Kunst und Utopie im Land der Sowjets
Wer bei Russischer Avantgarde lediglich an Kandisky oder Malewitsch denkt, könnte in der neuen Ausstellung im Pariser Grand Palais noch einiges lernen. Diese versammelt mehr als 400 Werke der 1920er und 1930er Jahre.
Kusma Petrow-Wodkin: "Fantasie" (1925)
Von der Oktoberrevolution 1917 bis zum Tode Stalins im Jahr 1953 - dieser Zeitspanne widmet sich die Schau "Rot. Kunst und Utopie im Land der Sowjets" im Grand Palais. Sie verdeutlicht den Wandel von einer freien und diversen Kunst unter den Bolschewiki hin zu einer vom Staat instrumentalisierten unter Stalin. Dieses avantgardistische Werk von Petrow-Wodkin besticht durch seinen Rot-Blau-Kontrast.
Isaak Brodski: "Am Sarg des Führers" (1925)
Dasselbe Jahr, aber ein gänzlich anderes Thema: Die Szene zeigt den Abschied vom Bolschewiki-Führer Lenin im Kolonnensaal der Gewerkschaften. Brodskis Arbeit verdeutlicht das breite Spektrum an Stilrichtungen und Themen in der Kunst während der gesamten 1920er Jahre, in denen weder ein ästhetisches Dogma noch ein Zwang zur Propaganda vorherrschte...
Alexander Samochwalow: "Der mobilisierte Komsomol" (1932)
Mit der Machtergreifung Josef Stalins 1927 änderten sich die Ansprüche an die Kunst: Sie sollte fortan nicht mehr abstrakt oder konstruktivistisch sein, sondern die ideale sozialistische Gesellschaft darstellen. Die Bandbreite des Gezeigten reicht während der 1930er Jahre vom Arbeiter über den Soldaten und die jugendlichen Komsomolzen (Bild) bis hin zum Anführer selbst, Josef Stalin.
"UdSSR im Bau" (1935)
Alexander Rodtschenko und Warwara Stepanowa bildeten Stalin mit dieser Grafik für das großformatige Magazin "UdSSR im Bau" ab. Es ist Rodtschenkos Art, mit den veränderten politischen Verhältnissen umzugehen, nachdem er während der 1920er Jahre vor allem avantgardistische Werke geschaffen hatte. Auffallend bei ihm: außergewöhnliche Perspektiven, wie auch bei dieser Arbeit.
Alexander Deineka: "Lenins Ausflug mit Kindern" (1938)
Die Veränderungen in Deinekas Kunst von den 1920er bis zu den 1940er Jahren sind eklatant. Seine Arbeiten reichen von konstruktivistischen bis zu vom amerikanischen Realismus beeinflussten Arbeiten während der Stalin-Ära. Nur die Themen sind gleich geblieben: Sie bewegen sich zwischen proletarischer Arbeit, heroischem Kriegsgeschehen und idealisiertem Körperkult.
Alexander Deineka: "Völlige Freiheit" (1944)
Mit der idealisierten Darstellung gesunder und athletischer Körper in der Kunst wurde der sozialistischen Utopie eines neuen Menschen entsprochen. Arbeiter, Soldaten, Bauern, Sportler - sie alle waren für die kommunistische Führung Helden der proletarischen Masse. Deineka setzte sie vielfach in Szene, weshalb er als einer der Hauptvertreter des Sozialistischen Realismus in der Sowjetunion gilt.