Sanader droht mit Aussagen
19. Juli 2011"Wenn ich eine kriminelle Vereinigung anführen soll, Mafiaboss bin, dann weiß ich nicht, warum sie mir zehn Jahre gefolgt sind." Mit diesen Worten reagierte Kroatiens Ex-Premier Ivo Sanader verständnislos auf die Behauptungen seiner ehemaligen Parteifreunde, die sich nun von ihm distanzieren. Sie wollen von den korrupten Machenschaften des ehemaligen Vorsitzenden der konservativen Regierungspartei HDZ nichts gewusst haben. Dies wiederholten gebetsmühlenartig sowohl seine Nachfolgerin, Premierministerin Jadranka Kosor, als auch die Parteispitze in den sieben Monaten seit seiner Festnahme in Österreich.
Korruption in großem Stil
Sanader soll in mehrere Korruptionsfälle verwickelt sein. Ihm wird Amtsmissbrauch und Beteiligung an kriminellen Machenschaften vorgeworfen. Der Ex-Premier wird beschuldigt, Gelder aus staatlichen Unternehmen, Agenturen und Ministerien über eine Marketingagentur für sich abgezweigt zu haben. Auch soll er Bestechungsgelder von der in Südosteuropa tätigen österreichischen Hypo Alpe Adria Bank angenommen haben für einen Kredit, den die kroatische Regierung bei dieser Bank aufgenommen hatte. Ferner soll er auch von dem ungarischen Energiekonzern MOL bestochen worden sein, damit MOL beim kroatischen Erdöl- und Erdgaskonzern INA die Leitung übernehmen konnte, ohne die Aktienmehrheit zu haben.
Ivo Sanader wurde am Montagabend (18.07.2011) von Salzburg nach Zagreb überstellt worden. Seit Dezember 2010 war er dort inhaftiert. Damit hat Österreich dem Auslieferungsantrag von Kroatien entsprochen, der gleich nach seiner Verhaftung im Dezember 2010 gestellt worden war. Sanader wurde Anfang Dezember die Immunität vom kroatischen Parlament entzogen, die kroatischen Behörden stellten einen internationalen Haftbefehl aus. Daraufhin floh er außer Landes, wurde allerdings einen Tag später bereits von der österreichischen Polizei festgenommen.
Lücken im System
Seinen Aussagen zufolge will er seine ehemaligen Parteifreunde mit in die Verantwortung nehmen. "Wir alle saßen und entschieden zusammen in der HDZ und in der Regierung, und die Regierung war kein Kindergarten", so Sanader. Analysten vermuten, dass sich die regierende HDZ weiterhin von ihrem ehemaligen Vorsitzenden distanzieren wird. Allein schon, um die Position der Partei und der Regierungschefin Jadranka Kosor in der kroatischen Öffentlichkeit vor dem Hintergrund der diesjährigen Parlamentswahlen nicht zu schwächen. Nach Meinung der Experten wird es der Parteispitze und Kosor allerdings kaum gelingen, das Image der Unwissenden und Unbeteiligten aufrecht zu erhalten. Nach Einschätzung des Analysten Andjelko Milardovic ist Sanader eine tickende Zeitbombe und ein zweischneidiges Schwert für seine ehemalige Partei. Denn Milardovic zufolge musste Sanader keine Parallelstrukturen schaffen, um sich persönlich zu bereichern oder aber die Partei zu finanzieren. Er habe nur die Lücken der bestehenden Gesetzgebung genutzt und so Gelder abgezweigt. Diese Lücken müssten geschlossen werden - sei es von der aktuellen oder einer anderen Regierung.
Regierungspartei in der Bredouille
Ob sich der Fall Sanader negativ auf die HDZ auswirkt und ihre Wählerschaft schwindet, ist nach Ansicht des Journalisten Neven Santic schwer einzuschätzen. Die kroatischen Wahlberechtigten hätten bereits mehrfach gezeigt, dass sie nicht unbedingt rational stimmten, meint Santic. Der Analyst Davor Gjenero meint dagegen, die HDZ habe bereits an Popularität eingebüßt, als die Affären ans Licht gekommen seien. Dies gehe auch aus den jüngsten Meinungsumfragen hervor.
Premierministerin Jadranka Kosor bekam für ihr rigoroses Durchgreifen gegen die Korruption in Kroatien mehrfach Lob aus Brüssel. Dies war allerdings auch eine der Bedingungen, die die EU Zagreb für den EU-Kandidatenstatus stellte. Durch die weitgehende Reform der Justiz in dem Adrialand ist nach Einschätzung der EU auch ein fairer Prozess gegen Sanader gewährleistet. Vesna Pusic, Vorsitzende des Nationalrats für die EU-Beitrittsverhandlungen, sagte, "in einem so prominenten Fall, der sowohl im In- als auch im Ausland verfolgt wird, ist es wichtig, dass alles gründlich und im Einklang mit den gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren verläuft."
Entgegen der Befürchtung Sanaders, die er noch in österreichischer Haft äußerte, dass ihm in Kroatien kein fairer Prozess gemacht würde, versicherte auch Kroatiens Präsident Ivo Josipovic, "der Rechtsstaat macht seine Arbeit." Er erwarte, dass der Prozess gegen Sanader schnell, gesetzestreu und gerecht geführt werde. "Die Politik darf sich nicht in dieses Verfahren einmischen", sagte Josipovic in einer ersten Stellungnahme.
Autoren: Gordana Simonovic / Mirjana Dikic
Redaktion: Robert Schwartz / tko