische Spitzenpolitiker auch in Deutschland erneut auf Wahlkampftournee gehen. Unter ihnen sind neben Regierungschef Davutoglu auch Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu von der Partei CHP und Kurdenpartei-Chef Selahattin Demirtas.
Auch Präsident Recep Tayyip Erdogan, der von Amts wegen zur parteipolitischen Neutralität verpflichtet ist, dennoch aber für die Regierungspartei AKP wirbt, wird vor der Wahl mit türkischen Wählern in Westeuropa zusammenkommen. Die Türken im Ausland können vom 8. bis zum 25. Oktober ihre Stimmen für die Neuwahl des Parlaments am 1. November abgeben. Rund die Hälfte der 2,8 Millionen türkischen Auslandswähler lebt in Deutschland.
cw/mak (dpa, afpf)