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Kroatien beginnt mit zwei parallelen Prozessen

11. Oktober 2004

- Ministerpräsident Ivo Sanader beim Bonner Presseclub

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Bonn, 11.10.2004, DW-RADIO / Kroatisch, Tatjana Mautner

Der kroatische Ministerpräsident Ivo Sanader hat am Freitag (8.10.) auf Einladung des Bonner Presseclubs einen Vortrag über die derzeitige Lage in Kroatien und die EU-Kandidatur seines Landes gehalten und auf zahlreiche Fragen der deutschen Journalisten geantwortet. Auch die kroatische Redaktion der Deutschen Welle hat diesen Termin wahrgenommen. Ein Bericht von Tatjana Mautner:

Kroatien und seine außenpolitischen Ziele, aber auch die wirtschaftliche Situation des Landes stellten die Themen, die Ivo Sanader den Journalisten nahe brachte - ohne Übersetzer, in fließendem Deutsch. Er legte dar, wie Kroatien jetzt mit zwei parallelen Prozessen beginne: die Verhandlungen mit der EU über die volle Mitgliedschaft sind der erste. "Der zweite parallele Prozess ist, dass wir hier in der Region in Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft den Nachbarländern Hilfe anbieten. Wir kennen die Geschichte, die Mentalität, für den Balkan können wir auch das Eingangstor für Investitionen sein - wir können also viel Wissen anbieten. Es ist in unserem Interesse, dass in diesen Teil Europas politische Stabilität zurückkehrt; das umfasst Kosovo, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, aber auch die Frage Serbien-Montenegro, wie es dort weitergehen wird. Nur eines werden

wir nicht tun, nämlich dass wir als Solotänzer auftreten. Wir sind jetzt Teil der europäischen Gemeinschaft und gemeinsam mit Europa wollen wir helfen. Nicht weniger und nicht mehr", so der kroatische Regierungschef. Er fügte hinzu, dass Europa nicht wirklich vereinigt sei, solange auf seiner Karte noch weiße Flecken vorhanden seien: die Länder, die nach dem Beitritt Bulgariens und Rumäniens von der EU eingekreist seien.

Sanader wiederholte noch einmal die wohlbekannten Hauptaufgaben der kroatischen Politik - Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal, Flüchtlingsrückkehr sowie die Reform der Gerichtsbarkeit und unterstrich, dass es auf allen Gebieten Fortschritte gegeben habe: "Kroatien arbeitet, freilich nicht ohne öffentliche Debatten im Land, mit Den Haag zusammen. Wir sind der Meinung, dass, obwohl unser Krieg ein Verteidigungskrieg gewesen ist, Verbrechen individuell verfolgt werden müssen, denn von einer Kollektivschuld darf keine Rede sein." Zuversichtlich erklärte Sanader, er gehe davon aus, dass Kroatien bis 2007 die Verhandlungen mit der EU abgeschlossen haben werde. Die Regierung werde alles tun, innerhalb dieser Frist alle Verpflichtungen aus den 31 Verhandlungskapiteln zu erfüllen, wobei das Schwierigste wohl das der Landwirtschaft sein werde. Der Beitritt werde somit eine politische Entscheidung sein.

Zu den wichtigsten Projekten seiner Regierung - so Sanader - gehöre auch eine völlige Normalisierung der Beziehungen zu Belgrad. Er kündigte an, dass Zagreb Ende des Jahres für weitere sechs Monate die Visumpflicht für Serben und Bosnier außer Kraft setzen werde. Ziel sei eine vollständige Abschaffung. Allerdings fügte er hinzu: "Nur wenn die Europäische Union während der Verhandlungen von uns fordert, dass wir wegen unserem Kandidaten-Status das Visa-Regime wieder für Serbien-Montenegro und Bosnien-Herzegowina einführen, werden wir das tun. Das hat man jetzt von Bulgarien und Rumänien gefordert. Aber solange das nicht der Fall ist, werden wir das Visa-freie Regime mit Serbien-Montenegro und Bosnien-Herzegowina beibehalten und so die Kommunikation zwischen beiden Ländern ermöglichen."

Auf die Frage, wie er die Entwicklung der Situation im Kosovo einschätze, meinte der kroatische Ministerpräsident: "Ich glaube, dass die Lage in Serbien nicht stabil genug für irgendeine Entscheidung ist. Wenn Sie sich die Ergebnisse der Lokalwahlen vom (vorletzten - MD) Sonntag (3.10.) anschauen, gerade auch in der Vojvodina, wo man nie erwartet hätte, dass die Radikalen in diesem Umfang siegen würden. Ich glaube, dass sich momentan (der serbische - MD) Präsident Kostunica, die serbische Regierung in keiner leichten Situation befinden. Es war eine gute Nachricht, dass Boris Tadic Präsident Serbiens geworden ist, es war eine gute Nachricht, dass sich Anfang des Jahres eine pro-demokratische, pro-europäische Regierung formiert hat. Aber ich glaube, dass die Lage leider nicht stabil genug ist, um jetzt große Entscheidungen zu treffen, ob sie sich auf das Kosovo oder auf Montenegro beziehen. (Übersetzt von Bettina Burkart) (fp)