Ermittler für schärfere Pilotenkontrollen
13. März 201630 Minuten lang sah alles nach einem gewöhnlichen Flug aus. Der Airbus A320 mit der Kennung D-AIPX der deutschen Lufthansatochter Germanwings war am 24. März 2015 um 10 Uhr in Barcelona in Richtung Düsseldorf gestartet. Gegen 10.30 Uhr ein letzter Routine-Funkspruch. Dann nahm die Katastrophe ihren Lauf, an deren Ende um 10.41 Uhr der Jet mit 150 Menschen an Bord in den französischen Alpen zerschellte.
Fast ein Jahr lang haben die Experten der französischen Flugunfallbehörde BEA alle Aspekte des Absturzes untersucht. Vorab wurden bereits die Angehörigen der Absturzopfer über die Ergebnisse informiert. Jetzt haben die Experten ihren Unfallbericht der Öffentlichkeit vorgestellt.
Neue Sicherheitsempfehlungen
Darin geben sie Sicherheitsempfehlungen, damit ähnliche Katastrophen künftig vermieden werden: Dazu gehören ihrer Ansicht nach auch neue Regeln für medizinische Berichte über Piloten. Nach Ansicht der Experten sollten auch die persönlichen Ärzte von Flugzeugführern künftig mit eingebunden werden, wenn es um die Einschätzung von deren Flugtauglichkeit geht. Dies hätte allerdings Auswirkungen auf die ärztliche Schweigepflicht. Mediziner würden bislang daran gehindert, in ähnlichen Fällen die zuständigen Stellen zu informieren, weil sie fürchten müssten, ihre Zulassung als Arzt zu verlieren.
Diese, insbesondere in Deutschland sehr strenge Regelung sollte überdacht werden, so die französischen Experten, wenn die Gesundheit eines Patienten die öffentliche Sicherheit gefährde. Gesundheitsdienstleister sollten aufgefordert werden, die entsprechenden Behörden zu informieren, heißt es im Abschlussbericht, der in Le Bourget bei Paris vorgelegt wurde. Zudem sollte der psychische Zustand von Piloten künftig jährlich durch offizielle Stellen überprüft werden.
Die Experten empfehlen hingegen nicht, den Schließmechanismus der Cockpittür zu ändern, der ebenfalls eine zentrale Rolle im Absturzgeschehen spielt. Die Türen seien wegen der Gefahr einer terroristischen Bedrohung gesichert, sagte BEA-Chef Rémi Jouty. Und daran will die Behörde nicht rütteln.
"Pilot war sich bewußt, was er tat"
Der Grund für die empfohlene Lockerung der Schweigepflicht sind die Erkenntnisse aus dem weiteren Umfeld der Ermittlungen. Zwar stand - wie üblich - die Untersuchung der beiden Flugschreiber im Zentrum, die minutiös die Daten der letzten Minuten von Flug 4U9525 sowie Gespräche und Geräusche aus dem Cockpit aufgezeichnet hatten. Die Experten untersuchten aber auch alle weiteren Umstände des Fluges, darunter die Vorgeschichte des Co-Piloten.
Klar ist, dass der Kapitän nach erreichen der Reiseflughöhe von seinem Platz aufstand, um kurz das Cockpit zu verlassen. Die Zeit seiner Abwesenheit nutze Co-Pilot Andreas Lubitz, um den Absturz herbeizuführen. Er verriegelte die Cockpittür von innen und zwar so, dass sie auf keinen Fall von außen geöffnet werden konnte. Der Kapitän hatte keine Chance, zurückzukehren, um ins Fluggeschehen einzugreifen. Die Daten zeigten, dass sich er Co-Pilot dessen bewusst war, was er tat, so BEA-Experte Arnaud Desjardins.
Die Untersuchungen bestätigen erneut, dass Co-Pilot Lubitz unter Depressionen litt und dass dies vor dem Absturz verschiedenen Ärzten bekannt war. Dennoch sei er mehrfach für flugtauglich erklärt worden. Das letzte Mal im Juli 2014. Doch Lubitz - der vorgeblich seine vor Jahren diagnostizierte Depression überwunden hatte - erlitt im November 2014 einen Rückfall. Er bekam daraufhin Antidepressiva verschrieben, ohne dass dies Auswirkungen auf seine Flugtauglichschreibung gehabt hätte. Dabei habe ein Arzt dem 27-Jährigen sogar einen Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik empfohlen - zwei Wochen vor dem Absturz. Die Aufsichtsbehörden verständigte der Mediziner hingegen nicht.
AR/qu (PK BEA/afp/dpa/rtr)