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Kroatien: Parlamentsdebatte über neues Minderheitenrecht

1. August 2002

– Minderheitenvertreter betrachten Teile des Gesetzesentwurfs als Rückschritt

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Köln, 31.7.2002, DW-radio/Kroatisch

Kroatiens Vize-Premier Goran Granic hat auf einer außerordentlichen Parlamentssitzung einen Entwurf des neuen Verfassungsgesetzes über Minderheitenrechte vorgestellt. Er erklärte dabei, "durch das Verfassungsgesetz möchten wir den Standard aller nationalen Minderheiten auf dem gesamten Territorium Kroatiens heben und zur Entwicklung von Multikulturalität und Toleranz beitragen".

Wie bereits aus den heftigen Diskussionen der Vertreter der nationalen Minderheiten vor der Parlamentsdebatte hervorging, erachten sie die Aufhebung der positiven Diskriminierung als umstrittensten Teil des Gesetzes. Das heißt, es entfällt die Möglichkeit, dass Angehörige nationaler Minderheiten sowohl ihre nationalen als auch ihre politischen Vertreter wählen können. Granic sagte, es sei eine Tatsache, dass die nationalen Abgeordneten mit viel weniger Stimmen ins Parlament gewählt würden, was bereits eine positive Diskriminierung und einen Kompromiss zwischen der Forderung der nationalen Minderheiten nach zwei Stimmen und dem Vorschlag der Regierungskoalition darstelle, nach dem Minderheitenvertreter über die Parteilisten gewählt werden sollten. Vertreter nationaler Minderheiten halten dies jedoch für einen Rückschritt beim Minderheitenschutz. Dazu Furio Radin, Vertreter der italienischen Gemeinschaft: "Dies steht im Widerspruch zu den bislang errungenen Rechten und zu den bilateralen Abkommen mit Italien und Ungarn. Es widerspricht zudem dem Verfassungsrecht über Menschenrechte, das auch heute noch gilt. Denn dort heißt es, dass zwischen fünf und sieben Vertreter gewählt werden sollen".

Nach Auffassung von Vize-Premier Granic, gehöre die Wahl der Minderheitenvertreter ins Parlament bereits zu einer guten kroatischen Tradition. Daher setze sich die Regierung dafür ein, sie fortzusetzen. Allerdings verwies er ausdrücklich darauf, dass es keinerlei Verpflichtung dazu gebe, diese Tradition auch künftig zu achten. Davon sei auch die Verfassung der Republik Kroatien nicht ausgenommen. "Laut Verfassung heißt es, wir können so verfahren, müssen aber nicht. Das heißt, dafür muss der politische Wille bestehen. Dafür setzte ich mich ein. Und selbstverständlich auch für die Einhaltung der internationalen Abkommen".

Drei Parlamentsausschüsse setzten sich dafür ein, dass sämtliche nationalen Minderheiten im Verfassungsgesetz über Minderheitenrechte aufgeführt werden. (In Kroatien leben Angehörige der albanischen, bosniakischen, bulgarischen, deutschen, italienischen, jüdischen, mazedonischen, montenegrinischen, österreichischen, polnischen, der Roma-, rumänischen, russischen, slowakischen, serbischen, tschechischen, türkischen, ukrainischen, ungarischen und der wlachischen nationalen Minderheit – MD). Bis zur zweiten Lesung soll entschieden werden, ob es für die Anwendung einer Minderheitensprache als Amtssprache notwendig ist, dass ein Drittel oder ein Viertel der Gesamtbevölkerung einer Gemeinde oder einer Stadt Minderheitenangehörige sind. (md)