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PolitikSüdkorea

Konfrontation im Präsidentenpalast erschüttert Südkorea

3. Januar 2025

Anhänger, eine Militäreinheit und der Sicherheitsdienst des abgesetzten Präsidenten verhindern die Festnahme von Yoon Suk Yeol. Könnte es Yoon gelingen, sich zurück an die Macht zu kämpfen?

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Polizei und Demonstranten bei Pro-Yoon-Demonstration vor dessen Residenz
Landesweit hat der vom Amt suspendierte Präsident noch immer viele Unterstützer, die für ihn auf die Straße gehenBild: Ahn Young-joon/AP/picture alliance

Südkorea durchlebt seine schwerste politische Krise seit vielen Jahrzehnten. Unterstützt von Teilen des Militärs und seinem offiziellen Sicherheitsdienst hat sich der seines Amtes enthobene Präsident in seiner offiziellen Residenz verschanzt und widersetzt sich offen einem gegen ihn erlassenen Haftbefehl.

Die Anhänger von Yoon Suk Yeol haben sich vor dem Amtssitz versammelt, um ihre Unterstützung zu demonstrieren und die Festnahme des Politikers durch die Antikorruptionsbehörde (CIO) zu verhindern. Nach einer stundenlangen Konfrontation am Freitag, bei der sich ihnen Demonstranten, eine Militäreinheit und der Leiter des präsidialen Sicherheitsdienstes entgegenstellten, mussten 30 Beamte der Behörde die Residenz unverrichteter Dinge wieder verlassen.

Die Rechtsanwälte Yoons insistieren, dass der Haftbefehl gegen ihn "rechtswidrig und ungültig" sei. Sein Anwaltsteam hat eine einstweilige Verfügung beantragt und stellt sogar rechtliche Schritte gegen die Antikorruptionsbehörde in Aussicht.

Vollstreckung des Haftbefehls vereitelt

Die Behörde brachte ihr Bedauern über "das Verhalten des Verdächtigen" zum Ausdruck, nachdem sich das Ermittlungsteam zurückgezogen hatte. "Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass die Vollstreckung des Haftbefehls aufgrund der anhaltenden Konfrontation unmöglich war und haben diese aus Sorge um die Sicherheit des Personals vor Ort ausgesetzt", sagte die Behörde in einer Presserklärung. Über weitere Schritte würde nach Beurteilung der Lage entschieden.

Zwei Personen stehen vor einem Fernseher, der Präsident Yoon Suk Yeol bei der Ausrufung des Kriegsrechts zeigt
Am 3. Dezember verhängte Yoon Suk Yeol überraschend das Kriegsrecht, nahm dies nach Protesten aber wieder zurückBild: Ahn Young-joon/AP Photo/picture alliance

Beobachter gehen davon aus, dass die CIO erneut versuchen wird, den Haftbefehl zu vollstrecken, bevor er kommende Woche abläuft. Zu Yoons Zukunft gehen die Meinungen jedoch auseinander. Während einige es für undenkbar halten, dass er an die Macht zurückkehren kann, verweisen andere auf seine noch immer solide Unterstützerbasis im Land und auf die Tausenden von Menschen, die bereit sind, für ihn in Seoul auf die Straße zu gehen.

"Ich gehe davon aus, dass die CIO erneut versuchen wird, den Haftbefehl am Wochenende oder kommenden Montag zu vollstrecken", sagt der Politologe Lee Sang-sin vom Korea Institute for National Unification. Allerdings könne die Behörde auch einen neuen Haftbefehl beantragen. "Dieser Schritt würde ihnen einen Zeitraum von 20 weiteren Tagen für die Ermittlungen verschaffen."

"Solange Yoon sich weigert, mit den Behörden zu kooperieren, werden weitere Haftbefehle das Problem nicht lösen", so Lee Sang-sin zur DW. "Es ist unvermeidlich, dass es zu einer weiteren Auseinandersetzung mit Yoons Sicherheitsleuten kommen wird. Was dann passiert, lässt sich derzeit noch nicht sagen.

Yoon will nicht aufgeben

In einer handschriftlichen Nachricht an seine Anhänger gelobte Yoon am Mittwoch, er werde "bis zum Ende kämpfen, um das Land zu schützen".

Yoon war seines Amtes enthoben worden, weil er am 3. Dezember das Kriegsrecht ausgerufen hatte. Dieses verbietet Proteste und politische Aktivitäten im Parlament aber auch durch die politischen Parteien im Allgemeinen. Die Medien werden dabei unter staatliche Kontrolle gestellt.

Südkorea kämpft um seine Demokratie – wieder einmal

Yoon begründete seinen Schritt damit, dass er Südkorea vor "der Bedrohung durch die kommunistischen Kräfte Nordkoreas" schützen wolle. Sein Ziel sei es, die "verabscheuungswürdigen pro-nordkoreanischen, gegen den Staat gerichteten Kräfte auszumerzen, die die Freiheit und das Glück unseres Volkes rauben, und die freie und verfassungsmäßige Ordnung zu schützen". Angesichts des öffentlichen Drucks zog er die Erklärung des Kriegsrechts jedoch nur wenige Stunden später wieder zurück.

In dieser Woche erklärte er, eine "freie Demokratie, die jedem Staatsbürger gehört, nicht dem Staat oder eine Partei", würde mit Sicherheit siegen.

Yoon als Drahtzieher eines Aufstands

Die Demokratische Partei, eine der Oppositionsparteien in Südkorea, ist nicht nur darüber empört, dass Yoon das Kriegsrecht ausrief, sondern auch darüber, dass er sich über die ihrer Ansicht nach angemessenen rechtlichen Konsequenzen hinwegsetzt. Hochrangige Parteimitglieder sind der Meinung, Yoon habe versucht, die extreme Rechte dazu zu bringen, gegen seine Festnahme vorzugehen.

"Yoon Suk Yeol, der führende Kopf des Aufstands, stachelt den Aufstand an und ruft die Menschen dazu auf, an seiner Seite zu kämpfen, während er sich in seiner Residenz versteckt und sich weigert, den Anweisungen staatlicher Institutionen Folge zu leisten", wird der Sprecher der Demokratischen Partei Jin Sung-joon vor der Konfrontation von Freitag von der Nachrichtenagentur Yonhap zitiert.

Protestierende auf der Straße vor der Nationalversammlung
Unmittelbar nach Verhängung des Kriegsrechts zogen viele Demonstrierende vor die Nationalversammlung, um dagegen zu protestierenBild: Kim Soo-hyeon/REUTERS

Park Jung-won, Rechtswissenschaftler an der Dankook-Universität, ist überzeugt, dass die Opposition Yoons Popularität unterschätzt. Etwa 40 Prozent der Südkoreaner stünden noch immer hinter ihm, schätzt er.

"Wir wissen nicht, wie das Verfassungsgericht in der Frage der Rechtmäßigkeit von Yoons Amtsenthebung urteilen wird, aber viele Rechtswissenschaftler sind der Meinung, dass sie unzulässig war und dass Yoon letztlich nicht angeklagt werden wird", sagt er zur DW.

"Klar ist auch, dass er noch viele Anhänger hat. In Seoul sind für das gesamte Wochenende Demonstrationen geplant. Ich würde also sagen, dass es für die CIO nahezu unmöglich ist, ihn festzunehmen."

Das Ende von Yoons politischer Laufbahn?

Lee Sang-sin vom Korea Institute for National Unification sieht das anders. Seiner Meinung nach zögert Yoon durch seinen Widerstand gegen die Staatsgewalt nur "das Unvermeidliche" hinaus.

"Zum Wohle des Landes sollte er lieber früher als später gehen, denn die Unsicherheit, die das ganze Land spürt, tut uns nicht gut. Sie schadet unserer politischen Situation, unserer Wirtschaft, den Menschen und unserem internationalen Ansehen", sagt er.

Selbst wenn Yoon sich der Amtsenthebung entziehen könnte, sei "seine politische Macht am Ende" und es wäre "unmöglich für ihn, in das Präsidentenamt zurückzukehren", betont Lee.

"Als Nation müssen wir weitermachen, wir müssen Neuwahlen abhalten, eine neue Regierung und einen handlungsfähigen Präsidenten wählen. Ich glaube, so denken in Südkorea heute alle."

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.

Freiberufliche Mitarbeiter, Julian Ryall
Julian Ryall Korrespondent und Reporter in Tokio