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Van Dijk und Messi kann man nicht vergleichen

Matt Pearson
24. September 2019

Lionel Messi ist zum sechsten Mal Weltfußballer - keine Riesenüberraschung. Aber viele hatten mit Liverpools Virgil van Dijk als Sieger gerechnet. Die gesamte Diskussion führt zu nichts, meint DW-Redakteur Matt Pearson.

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Fußball FIFA Weltfußballer-Wahl | Lionel Messi | Weltfußballer 2019
Bild: imago images/LaPresse/M. Alpozzi

Vor weniger als einem Monat wurde Virgil van Dijk von der UEFA als bester Spieler in Europa ausgezeichnet. Da in Europa ein Großteil der besten Fußballer der Welt spielen, ist die UEFA-Auszeichnung mehr als nur ein Indikator für die folgende Wahl der FIFA zum Weltfußballer des Jahres. 

Ausgezeichnet wurde aber - für viele ein wenig überraschend - zum insgesamt sechsten Mal der Argentinier Lionl Messi und eben nicht van Dijk. Ein wenig wirkt es, als würde man beispielsweise sagen: Du bist zwar der beste Lehrer der Welt, aber leider nicht der beste an der Schule, an der du unterrichtest. 

Letztlich nämlich ist die neuerliche Ehrung Messis im komplexen Wahlsystem begründet. Der Vergleich der Fußballer wirkt wie der sprichwörtliche Vergleich von Äpfeln und Birnen. Messi hat seinen Triumph der Tatsache zu verdanken, dass er den Niederländer und den Gesamt-Drittplatzierten Cristiano Ronaldo in drei von vier gleichgewichteten Teilabstimmungen hinter sich lassen konnte. Messi gewann die Wahl bei den Nationaltrainern, den Nationalmannschaftskapitänen und im Fan-Voting, während van Dijk "nur" die Wahl der Journalisten für sich entschied. 

Gegenmodell Europas Fußballer des Jahres 

Kommentarbild Matt Pearson
Der Vergleich zwischen so unterschiedlichen Spielern ist sinnfrei meint DW-Redakteur Matt Pearson

Beim Fußballer Europas waren ursprünglich ausschließlich Fachjournalisten stimmberechtigt. Mittlerweile fließen aber auch die Stimmen von rund 80 Trainern aus dem europäischen Spitzenfußball mit ins Ergebnis ein - nicht aber die von Spielern und Fans. Journalisten und Trainer als wählende Instanz wirken dabei wesentlich objektiver als das beim FIFA-System der Fall ist.

Man könnte sagen, es gibt eine annähernd objektive Wahl bei der UEFA und eine kaum objektive bei der FIFA. Messi verfügt als Marke im Weltfußball über zig Millionen von Fans weltweit, die bereit sind, ein Wahlformular auf der FIFA-Website auszufüllen. Van Dijk sicher nicht - zumindest nicht in der Dimension wie Messi oder Ronaldo. Doch was hat das mit den sportlichen Leistungen und Erfolgen der Spieler zu tun? So gut wie nichts. Bei der FIFA wird also eher der populärste Spieler der Welt und nicht der beste gewählt. 

Einfluss von verschiedenen Faktoren

Hinzu kommt: Im Allgemeinen bewerten die meisten Fans Angreifer anders als Verteidiger - anders im Sinne von begeisterter, bzw. am Ende einfach besser, weil die offensive Strahlkraft der defensiven in den allermeisten Fällen einfach überlegen ist. Das gilt sicher in Teilen sogar für die Wahl unter Fachleuten. Wie sonst könnte man erklären, dass van Dijk im vergangenen August zum ersten Mal seit 2011 überhaupt ein Innenverteidiger Europas Fußballer des Jahres wurde und dass es nach Franz Beckenbauer (1972 und 1976) und Fabio Cannavaro (2006) eine der seltenen Ausnahmen war, bei denen überhaupt mal ein Abwehrspieler mit einer individuellen Auszeichnung als bester Spieler geehrt wurde?

Eine weitere These: Die wahlberechtigten Nationalmannschafts-Kapitäne sind überwiegend keine Verteidiger, sondern Mittelfeld-Spieler oder Stürmer. Dass sie aufgrund ihrer eigenen Spielauffassung vielleicht eher ähnliche Spielertypen auf ähnlichen Positionen wählen, zeigt ein Blick in die offene Wahl: England-Kapitän Harry Kane wählte Messi, Heung-min Son Kane, und Luka Modric seinen Ex-Kollegen Ronaldo. Manuel Neuer - als Torwart ein defensiver Spieler - wählte hingegen van Dijk.

"Den Besten" gibt es gar nicht

Unabhängig vom Ausgang einer Weltfußballer-Wahl: In der Öffentlichkeit, besonders in den sozialen Medien, werden die Wahlen stets hitzig diskutiert. Die einen feiern den Gewinner als "einzig wahren Champion", die anderen wittern Absprachen, Skandale, Verschwörungen und sind der Meinung, dass ihr Favorit nur aufgrund dessen nicht gewonnen hat. Die millionenfachen öffentlichen Meinungsbekundungen führen Jahr für Jahr zu einer lebhaften Diskussion - allerdings einer, die überhaupt gar keinen Sinn ergibt. Denn neben all den den beschriebenen Faktoren bezüglich Interessen, Wahl und Prozedere muss man am Ende ganz einfach sagen: Messi, Ronaldo und van Dijk kann man gar nicht wirklich miteinander vergleichen.

Unter ihnen, oder auch beliebigen anderen Fußballern, "den Besten" zu finden und zu benennen ist einfach unmöglich. Fußballstil, individuelle Stärken, die Rolle im Team - all dies sind große Unterschiede und lassen eine einheitliche Bewertungsgrundlage im Grunde gar nicht zu. Ob unter Journalisten und Trainern oder unter Hinzunahme von Spielern und Fans - eine solche Wahl ist alles andere als objektiv zu gestalten. 

Obwohl Team-Trophäen immer an erster Stelle stehen sollten, kann ich nichts grundlegend Falsches an Einzel-Auszeichnungen in einem Mannschaftssport wie Fußball finden. Aber man sollte aufhören, so zu tun, als seien sie wirklich wichtig.