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Kroatien auf Liste von "Reporter ohne Grenzen" in Sachen Pressefreiheit relativ weit vorn

29. Oktober 2002

- Zagreber Politologe äußert Vorbehalte

https://p.dw.com/p/2mn1

Köln, 28.10.2002, DW-radio / Kroatisch

Die internationale Organisation Reporter ohne Grenzen hat dieser Tage einen Bericht über die Pressefreiheit in der Welt herausgegeben. In der Rangliste der 139 befragten Länder befindet sich Kroatien auf Platz 33. DW-Radio/Kroatisch führte dazu ein Gespräch mit dem Vize-Dekan der Zagreber Fakultät für politische Wissenschaften, Prof. Stjepan Malovic:

Frage:

Wie ist Ihre Einschätzung des Berichtes?

Antwort:

Das ist mehr als eine angenehme Überraschung, die leider medial in Kroatien nicht angemessen begleitet wird. Denn wir sind bisher daran gewöhnt, das wir vor allem negative oder paternalistische Einschätzungen durch die internationalen Institutionen erfahren und das ist das erste Mal, dass wir so hoch plaziert werden, dass wir auf irgendeine Art unter den Ländern geführt werden, in denen eine relativ große Pressefreiheit besteht. Sonst hatte die Organisation der Reporter ohne Grenzen uns in den früheren Untersuchungen irgendwo in der Mitte eingereiht. Nach ihren Einschätzungen besitzen zwei Milliarden Menschen auf der Welt große Pressefreiheit, zwei Milliarden eine teilweise Freiheit und zwei gar keine. Wir wurden damals in diese mittlere Gruppe gesteckt, so dass dies nun eine angenehme Überraschung ist.

Frage:

Kroatien liegt vor einigen Mitgliedern der EU, zum Beispiel Italien. Wie kommentieren Sie das?

Antwort:

Man muss für alles im Leben zahlen und so bezahlt man ein bisher so nicht erlebtes Medienmonopol und Berlusconi, der in einer Person sowohl ein führender Politiker, Ministerpräsident und einer der größten Medienmagnaten, Industriellen usw. ist. Und dieser Einfluss Berlusconis ist offensichtlich auch in die Einschätzung der Situation der Medien in Italien eingeflossen. Das ist ein sehr glaubwürdiger und guter Indikator für unsere Verhältnisse, nämlich was passieren könnte, wenn wir nicht achtsam sind und sorgsam unser neues in Vorbereitung befindliches Medien-Gesetz definieren, das in gewisser Weise genau die Beziehung zwischen Besitzern und Medien regeln sollte, damit bei uns nicht etwas ähnliches passieren kann.

Frage:

Entspricht der Bericht von Reporter ohne Grenzen tatsächlich dem Stand der Pressefreiheit in Kroatien, und in wieweit ist dies wichtig für die Annäherung Kroatiens an die EU?

Antwort:

Ich befürchte vor allem, dass dieser Bericht nicht vollständig dem tatsächlichen Zustand und unserem Verständnis von Pressefreiheit in Kroatien entspricht. Denn eines ist wirklich klar: seitdem am 3. Januar 2000 die neue Regierung gewählt wurde, gibt es nicht mehr eine solche gerichtliche Verfolgung von Journalisten, direkten Druck auf Journalisten. Die Pressefreiheit ist sichtbar größer geworden und das hat zu dieser guten Einschätzung geführt. Aber wir sind immer noch nicht zufrieden mit dem Ergebnis. Die Methoden haben sich verändert, es gibt keine sichtbare Manipulation, aber es gibt weiterhin Einflussnahme. Diese ist versteckter als früher. Und ich glaube, dass man aufgrund dieser Einschätzung nicht euphorisch werden sollte und vor allem nicht euphorisch in Bezug auf die europäische Integration. Denn es gibt bei uns im Land sehr wichtige internationale Institutionen, die tagtäglich aufpassen, was in den Medien vor sich geht und ich glaube, deren Einschätzungen sind nicht so optimistisch.

Frage:

Wie schätzen Sie die Tatsache ein, dass einige Medien, die sich als unabhängig vorstellen, zu häufig auffällig wohlwollend und unkritisch gegenüber bestimmten Politikern sind? Zum Beispiel die eine kroatische Wochenzeitung für Präsident Mesic, die andere für Ministerpräsident Racan?

Antwort:

Ich werde mich einer indirekten Antwort bedienen. Als Präsident Mesic vor einigen Wochen an der Fakultät für politische Wissenschaften eine Vorlesung hielt, habe ich ihn gefragt, wie er den Zustand der Medien einschätzt. Und er hat etwas ähnliches geantwortet, nämlich dass es immer noch nicht vollständig professionelle Standards gibt, an die sich die Journalisten halten sollten und dass die Journalisten - und hier paraphrasiere ich - hinter irgendwelchen neuen Herren herlaufen. Das ist ein Zustand der Medien, den Slavko Goldstein schon damals "ersten oder Gegen-Journalismus" oder "entweder unterstützend oder oppositionell" genannt hat und nicht einer, wie er sein sollte, nämlich ausgeglichen, unparteiisch, wahrheitsgemäß, ehrlich, richtig, so wie wir ihn den Studenten beibringen. (Interview: Anto Jankovic) (TS)