1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Krieg in der Ukraine: Börsen auf Talfahrt

24. Februar 2022

Der Angriff Russlands auf die Ukraine sorgt auch bei Anlegern für Unruhe. Weltweit reagieren die Finanzmärkte. Die Nachfrage nach Öl, Gold und sicheren Anlagen steigt und Russlands Zentralbank positioniert sich.

https://p.dw.com/p/47Van
Deutschland Symbolbild Aktienindex
Bild: Arne Dedert/dpa/picture alliance

Der russische Angriff auf die Ukraine löst einen Ausverkauf an den internationalen Börsen aus. "Die schlimmsten Befürchtungen sind wahr geworden", sagte Portfolio-Manager Thomas Altmann vom Vermögensberater QC Partners. "Es herrscht Krieg in Europa." Kurz nach dem Handelsstart brach der deutsche Leitindex DAX um 4,35 Prozent auf 13.995,06 Punkte ein. Auf etwa diesem Stand hatte sich das wichtigste deutsche Börsenbarometer zuletzt vor etwas mehr als einem Jahr gezeigt. Der MDax der mittelgroßen Werte büßte 2,68 Prozent auf 31 031,93 Punkte ein.

Europaweit eröffneten die Börsen ebenfalls mit starken Verlusten. Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 gab um 4,29 Prozent auf 3802,86 Punkte nach. 

In Asien rutschen die Börsen ebenfalls ab. In Tokio ging der Leitindex Nikkei 225 mit einem Minus von 1,81 Prozent bei 25.970,82 Punkten aus dem Handel. Der CSI-300-Index mit den 300 wichtigsten Unternehmen vom chinesischen Festland büßte 2,03 Prozent auf 4529,32 Punkte ein. Für den Hang-Seng-Index in der chinesischen Sonderverwaltungsregion Hongkong ging es zuletzt um 3,6 Prozent auf 22.802,23 Punkte nach unten. In Australien schloss der S&P/ASX 200 2,98 Prozent tiefer mit 6990,63 Punkten.

Schon am Mittwoch sackten wichtige Börsenbarometer in den USA ab. Seit Tagen sorgt die Eskalation in Ukraine für Nervosität an den Finanzmärkten.

Rally bei Rohöl

Der Ölpreis sprang erstmals seit siebeneinhalb Jahren über die psychologisch wichtige Marke von 100 Dollar. Die Sorte Brent aus der Nordsee verteuerte sich zeitweise um knapp sechs Prozent auf 102,48 Dollar je Barrel (159 Liter). "Russisches Öl wird über Nacht vom Weltmarkt verschwinden, wenn es zu neuen Sanktionen kommt", warnte Volkswirt Howie Lee von der Bank OCBC. "Die OPEC kann nicht ausreichend produzieren, um dieses Loch zu füllen."

Russland Symbolbild Öl Produktion 2013
Russland gehört zu den drei führenden erdölexportierenden Nationen, nach Marktführer USA und Saudi-Arabien. Bild: Sergei Karpukhin/REUTERS

Sichere Anlagen gefragt

Angesichts der Gefahr eines Krieges im Osten Europas flüchteten sich die Anleger in vermeintlich sichere Werte wie Gold, dessen Preis den höchsten Stand seit Beginn 2021 erreichte. Der Preis für die "Antikrisen-Währung" stieg um bis zu 2,2 Prozent auf ein 13-Monats-Hoch von 1948,77 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm). Analyst Jeffrey Halley vom Brokerhaus Oanda traut dem Edelmetall einen Sprung über das bisherige Rekordhoch von 2072,50 Dollar vom August 2020 zu.

Die Weltleitwährung war ebenfalls begehrt. Der Dollar-Index, der den Kurs zu wichtigen Währungen widerspiegelt, stieg um 0,4 Prozent. Der Schweizer Franken stieg gegenüber dem Euro auf ein Fünfjahreshoch.

Angesichts der militärischen Eskalation in der Ukraine steuerten Anleger den als sicher erachteten Hafen der Staatsanleihen an. So konnte der deutsche Anleihemarkt starke Gewinne verzeichnen. Am Donnerstagmorgen zog der richtungsweisende Terminkontrakt Euro-Bund-Future um etwa ein Prozent auf 167,64 Punkte an.

Russischer Aktienmarkt bricht ein

Die russischen Finanzmärkte waren bereits in den vergangenen Tagen infolge der Ukraine-Krise massiv eingebrochen. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine haben die Anleger sich weiter vom russischen Aktienmarkt zurückgezogen. Am Donnerstagmorgen war der Handel zunächst ausgesetzt worden und dann verspätet gestartet. Der RTS-Index brach in Folge um fast die Hälfte auf 612 Punkte ein. Binnen sechs Handelstagen summieren sich die Verluste nun auf rund 60 Prozent. Allein am Mittwoch verloren die Aktien des Energieriesen Gazprom gut ein Viertel ihres Werts. 

Zentralbank Russlands wappnet sich gegen Sanktionen

Die russische Zentralbank schaltet sich nach dem Kurssturz der Landeswährung Rubel auf ein Rekordtief infolge des Angriffs auf die Ukraine ein. Sie kündigte am Donnerstag Eingriffe am Devisenmarkt ein, um den Kurs zu stabilisieren. Der Rubel war zuvor auf ein Rekordtief von 89,60 zum Dollar abgestürzt, nachdem Präsident Wladimir Putin einen Angriff auf die Ukraine genehmigt hatte.

Die Maßnahmen der Zentralbank hätten zudem das Ziel, die russischen Banken angesichts weiterer Sanktionen des Westens mit zusätzlicher Liquidität in Höhe von einer Billion Rubel (etwa 11 Mrd Euro) zu versorgen, teilte die Zentralbank am Donnerstag mit. Außerdem werde die Liste von Sicherheiten, die von der Notenbank gegen Zentralbankgeld akzeptiert werden, erweitert. Die Zentralbank in Moskau versicherte, sie werde die Finanzstabilität des Landes und die Geschäfte der Finanzinstitutionen "mit allen nötigen Instrumenten" aufrecht erhalten. Sie habe "klare Aktionspläne für jedes Szenario".

Der Aktienkurs der Großbank Sberbank war zuvor um 28 Prozent eingebrochen. Die russische Bank ist eigenen Angaben zufolge nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine auf alle Entwicklungen vorbereitet. Alle ihre Systeme arbeiteten normal. "Wir sind auf jede Entwicklung der Situation vorbereitet und haben Szenarien  ausgearbeitet, um zu gewährleisten, dass die Gelder, Vermögenswerte und Interessen unserer Kunden geschützt sind und auch dass alles komplett funktionsfähig ist", erklärte die Sberbank am Donnerstag.

Digitalwährungen geben nach

Auch Digitalwährungen wie Bitcoin verzeichneten am Donnerstag deutliche Kursverluste. Am Morgen fiel der Kurs der ältesten und nach Marktwert größten Kryptowährung Bitcoin um rund acht Prozent auf unter 35.000 US-Dollar. Die nach Marktwert zweitgrößte Internetdevise Ether gab um zwölf Prozent auf rund 2300 Dollar nach. Andere Digitalwerte wie Cardano oder Dogecoin brachen noch stärker ein.

Kryptowährungen wie Bitcoin gelten unter Fachleuten als besonders riskante Anlagen, weshalb sie von der hohen Unsicherheit aufgrund des russischen Angriffs besonders betroffen sind. "Einmal mehr beweisen Kryptoassets, dass das Narrativ des vermeintlich sicheren Hafens ein Mythos ist", kommentierte Experte Timo Emden von Emden Research. Einige Kryptoanleger meinen, Digitalanlagen besäßen trotz hoher Kursschwankungen eine Schutzfunktion gegen besonders unsichere Zeiten, ähnlich wie Gold.

Hamstern für den Notfall: Industriemetalle gefragt

Der Preis für Aluminium ist mit dem russischen Angriff auf die Ukraine auf ein Rekordhoch gestiegen. An der Börse in London verteuerte sich eine Tonne am Donnerstagmorgen um 2,9 Prozent auf 3388 US-Dollar. Der Preis für das Metall übertraf damit das bisherige Hoch, das in der Wirtschaftskrise 2008 erreicht worden war. Der starke Preisanstieg bei Aluminium könnte die Inflationsentwicklung weiter verstärken, da Aluminium in vielen Produkten enthalten ist.

Russland ist einer der weltgrößten Anbieter von Aluminium. Experten fürchten, dass Sanktionen russische Gegenreaktionen auslösen könnten und schließen sogar einen Stopp der Gaslieferungen aus Russland nicht aus. Erdgas ist für die Aluminium-Produktion wichtig. Ein Anstieg der Gaspreise dürfte die europäischen Aluminium-Produzenten unter Druck setzen.

Auch der Preis von Nickel, das zur Stahlproduktion benötigt wird, steigt um 3,2 Prozent auf ein 10-1/2-Jahres-Hoch von 25.170 Dollar. Börsianern zufolge wird sich der Angebotsengpass bei diesen Metallen noch verschärfen, wenn russische Exporte wegen westlicher Sanktionen gegen Russland vom Weltmarkt verschwänden.

iw/hb (rtrs, dpa, afp)