Das deutsche Kino trotzt der Krise
11. Februar 2010"Bestimmte Filme gucken wir uns im Kino an", sagt ein Vater, der mit seiner Familie gerade nach Karten für die "Vorstadtkrokodile 2" ansteht. Denn manche Filme müsse man einfach im Kino sehen, wegen der Atmosphäre. Hinter ihm steht eine junge Frau für Karten für "Sherlock Holmes" an. Sie hat nicht allzu häufig Zeit für einen Kinobesuch. Aber, sagt sie, in der kleinen Stadt, aus der sie kommt, "da gehen die Leute noch sehr oft ins Kino". Kino sei immer noch sehr angesagt. Im vergangenen Jahr hat die Branche 976,1 Millionen Euro umgesetzt, das ist eines der besten Ergebnisse ihrer Geschichte.
Auf Rekordkurs
Rund 146 Millionen Besucher haben die deutschen Kinos im vergangenen Jahr gehabt, deutlich mehr als noch 2008. Ein Grund dafür sind, so Berlinale-Chef Dieter Kosslick, immer beliebter werdende, aufwändige 3D-Produktionen wie aktuell James Camerons Science-Fiction-Spektakel "Avatar".
Solche Filme könne man "nun wirklich nicht auf der Armbanduhr angucken". Als weiteren Grund für das gestiegene Interesse am Kinobesuch nennt Kosslick die Wirtschaftskrise. Statistisch ließe sich nachweisen, "wenn man die letzten 100 Jahre Kinogeschichte anschaut, dass die Leute in der Krise ins Kino gehen. Man bezeichnet das auch mit diesem Wort: Eskapismus".
Vielfältig und niveauvoll
Dabei überrascht das Kino gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise mit einem reichen und breit gefächerten Angebot. Sowie mit erstaunlich vielen Produktionen aus Deutschland. "Die Leute gehen auch gerne wieder in einen deutschen Film. Das heißt, das ist wieder eine Marke", sagt Christine Berg, die daran nicht ganz unschuldig ist. Schließlich ist sie Projektleiterin des Deutschen Filmförderfonds, den die Bundesregierung vor drei Jahren eingerichtet hat. Seitdem stehen jährlich 60 Millionen Euro als Produktionshilfe für deutsche Kinofilme und internationale Koproduktionen zur Verfügung. Profitiert haben davon allein im letzten Jahr 76 Spielfilme, 24 Dokumentationen und vier Animationsfilme.
Weil das Geld nun üppiger fließt, trauen sich Produzenten und Regisseure auch an ungewöhnliche Stoffe und nicht alltägliche Erzählformen heran, sagt Christine Berg. Sie probieren einfach mehr aus, und das mit sehr guten Schauspielern und modernster Filmtechnik. Auf diese Weise wird die Vielfalt des deutschen Kinos immer größer. Im Ausland hat man das längst registriert, das Ansehen des deutschen Films ist international deutlich gestiegen.
Preise und Gewinne
Jüngstes Beispiel: der Golden Globe für Christoph Waltz für seine Rolle in Quentin Tarantinos "Inglourious Basterds". Und natürlich der Preisregen auf Michael Hanekes "Das weiße Band": Goldene Palme in Cannes, Europäischer Filmpreis, Golden Globe als bester ausländischer Film und eine Oscar-Nominierung. Beide Filme sind auch schöne Publikumserfolge, werden in der deutschen Kinostatistik aber noch übertrumpft vom Familienfilm "Wickie und die starken Männer"( 4,9 Millionen Besucher), Til Schweigers Komödie "Zweiohrküken" und dem Historiendrama "Die Päpstin".
"Wir haben zum ersten Mal die Situation, dass deutsche Filme über 250 Millionen Kinokarten-Umsatz machen, das ist ein richtig guter Wert", freut sich Johannes Klingsporn, Geschäftsführer beim Verband der Filmverleiher – trotz – und das ist der Wermutstropfen in dieser Erfolgsgeschichte - des fortschreitenden Sterbens kleinerer unabhängiger Kinos. Denn insgesamt hat der Filmstandort Deutschland in den letzten Jahren deutlich gewonnen. Weitere positive Signale könnten nun von der Berlinale ausgehen. Mit "Jud Süß", "Der Räuber" und "Shahada" konkurrieren dort gleich drei deutsche Beiträge im Wettbewerb um die begehrten Bären.
Autorin: Silke Bartlick
Redaktion: Elena Singer