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Kunstkrimi mit Happy End: Bremen bekam wertvolle Zeichnungen zurück

26. September 2001

Die Bremer Kunsthalle macht immer wieder Schlagzeilen, wenn es um die Frage der Rückgabe von so genannter Beutekunst geht.

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Im letzten Jahr konnten 101 Zeichnungen und Druckgrafiken aus Russland zurückgeholt werden. Ein weiteres Kapitel wurde jetzt in New York beendet: Die Bremer Eigentümer bekamen zwölf Kunstwerke im Wert von 35 Millionen Mark zurück.

In der Obersten Zollbehörde in New York hat der Finanzminister der USA, Paul O'Neill, am 19. Juli zwölf wertvolle Zeichnungen an Vertreter der Kunsthalle Bremen übergeben. Die Zeichnungen gehören zu den mehr als 1.500 Kunstwerken, die 1943 aus Sicherheitsgründen im Schloss Karnzow in der Mark Brandenburg ausgelagert wurden, bei Kriegsende in die Hände sowjetischer Soldaten und der Zivilbevölkerung gerieten und seitdem als verschollen galten.

Dieser Rückgabe ging ein wahrer Kunstkrimi voraus. Erste Nachrichten über die Zeichnungen erhielt der Bremer Kunstverein als Träger der Bremer Kunsthalle bereits vor acht Jahren. Vertreter der deutschen Botschaft in Aserbaidschan waren in einer Ausstellung im Nationalmuseum von Baku Zeichnungen aufgefallen, die in der Beutekunst-Liste der Bremer Kunsthalle vermerkt sind. Diese Liste hatten die Bremer 1991 in alle Welt verschickt, um die Suche nach verschollenen Kunstgütern zu erleichtern. Wenig später meldete sich das Auktionshaus Sotheby's in New York, dem die inzwischen aus dem Museum gestohlenen Zeichnungen angeboten wurden. Der Versuch, den russischen Anbieter mitsamt den Zeichnungen mit Hilfe des FBI festzunehmen, misslang damals.

Im Frühsommer 1997 kam über die deutsche Botschaft in Tokyo ein Kontakt zu einem Japaner zu Stande, der diese Zeichnungen zusammen mit einem russischen Partner verkaufen wollte. Nach einem Besuch in Bremen im Juli 1997 hatte der Anbieter zwar seine erste Preisvorstellung von 12 Mio US-Dollar bereits auf die Hälfte reduziert, wollte sich jedoch nicht mit dem für gestohlenes Kunstgut üblichen Finderlohn begnügen. Da der Kunstverein vor allen weiteren Verhandlungen auf einer Besichtigung der Originale bestand, kam im September 1997 ein Treffen des Japaners mit Vertretern des Kunstvereins in New York zustande. Zuvor hatte der Kunstverein einen Anwalt in Washington und die Zollfahndung in New York über diesen Fall informiert.

Vermutet wurde, dass die Kunstwerke illegal ohne Papiere in die USA eingeführt wurden. In New York fanden daraufhin Gespräche zwischen der Zollfahndung, der Staatsanwaltschaft und Vertretern des Kunstvereins über die Herkunft der Blätter, über die Strategie einer geplanten Beschlagnahmung und Verhaftung des Anbieters statt. Nach zwei misslungenen Versuchen konnten schließlich sechs der Zeichnungen im Hotel des Japaners beschlagnahmt werden. Wenig später wurden die restlichen sechs Zeichnungen durch Mittelsmänner des russischen Partners bei der Zollbehörde abgeliefert. Einige Wochen danach konnte auch die Partnerin des Japaners, eine Staatsanwältin aus Baku, bei der Einreise in die USA verhaftet werden.

Es folgten Recherchen und Verhandlungen. Es kam zum ersten Strafprozess um in Kriegen verschollenes und gestohlenes Kunstgut in den USA. Nach dreieinhalbjährigen Verhandlungen ging die Angelegenheit für die Bremer Kunsthalle positiv aus: Die Rückführung der Zeichnungen wurde abgesegnet.

Die zwölf Zeichnungen stammen aus der Zeit vom späten 15. Jahrhundert bis ins 19. Jahrhundert. Es sind Werke von deutschen, italienischen, niederländischen und französischen Künstlern. Das wichtigste Werk ist Albrecht Dürers Federzeichnung "Das Frauenbad", datiert auf das Jahr 1496. Die Zeichnung der sechs nackten Frauen und zwei Kinder markiert den Schritt Dürers aus der kirchlich gebundenen in die freie und persönliche Darstellung des Menschen der Neuzeit. Das Auktionshaus Sotheby's hat den Wert des Zeichnung auf 23 Millionen Mark geschätzt.

"Die Übergabe dieser Werke ist für uns so anrührend wie die Heimkehr des verlorenen Sohnes", sagte der Leiter der Bremer Kunsthalle, Wulf Herzogenrath, der dpa. Für Deutschland sei der Wert dieser Bilder unermesslich und nicht in nackten Zahlen auszudrücken.

Die Zeichnungen werden vom 25. Juli an im Rahmen einer Willkommens-Ausstellung in Bremen gezeigt. Zuvor können New Yorker Kunstfreunde sie bei Sotheby's bewundern.