Landluft
"'Fließend warmes und kaltes Wasser' stand auf dem Schild am Gartenzaun", erinnert sich Fanny Weber, Altbäuerin auf dem Weberhof in Unterjoch im Oberallgäu. So wurde vor 40 Jahren Werbung gemacht für den "Urlaub auf dem Bauernhof". Die Stammgäste durften für 50 Pfennige die Familienküche mitbenutzen, und abends saß man mit den Urlaubern in der Stube, ratschte oder spielte Karten.
Tiere, heile Welt und blühende Wiesen
Schwiegertochter Marion Weber dagegen gewinnt heute ihre Gäste im Internet und bietet nicht mehr nur Zimmer, sondern Wohnungen namens "Bergblick" und "Alpennest" an. Sie wirbt mit dem "gefüllten Kühlschrank", mit Mobiliar, das für Allergiker geeignet ist und elektrosmogfreier Umgebung.
Eines aber hat sich nicht verändert: Kälbchen, Ponys und Esel, Katzen und Hunde sind an Kinder gewöhnt, die sie dauernd streicheln und umarmen wollen. Und der Bauer muss im Stall geduldig erklären, wie viel Milch die Kuh gibt und Spazierfahrten mit dem Traktor machen.
Neue Ideen für die Gäste
7100 der bundesweit 14.800 gemeldeten Betriebe mit "Urlaub auf dem Bauernhof" stehen in Bayern. Die meisten der Höfe haben sich nach touristischen Normen klassifizieren und zertifizieren lassen oder haben Gütesiegel erworben. Bäuerinnen absolvierten "zielgruppenorientierte Zusatzausbildungen", spezialisieren sich auf Wanderer oder Radler, Behinderte, Familien mit Kleinkindern oder Feinschmecker. Wer allerdings nur noch Kneippbäder, Sauna und Ayurveda-Behandlungen anbietet, kann das Etikett "Urlaub auf dem Bauernhof" oder staatliche Fördergelder vergessen. Die Höfe müssen noch bewirtschaftet werden.
"Unsere Erträge kommen in unserem Betrieb zu zwei Dritteln aus der Viehwirtschaft und zu einem Drittel aus der Vermietung", sagt Marion Weber, die auch als Vorsitzende des "Arbeitskreises Bergbäuerinnen im Oberallgäu" auf der Suche nach neuen Ideen für die Gäste ist. Die Bäuerinnen gehen mit den Stadtmenschen auf Kräuterwanderungen oder stellen mit ihnen Butter her. Sie sieht ihre Aufgabe auch darin, Verständnis für die Landwirtschaft zu wecken. "Hier sehen die Gäste, welche wahnsinnige Arbeit in einem Bergbauernhof steckt".
Abschalten mit der Heugabel
"Zwei Wochen nach dem Urlaub ist zuhause der strenge Stallgeruch der Gummistiefel noch ein Souvenir vom Bauernhofurlaub", sagt Stefanie Mairose, Krankenschwester aus Mainz, die Gast bei den Webers war. Die Kinder Kira, Julian und Till "erleben viel, das nicht viel Geld kostet", sagt sie.
Dass seine Söhne "rumtollen" können, ohne auf Autoverkehr zu achten, schätzt auch Hermann Betz aus dem hessischen Freigericht. "Hier geht alles drei Gänge langsamer", schwärmt er. Auf dem Bauernhof könne er abschalten, sagt er. Seine Gastgeberin, Hanni Huber, hat zwar keine Fernseher in ihren Wohnungen und wurde deswegen in der Klassifizierung zurückgestuft, aber sie setzt auf andere Unterhaltung: Hermann Betz drückt sie manchmal eine Heugabel in die Hand. Er hilft gern beim Mähen, denn abends brät der Bauer zum Dank Kastanien im Lagerfeuer und öffnet eine Flasche Rotwein. Die Familie Betz sitzt dabei - auch die beiden Jungen, die fast die gesamten Ferien keinen Handyempfang haben. So haben auch die Hubers ihre Zielgruppe gefunden. (epd)