Kritik an Steinmeiers Glückwunsch-Telegramm wächst
26. Februar 2019Vor gut 14 Tagen sandte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Glückwunschtelegramm nach Teheran, über das jetzt so viel geredet wird. Der 11. Februar ist im Iran National-Feiertag, gleichzeitig wurde des 40. Jahrestages der Iranischen Revolution gedacht. Die deutsch-iranischen Beziehungen sind seit Jahren - wenn nicht freundschaftlich, so doch mindestens intensiv. Und so schrieb Steinmeier: "Zum Nationalfeiertag der Islamischen Republik Iran übermittle ich Ihnen, auch im Namen meiner Landsleute, meine herzlichen Glückwünsche." Gerichtet war das Schreiben an den iranischen Präsidenten Hassan Rohani, der gute Kontakte zum Westen befürwortet.
"Diese Höflichkeiten sollten wir uns sparen!"
Mit einigen Tagen Verzögerung hat das Schreiben des Bundespräsidenten in Deutschland eine heftige Debatte darüber ausgelöst, ob Steinmeier das durfte. Vergangene Woche verteidigte das Auswärtige Amt das Schreiben, das üblich sei im Umgang mit Staaten, zu denen Deutschland diplomatische Beziehungen unterhalte. Jetzt meldete sich auch der Generalsekretär der CDU, Paul Ziemiak, zu Wort. Er schrieb auf Twitter, wenn das Schreiben eine gängige diplomatische Gepflogenheit sei, müsste die halt überdacht werden. Und weiter: "Der Iran wird von Antisemitismus regiert und unterstützt den Terrorismus. Die Höflichkeiten sollten wir uns in Zukunft sparen!" Und Ziemiaks Äußerung zu dem Telegramm ist nur eine von vielen.
Kritik auch vom Zentralrat der Juden
Während Vertreter der SPD den Bundespräsidenten zumeist verteidigten, erntete Steinmeier Kritik vom Zentralrat der Juden in Deutschland. Deren Vorsitzender Josef Schuster sagte der Bildzeitung: "Beim Glückwunsch-Telegramm des Bundespräsidenten zum Jahrestag der Revolution im Iran scheint die Routine-Diplomatie das kritische Denken verdrängt zu haben. Es ist unverständlich, dass beim Thema Iran im Präsidialamt offenbar die nötige Sensibilität gefehlt hat." Nachdem diese Stellungnahme am Wochenanfang öffentlich wurde, telefonierte Steinmeier mit Schuster. Der zeigte sich danach besänftigt. Nach Angaben Schusters verteidigte Steinmeier in dem Gespräch zwar das Schreiben, rügte aber ausdrücklich die verheerende Menschenrechtslage im Iran und die Bedrohung der Region durch das Regime. "Dabei hat er auch ausdrücklich und zu Recht die Gefährdung Israels durch den Iran in den Blick genommen", sagte Schuster über das Gespräch mit dem Bundespräsidenten.
Steinmeier nimmt von sich aus nochmal Stellung
Steinmeier selbst nimmt die Kritik mittlerweile so ernst, dass er am Dienstag in einer Rede während einer Veranstaltung im Schloss Bellevue in Berlin noch einmal auf das Glückwunsch-Telegramm zu sprechen kam. Er sagte, gerade am Wochenende hätten ihm viele Menschen geschrieben, Deutschland müsse doch das Existenzrecht Israels verteidigen, und der Iran drohe Israel mit Zerstörung. Steinmeier sagte dazu: "Ich verstehe diese Frage. Ich verstehe sie sogar sehr gut. Sie hat mich im Fall des Iran buchstäblich über Jahrzehnte meines politischen Wirkens begleitet." Besonders habe ihn die Frage umgetrieben, was es bedeuten würde, wenn der Iran in den Besitz der Atombombe gelangen könnte. "Deshalb habe ich, mit vielen Partnern, jahrelang harte und hartnäckige Verhandlungen geführt, bis es uns 2015 gelungen ist, das Nuklear-Abkommen mit dem Iran abzuschließen." Noch als Außenminister hatte Steinmeier mit Großbritannien, Frankreich, den USA, Russland und China und natürlich dem Iran den Durchbruch erreicht. Kern der Vereinbarung: Aufhebung von Sanktionen durch den Westen und im Gegenzug Rückbau des Atomprogramms durch den Iran. Die Vereinbarung ist mittlerweile von den USA unter Präsident Donald Trump aufgekündigt worden.
Gängige Praxis seit 1980 - mit Pausen
Schon vor fast zwei Jahren hatte Steinmeier ein Schreiben an Irans Präsident Rohani gerichtet. Der hatte die Wahl im Mai 2017 gewonnen. Steinmeier erwähnte damals - anders als jetzt - in seinem Glückwunsch-Telegramm die Menschenrechtslage. Nach einer höflichen Einleitung schrieb der Bundespräsident damals: "Verbinden möchte ich dies mit der Hoffnung, dass Ihr Land sich an der friedlichen Beilegung der regionalen Konflikte konstruktiv und verantwortungsvoll beteiligt und seinen Verpflichtungen zur Achtung der Menschenrechte nachkommt. Ich hoffe, unsere gute Zusammenarbeit auch in Zukunft weiterzuführen und freue mich auf weitere persönliche Treffen." Die Praxis, dem umstrittenen Mullah-Regime zu gratulieren, ist aber keine Erfindung Steinmeiers. Vielmehr hatte sie der damalige Bundespräsident Karl Carstens 1980 begonnen. Während der Amtszeit von Mahmud Ahmadinedschad im Iran von 2005 bis 2013 unterblieben die Glückwünsche. Der fundamentalistische Präsident hatte damals mehrfach den Holocaust geleugnet. Da blieb kein Raum mehr für einen höflichen Gruß, auch nicht in Form einer diplomatischen Gepflogenheit.