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Politik

Mit Polen im Dialog bleiben

19. März 2018

Angela Merkels Warschau-Visite schafft keines der alten Probleme aus der Welt. Dennoch war es gut und richtig, dem östlichen Nachbarn die Ehre des zweiten Antrittsbesuches zuteil werden zu lassen, meint Volker Wagener.

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Angela Merkel & Mateusz Morawiecki (Foto: Reuters)
Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki heißt Bundeskanzlerin Angela Merkel willkommenBild: Reuters/Agencja Gazeta/Slawomir Kaminski

Bei allen aktuellen Krisensymptomen - es stand auch schon mal schlechter um das deutsch-polnische Verhältnis. 2015 war das Jahr fundamentaler gesellschaftspolitischer Veränderungen in beiden Ländern. In Polen übernahm die nationalkonservative PiS, die Partei für Recht und Gerechtigkeit, die Regierungsgeschäfte. In Deutschland öffnete Angela Merkel die Grenzen für mehr als eine Million Flüchtlinge. Die Deutschen waren empört über die plötzlichen nationalistischen Töne zwischen Danzig und Krakau, die Polen schüttelten die Köpfe über Merkels Willkommenskultur. Seitdem hatten wir uns herzlich wenig zu sagen - es sei denn kritisches.

Mehr als politische Symbolik

Weil wir uns bilateral und auch im Verbund mit der EU heillos überworfen haben, ist ein Antrittsbesuch unter engen Nachbarn nicht der schlechteste Anlass, um Aufgeregtheiten zu beruhigen. Denn politische Rituale sind mehr als protokollarische Pflichten. Erst recht, wenn es um Außenpolitik geht. Antrittsbesuche neuer Regierungschefs im Ausland gehören dazu. Angela Merkels Polen-Visite war von besonderer politischer Symbolik: Ein Zeichen und das Einlösen des alten Versprechens, Polen dauerhaft in Europa zu integrieren.

Wagener Volker Kommentarbild App
DW-Redakteur Volker Wagener

Zusammen mit ihrem kurz zuvor schon absolvierten Besuch in Paris steht das schwierige Verhältnis im Länder-Dreieck Frankreich-Deutschland-Polen für die Symbiose des alten und des neuen, größeren Europas. Und diese Achse verändert gerade ihren Schwerpunkt. Denn politisch hat sich in den vergangenen Jahren in allen drei Ländern einiges verschoben. Mit Emmanuel Macron hat ein entschiedener EU-Reformer den kraftlosen Francois Hollande abgelöst, in Deutschland ist Angela Merkels Macht nach heftigen Wählerverlusten und langwieriger Regierungsbildung erodiert. Die frisch gewählte Kanzlerin ist nur noch halbstark, während in Polen die PiS-Regierung eine Art Ost-EU als Widerstandszelle gegen die Alt-EU in Stellung bringt. Kurz: Die politischen Gewichte haben sich verändert, eine Neujustierung der Verhältnisse untereinander ist überfällig.  

Polnische Angst um die nationale Identität

Die Nettigkeiten, die Merkel mit ihren Gesprächspartnern Ministerpräsident Mateusz Morawiecki und Staatspräsident Andrzej Duda austauschte, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass es zwischen Berlin und Brüssel einerseits und Warschau andererseits sehr grundsätzlich kriselt. Sicher, es gibt konkrete Politikfelder auf denen man über kreuz liegt: die Flüchtlingspolitik, der Streit um die Ostsee-Pipeline Nordstream 2, oder das Rechtsstaatsverfahren der EU gegen Polen wegen der Justizreform, die nach Brüsseler Lesart gegen EU-Recht verstößt. Doch dahinter steckt Grundsätzliches.

Es war naiv, westlich des ehemaligen Eisernen Vorhangs zu glauben, die Angleichung von West und Ost würde - unter Westbedingungen natürlich - ein Selbstläufer der Geschichte werden. Mitnichten. Es war ein historischer Irrtum, so der bulgarische Soziologe Ivan Krastev: Für Polen sei das Jahr 1989 nicht der Beginn der europäischen Integration gewesen, sondern in aller erster Linie der Wiedergewinn der staatlichen Souveränität.               

Merkel als Moderatorin zwischen Macron und der widerspenstigen Ost-EU? 

Diese Befindlichkeit - die auch für Ungarn, Tschechien oder andere ost-südosteuropäische Ländern gilt, werde in Berlin und Brüssel nicht gebührend anerkannt, monieren die EU-Neumitglieder unisono. Nach Jahrzehnten aufgezwungener Ideologie und Zwangsherrschaft sollte quasi über Nacht gleich die Vereinnahmung durch den demokratisch-kapitalistischen Westen erfolgen. Mit erheblicher Verspätung holt sich Europas Osten nun ein Stück nationaler Identität zurück.

Insofern wirkt die europäische Teilung gesellschaftlich weiter fort. Emmanuel Macron leitet daraus eine EU der zwei Geschwindigkeiten ab, was nicht nur in Warschau strikt abgelehnt wird. Um an diesem Punkt den Showdown innerhalb der EU-Familie zu vermeiden, wäre es klug, ein schon existentes, aber längst eingeschlafenes Dialog-Instrument wieder zu beleben: das Weimarer Dreieck.   

1991 ins Leben gerufen, um Polen an EU und NATO heranzuführen, legte die polnische PiS-Regierung den Drei-Länder-Zirkel 2016 wieder auf Eis. Mehr denn je wäre die Neuerfindung einer Kommunikationszelle der beiden EU-Alt-Mitglieder Frankreich und Deutschland mit dem jüngeren EU-Verwandten Polen ein geeignetes Forum, die diametral auseinandergehenden politischen Ziele zu moderieren. Eine echte Aufgabe für Angela Merkels letzte Amtszeit.

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Volker Wagener Autor für DW Programs for Europe