Konfisziertes Geld soll Strom in Nigerias Dörfer bringen
19. Januar 2025Korruptionsskandale haben selten ein Happy End - aber in diesem Fall könnten mutmaßliche Schmiergelder auf Umwegen doch noch so eingesetzt werden, dass sie der geprellten Bevölkerung nützen.
Die Hauptperson des mutmaßlichen Skandals, Diezani Alison-Madueke, war von 2010 bis 2015 nigerianische Ministerin für Erdölressourcen und wurde 2015 die erste weibliche Präsidentin des Ölkartells OPEC. 2015 wurde sie in London von der britischen National Crime Agency wegen Verdacht auf Bestechung und Geldwäsche festgenommen, wenig später aber auf Kaution wieder freigelassen. Bei der Beschlagnahmung von Vermögenswerten der ehemaligen Ministerin und ihrer Mitarbeiter in den USA kamen in der Folge fast 52,9 Millionen US-Dollar (51,6 Millionen Euro) zusammen.
Die USA unterzeichneten ein Abkommen über die Rückgabe dieser Gelder an Nigeria - es ist die erste solche Rückführung im Zusammenhang mit Alison-Madueke. Die Millionenbeträge sollen nun zur Finanzierung von Projekten verwendet werden, mit denen ländliche Regionen im ganzen Land ans Stromnetz angeschlossen werden.
Lukrative Verträge
Im Jahr 2017 hatte das US-Justizministerium in einer Zivilklage Vermögenswerte in Höhe von gut 100 Millionen Dollar (97 Millionen Euro) zurückgefordert, die Alison-Madueke vermutlich durch Bestechungsgelder erlangte: In der Klage wird behauptet, zwischen 2011 und 2015 hätten sich zwei nigerianische Geschäftsleute mit anderen verschworen, um die damalige Ölministerin und Leiterin der staatlichen Ölgesellschaft NNPC Ltd. zu bestechen. Im Gegenzug soll die Ministerin ihre Position dazu genutzt haben, um lukrative Ölverträge an Unternehmen zu vergeben, die den beiden Geschäftsleuten gehören.
Gerichtsdokumenten zufolge wurden die Erlöse aus diesen unrechtmäßig erworbenen Verträgen über Briefkastenfirmen in den USA gewaschen und dann zum Kauf verschiedener Vermögenswerte verwendet - darunter Luxusimmobilien in Kalifornien und New York sowie eine 65 Meter lange Superyacht.
Alison-Madueke hat die Korruptionsvorwürfe stets zurückgewiesen. Die nigerianische Anti-Betrugs-Behörde hat jedoch gerichtliche Verfügungen erwirkt, um in Nigeria Häuser, Autos und Schmuck zu beschlagnahmen, bei denen es sich um Korruptionserlöse handeln soll, die mit der ehemaligen Ministerin und ihren Partnern in Verbindung stehen.
Die Herausforderung der Korruption
In Nigeria ist die Korruption weit verbreitet. In einem Bericht der nigerianischen Statistikbehörde NBS aus dem Jahr 2023 wird die Korruption als das viertgrößte Problem des Landes eingestuft. Daneben werden Herausforderungen wie hohe Lebenshaltungskosten und grassierende Arbeitslosigkeit genannt. Allein im Jahr 2023 seien demnach rund 451 Millionen Euro in Form von Bestechungsgeldern an Beamte des Landes gezahlt worden. Analysten weisen darauf hin, dass die Korruption - wenn sie nicht angemessen bekämpft wird - Nigeria bis zum Jahr 2030 bis zu 37 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts kosten könnte.
Bei der "Bekämpfung der weltweiten Geißel der Korruption, die auch mit grenzüberschreitenden Straftaten verbunden ist", sei die internationale Zusammenarbeit äußerst wichtig, hob der nigerianische Justizminister Lateef Fagbemi hervor. Das Abkommen zwischen den USA und Nigeria unterstreiche die Verpflichtungen, die im "Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption" sowie im "Gesetz über die Einziehung und Verwaltung von Erträgen aus Straftaten" verankert sind. Es müsse sichergestellt sein, "dass gestohlene Vermögenswerte zurückgegeben und zum Nutzen unserer Bürger verwendet werden".
45 Prozent der Nigerianer ohne Strom
Nach Angaben der Weltbank ist Nigeria das Land mit dem weltweit größten Defizit beim Zugang zu Elektrizität: 45 Prozent der Nigerianer sind von der Stromversorgung abgeschnitten. Ein noch krasseres Missverhältnis besteht zwischen städtischen und ländlichen Gebieten: Nur 26 Prozent des ländlichen Nigerias sind an das Stromnetz angeschlossen.
Seitdem Präsident Bola Tinubu sein Amt im Mai 2023 antrat, hat er verschiedene Initiativen ergriffen, um die Stromlücke zu schließen und wirtschaftliche Aktivitäten in ländlichen Gemeinden zu fördern. Im Dezember 2024 stattete der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Nigeria einen Staatsbesuch ab, bei dem auch Unterstützung im Energiebereich zur Sprache kam.
Nun sollen auch beschlagnahmte Gelder aus dem Korruptionsfall Diezani Alison-Madueke den Netzausbau voranbringen: 50 Millionen Dollar der zurückerhaltenen Geldmittel sind laut Justizminister Fagbemi für die Verbesserung des Zugangs zu erneuerbaren Energien in Nigerias ländlichen Gemeinden vorgesehen. Fast 2,9 Millionen Dollar will Nigeria zudem an das Internationale Institut für Justiz zur Unterstützung der Terrorismusbekämpfung in ganz Afrika auszahlen.
Der Justizminister erklärte, es seien Maßnahmen ergriffen worden, um sicherzustellen, dass die zurückgezahlten Mittel nicht nur ausgezahlt, sondern auch "in transparenter und verantwortlicher Weise verwendet" werden. So müssten Nigeria und den USA etwa regelmäßig Berichte über die Durchführung der Projekte übermittelt werden.
Aus dem Englischen übersetzt von Nikolas Fischer.