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KlimaGlobal

Krank durch Klimawandel

Tim Schauenberg
11. August 2022

Wissenschaftler schlagen Alarm: Viele Krankheiten werden durch Wetterextreme wie Hitze oder Überschwemmungen verstärkt. Die Immunabwehr wird geschwächt, Krankheiten breiten sich weltweit schneller aus.

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Coronatest bei einem Mann, der seinen Mundnasenschutz dafür herunter gezogen hat.  China Coronatest
Bild: Thomas Peter/REUTERS

Der menschengemachte Klimawandel begünstigt deutlich die Verbreitung und den Ausbruch von Infektionskrankheiten. Zu diesem Schluss kommen die Autoren einer im Wissenschaftsmagazin "Nature" veröffentlichten Studie der Universität Hawaii.

"Es war es wirklich erschreckend zu sehen, dass die Emissionen von Treibhausgasen solch eine massive Bedrohung für die Gesundheit ist", so Camillo Mora, Professor am College for Social Science an der Universität von Hawaii und Hauptautor der Studie.

Bei der Auswertung von mehr als 800 wissenschaftlichen Arbeiten fanden die Forschenden, dass 58 Prozent der untersuchten Infektionskrankheiten durch den Klimawandel verstärkt werden. In mehr als 3000 Einzelfällen konnte ein Zusammenhang nachgewiesen werden. Von den 375 untersuchten Krankheiten können laut der Studie 160 durch Wärme verstärkt werden, 121 durch Überschwemmungen, 71 durch Stürme, 81 durch Dürren und 43 durch die Erwärmung der Meere.

"Die gesellschaftlichen Verwerfungen der COVID-19 Pandemie geben einen beunruhigenden Einblick in eine sich abzeichnende und durch den Klimawandel befeuerte Gesundheitskrise", heißt es in der Studie.

Wasserverschmutzung durch Dürre und Stürme

Die Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Krankheiten sind dabei ganz unterschiedlich: Wasser- und Futtermangel ausgelöst durch Dürren können zum Beispiel dazu führen, dass sich Wildtiere näher an Wohngebiete heranwagen. Dadurch steigt das Risiko für Menschen, sich mit einer Krankheit anzustecken, die Tiere oder Parasiten übertragen. 

Krankenhaus in Kamerun, zwei medizinische Helfer versorgen Patienten in einem Zelt
Volle Krankenhäuser: Erst im April kam es in Kamerun zu neuen Cholera-FällenBild: DW

Dürren führen auch dazu, dass Menschen dazu gezwungen sein können verschmutztes Wasser zu trinken. Dadurch kann es zu Durchfallerkrankungen oder Cholera kommen.

Stürme, Starkregen und Überschwemmungen können Straßen, Stromleitungen oder das Abwassersystem beschädigen und die Versorgung mit sauberem Trinkwasser unterbrechen. Solche Ereignisse führten bereits in früheren Fällen zum Ausbruch von Hepatitis A und E, dem Rotavirus und Typhus. 

menschen Sitzen auf einem Fahrraddtransporter, in kniehohem Wasser. Bangladesch | Überschwemmung in Sylhet
Dürre, Stürme und Überflutungen können den Zugang zu sauberem Wasser unmöglich machenBild: Mohammad Rafayat Haque Khan

Hitze schwächt Immunsystem

Ein weiterer Punkt: Das Immunsystem wird etwa durch von Dürre verursachte Mangelernährung oder Hitzewellen geschwächt und dadurch auch anfälliger für Krankheiten. Auch Stress durch andere Wetterextreme können das Immunsystem von Menschen ebenso wie von Tieren schwächen.

Die Forscher stellten beispielsweise fest, dass Hitze und Nahrungsmangel bei Fledermäusen zu einer erhöhten Ausscheidung von Viren führte und Ausbrüche des Hendravirus begünstigte. Es kann bei Menschen schwere Gehirnentzündungen auslösen.

Insgesamt identifizierten die Wissenschaftler mehr als 1000 verschiedene Möglichkeiten, wie der Klimawandel den Ausbruch von Krankheiten befördern könnte.

Moskitos tragen Tropenkrankheiten nach Europa

Höhere Temperaturen können nicht nur die Verbreitung von Erregern fördern und das Risiko der Ansteckung erhöhen, sie begünstigen auch die Verbreitung der Überträger, den sogenannten "Vektoren". Dies können beispielsweise Mücken oder Zecken sein, die sich in warmen Gebieten gut vermehren. Durch die Erderwärmung können sie nun auch in Regionen leben, in denen sie bisher nicht heimisch waren.

Die Studie fand mehr als 100 durch Vektoren übertragene Krankheiten, die sich durch den Klimawandel verstärken. 

"In Deutschland und in Europa beobachten wir schon jetzt den Einfluss durch klimawandelbedingte Ereignisse auf Krankheitserreger," so Dr. Renke Lühken vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) in Hamburg gegenüber der DW. Der Virologe ist Experte für durch Insekten übertragene Krankheiten, er war nicht an der Studie beteiligt.

Makro-Nahaufnahme einer Anopheles Mücke
700 Millionen Menschen erkranken jährlich an einer durch Mücken übertragenen KrankheitBild: David Spears/Ardea/imago images

 

Aggressive Tigermücken breiten sich aus 

Besonders die Ausbreitung der asiatischen Tigermücke mache den Experten Sorgen, so Lühken. Sie etabliere sich derzeit in weiten Teilen Europas und "ist insbesondere für Ausbrüche des Chikungunya-Virus und Dengue-Virus im Mittelmeerraum verantwortlich”, so der Virologe weiter.

"Sie ist sehr aggressiv und durchsetzungsfähig. Sie ist in der Lage, mehr als 20 verschiedene Viren auf den Menschen zu übertragen und einheimische Stechmückenarten zu verdrängen. Außerdem ist sie sehr anpassungsfähig, was die Wahl geeigneter Brutstätten angeht," ergänzt Artur Jöst, Biologe und Experte für asiatische Tigermücken am Institut für Dipterologie in Speyer.

Zika-Virus und Dengue Fieber führen zu hohem Fieber, Hautausschlag sowie starken Kopf-, Knochen- und Gliederschmerzen. In einer Studie von 2020 warnen Forscher der Universität Georgia, USA, dass bis 2050 mehr als 1,3 Milliarden Menschen in Gebieten leben werden, in denen sich das Zika-Virus ausbreiten kann. Mehr als 700 Millionen werden mit Temperaturen leben, die eine Übertragung das ganze Jahr über möglich macht.

"Das ist besorgniserregend, weil nur für wenige diese Erreger zugelassene Impfstoffe existieren," so Lühken vom BNITM. 17 Prozent aller Infektionskrankheiten werden durch Vektoren übertragen. Fast 700 Millionen Menschen erkranken jedes Jahr an einer durch Mücken übertragenen Krankheit, mehr als eine Million sterben.

CO2 reduzieren hilft gegen Krankheiten

Der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, rief dazu auf, exotische Krankheiten auch in Deutschland verstärkt in den Blick zu nehmen. 

Eine Pfütze am Rheinufer vor einer Brücke - sonst ist hier Wasser, im Moment nur Kies.
Auch Deutschland leidet unter Dürre. Die hohen Temperaturen fördern die Ausbreitung von Insekten die früher hier nicht heimisch waren.Bild: Ina Fassbender/AFP

"Der Klimawandel führt in Deutschland zu einer Ausdehnung der Lebensräume für Mücken und Zecken", sagte Wieler  vor Journalisten. "Viele Mücken- und Zeckenarten können virale, bakterielle und parasitäre Infektionserreger übertragen", so Wieler. "Auch eine Rückkehr der Malaria ist möglich."

Den Forschenden der "Nature"-Studie zufolge ist es schwierig oder sogar unmöglich, die stärkere Ausbreitung von Krankheiten durch den Klimawandel zu verhindern oder sich daran anzupassen. Dafür seien die Erreger und Übertragungswege zu zahlreich. Aus ihrer Sicht ist deshalb ein "aggressiven Vorgehen" zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen nötig.