Verschwendung, Betrug und Pfusch
1. September 201140 Millionen Dollar für ein Gefängnis im Irak, das niemand wollte und das nie fertig gebaut wurde. 300 Millionen Dollar für ein Kraftwerk in Kabul, von dem jetzt schon klar ist, dass der afghanischen Regierung das Geld und die technische Expertise fehlen, um es weiter betreiben zu können. Und weil die elektrischen Leitungen in einer Dusche nicht richtig verlegt wurden, starben mehrere US-Soldaten in Unterkünften in Irak.
Mit Beispielen wie diesen weist die sechsköpfige "Wartime Contracting Commission" des US-Kongresses in ihrem am Mittwoch (31.08.2011, Ortszeit) vorgelegten Bericht auf die massive Geldverschwendung und Pfuscherei in Irak und Afghanistan durch Privatfirmen hin.
Die Kommission war 2008 gegründet worden und hat sich in zahllosen Treffen und Anhörungen mit der Vergabe von US-Regierungsaufträgen an Privatfirmen in Irak und Afghanistan beschäftigt. Das Ergebnis: Die Amerikaner haben das Outsourcing des Krieges im letzten Jahrzehnt in großem Umfang betrieben. Insgesamt werden seit dem Jahr 2002 bis zum September dieses Jahres 206 Milliarden US-Dollar für private Firmen in den beiden Kriegsgebieten ausgegeben worden sein. Zeitweise waren 260.000 private Sicherheitsleute im Einsatz - in etwa genauso viele wie amerikanische Soldaten und Regierungsangestellte in den Kriegsgebieten.
Wenige kassierten groß ab
Zwei Drittel des Geldes, so das Ergebnis der Kommission, wurden dabei für "Dienstleistungen" ausgegeben. Dabei sind zwei Dinge bemerkenswert: Zum einen teilen sich nur wenige Firmen den Großteil des ausgegebenen Geldes. Über die Hälfte der Ausgaben, so der Bericht, fallen auf lediglich 22 Firmen. Den größten Batzen mit 40,8 Milliarden Dollar kassierte die amerikanische KBR. Diese Firma war bis 2007 ein Tochterunternehmen von Halliburton, jener Firma, die von Dick Cheney bis zu dem Moment geleitet wurde, als er seine Vizepräsidentschaftskandidatur an der Seite des späteren Präsidenten George W. Bush begann.
Und zum anderen ist auffällig: Für 38,5 Milliarden Dollar ist schlicht nicht nachzuvollziehen, an wen sie gegangen sind. Die Kommission behilft sich hier mit der Bezeichnung "sonstige ausländische Anbieter".
Doch nicht das Volumen der Aufträge allein ist das Problem: Weil die Regierung nicht in der Lage war, den effizienten Einsatz der Privatfirmen zu gewährleisten, versickerten Milliarden im Sand. Mindestens 30, vielleicht aber sogar 60 Milliarden Dollar an Steuergeldern seien so verloren gegangen, schätzten die Mitglieder der überparteilichen Kommission bei der Vorstellung ihres Abschlussberichts.
Darin nennen sie die Gründe: "schlechte Entscheidungen, vage Vertragsbedingungen, fehlende qualifizierte Aufsicht vor Ort durch Mitglieder der Regierung, doppelte oder unnötige Arbeit, fehlende Anpassung oder Neuausschreibung von Verträgen, Projekte, die nicht aufrecht erhalten werden können, unzulängliche Geschäftspraktiken und verzögerte Revisionen". Die Schuld ist auf beiden Seiten zu finden: bei der Regierung und den Firmen.
Zu viel "Outsourcing"
Teile der Aufgaben in einem Kriegsgebiet an Privatfirmen zu vergeben, ist keine Neuerung, erklärt Lawrence Korb vom liberalen "Center for American Progress" in Washington. Korb, der von 1981 bis 1984 selbst im US-Verteidigungsministerium für einen großen Teil des Etats zuständig war, erklärt, auch zu seiner Zeit seien Privatfirmen benutzt worden, "um Fahrzeuge zu reparieren oder Mahlzeiten auszuteilen".
Inzwischen übernehmen Privatfirmen aber zentrale Aufgaben wie das Sichern von Konvois oder das Bewachen von Militäreinrichtungen. Sie stellen Software zur Verfügung und transportieren Mannschaft und Gerät. Ohne diese privaten Dienstleistungen, so hat das Pentagon erklärt, sei ein Krieg gar nicht mehr möglich. "Das ist der entscheidende Unterschied zu früher", sagt Korb, und er hält diesen Einsatz der Privatfirmen für falsch.
Die zunehmende Privatisierung von Aufgaben, die ursprünglich vor allem durch das Militär, aber auch durch das Außenministerium übernommen wurden, begann Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre, als im US-Verteidigungsministerium eine rigorose Sparpolitik umgesetzt wurde. Immer mehr Dienstleistungen wurden ausgelagert. Auch der Kongress spielte mit und strich die Zahl der Zivilisten im Pentagon zusammen. Verteidigungsminister damals unter Präsident George Bush senior: Dick Cheney.
Zu wenig Soldaten
Noch etwas Anderes hätte angesichts eines langen und umfangreichen Krieges passieren müssen, so erklärt Lawrence Korb: "Man muss den Rekrutierungsdienst wieder aktivieren" - also auf die Namen von Millionen kriegstauglicher männlicher Bürger zwischen 18 und 25 Jahren zurückgreifen. "Wir haben 20 Millionen Menschen registriert", erklärt der frühere Navy-Captain Korb, "die wir aktivieren können und die diese Aufgaben übernehmen können."
Denn der Wehrdienst wurde zwar in den USA 1973 abgeschafft, das Meldesystem aber beibehalten. Es sei damals allgemeiner Konsens gewesen, dass "eine Freiwilligen-Armee eine Friedensarmee ist", so Korb. Knapp 30 Jahre später hatte offensichtlich aber niemand damit gerechnet, dass die Kriege in Irak und Afghanistan zehn Jahre dauern und eine Billion Dollar kosten würden. Es sind noch immer ausschließlich Freiwillige, die in den Krieg ziehen. Oder Angestellte von Privatfirmen, die dafür gut bezahlt werden.
Schlechtes Management im Pentagon
Gründe für das Missmanagement bei der Vertragsvergabe für die Kriege in Irak und Afghanistan sieht Lawrence Korb in der mangelnden Aufsicht durch die Spitze des Pentagons: "Der Verteidigungsminister ist damit beschäftigt, zu NATO-Treffen und Kongressanhörungen zu gehen, also braucht er einen starken Vizeminister", der sich um die Finanzen kümmert. Schon seit längerem, so Korb, habe es keinen solchen gegeben.
Auch den letzten Verteidigungsminister, den viel gelobten Robert Gates, der erst vor kurzem in den Ruhestand gegangen ist, habe man nicht überzeugen können, so Korb, einen starken Vize einzusetzen. "Gates ist der Typ, der niemanden [auf dieser Position] möchte, der ihn in den Schatten stellt oder eine Bedrohung darstellt."
Früher, so Korb, hätten Leute mit Management-Erfahrung die Position des Vizeverteidigungsministers inne gehabt, wie etwa von 1969 bis 1971 David Packard, der Mitbegründer von Hewlett-Packard, oder Ende der 70er Jahre Charles Duncan, der Vorsitzende von Coca-Cola. Den letzten Vizeverteidigungsministern inklusive Amtsinhaber William Lynn, so Korb, fehlten diese Manager-Qualitäten. So wundert es nicht, dass die Kommission zwar erklärt, dass die Vergabe von Aufträgen zwar inzwischen nachvollziehbarer geworden ist, die Verschwendung aber grundsätzlich weiter geht.
Ruf der USA ruiniert
Die Kommission hat in ihrem Bericht 15 Empfehlungen ausgesprochen, mit denen die Geldverschwendung gestoppt werden soll. Dazu gehören unter anderem, bei der Vergabe solcher Aufträge strenger zu sein und mehr auf Regierungsangestellte zurückzugreifen, die Aufsicht und Koordinierung zu verstärken und korrekte Daten zu sammeln, auf die Langfristigkeit von Projekten zu achten, Missbrauch zu ahnden – und den ganzen Reformprozess vom Kongress kontrollieren zu lassen.
Denn die überparteiliche Kommission, die ihren Abschlussbericht einstimmig abgab und auch bei der Vorstellung des Papiers Einigkeit demonstrierte, löst sich auftragsgemäß Ende September auf. Sie geht mit einer ernsten Warnung: Verschwendung, Betrug und Schlamperei seien nicht nur ein schlechter Dienst am Steuerzahler. Die Bemühungen des US-Militärs, der Diplomaten und Entwicklungshelfer würden damit ebenfalls zunichte gemacht, Korruption in den beiden Kriegsländern gefördert und: "Das Ansehen und der Einfluss der USA werden damit untergraben."
Autorin: Christina Bergmann, Washington
Redaktion: Frank Wörner